Ross Brawn beteuert: Benetton hat 1994 nicht betrogen

Die Anschuldigung gegenüber dem Benetton-Team in der Saison 1994 waren nicht legitim, erklären Ross Brawn und Pat Symonds

(Motorsport-Total.com) - Die Saison 1994 war eine sehr turbulente. Nicht nur das schwarze Wochenende Anfang Mai prägte das Motorsportjahr, auch die fortlaufenden Anschuldigung gegen das Benetton-Team von Michael Schumacher, dem vorgeworfen wurde die vor der Saison verbotenen Fahrhilfen (Traktionskontrolle, aktive Radaufhängung, Startautomatik) weiterhin einzusetzen. Nun spricht der damalige Verantwortliche Ross Brawn, der zusammen mit Rory Byrne und Nicholas Tombazis den Benetton B194 entwarf.

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher, Ross Brawn

Ross Brawn und Michael Schumacher feiern 1994 und 1995 ihre ersten Erfolge Zoom

Der Brite, der zuletzt Teamchef bei Mercedes war und mit seinem Team Brawn beide Titel 2009 holen konnte, sagt gegenüber 'auto motor und sport', dass Ex-Ferrari-Teamchef und nun FIA-Präsident Jean Todt ihn nach dessen Ankunft im Team Ende 1996 zu den Vorwürfen befragt hat. Brawn erklärt, dass es der "Verfolgungswahn" gewesen sei, der "die Konkurrenz befällt, sobald ein Auto schneller ist". Brawn erzählt weiter, dass Benetton-Elektronikchef Tad Czapski in den Menüunterpunkten die Startautomatik und Traktionskontrolle gelassen hatte, diese waren nur schwer zu finden und daher übersehen worden - es seien nur die Verweise auf "derartige Programme" gewesen, so Brawn. Die Software unter den Menüpunkten habe nicht mehr existiert.

Brawn, der mit Michael Schumacher bei Benetton 1994 und 1995 zwei Weltmeistertitel einfuhr, glaubt, dass die Konkurrenz das Team damals beschuldigte, weil man sich den Erfolg des Benetton B194 nicht erklären konnte. Der 60-Jährige beteuert: "Ich kann in den Spiegel schauen und Ihnen versichern, dass da nichts war." Brawn ist sich auch sicher, dass wenn man eine verbotene Fahrhilfe eingebaut hätte, viele Mitwissende vom Team später gegenüber den Medien ausgepackt hätten.

Brawn: Waren Opfer der Formel-1-Politik

Brawn übt auch leise Kritik an seinem späteren langjährigen Arbeitgeber Ferrari. Er meint, dass die großen Teams, wie eben Ferrari, McLaren und Williams, die mit dem "kleinen T-Shirt-Hersteller Benetton" nicht mithalten konnten, sich eine einfache Erklärung parat legten. Und diese war, dass das Team betrogen hat. Der Brite ist sich sicher: "Wir waren einfach das Opfer der großen Formel 1-Politik."

Pat Symonds

Symonds war 1994 in die Anschuldigungen rund um das Benetton-Team verwickelt Zoom

Pat Symonds, der von Brawn 1991 zu Benetton zurückgeholt wurde, erklärt gegenüber 'auto motor und sport', dass es in den Vorbereitungen auf die Saison 1994 große Probleme mit dem Cosworth-Motor gegeben hatte. Auf das erste Rennen der Saison in Interlagos, Brasilien, hat man sich nicht gut vorbereitet. Es wurde nur wenig geschlafen zwischen Donnerstag und Sonntag, doch zahlten sich die Strapazen aus, denn Schumacher holte den Sieg. Erst im Juli konnte man die Probleme am Motor richtig lösen.

Der Brite, der bereits 1982 für Toleman in der Formel 1 tätig und ab 1984 Renningenieur von Ayrton Senna war, kann sich noch an den ersten Wintertest mit Schumacher im B194 erinnern: "Michael ist mit einem breiten Grinsen aus dem Auto gestiegen und hat gesagt: 'Wir werden eine richtig gute Saison haben.' Das hat sich zu Saisonbeginn auch bestätigt. Es war ein wunderbares Auto, kinderleicht abzustimmen, nahe an der Perfektion." Doch nach kurzfristigen Regeländerungen aus Sicherheitsgründen nach dem Imola-Wochenende tat man sich bei Benetton schwer, diese optimal umzusetzen.

" Es war ein wunderbares Auto, kinderleicht abzustimmen, nahe an der Perfektion." Pat Symonds über den Benetton B194

Symonds: Schumacher in Adelaide "nicht er selbst"

Symonds, der zum Zeitpunkt der Anschuldigungen bereits zehn Jahre in der Königsklasse tätig war, konnte sich trotz des ersten Titels für Schumacher am Ende der Saison über den Erfolg nicht wirklich freuen: "Es war schlimm und ging so weit, dass ich mich am Ende der Saison trotz des WM-Titels fragte, ob ich noch weitermachen will." Für den 61-Jährigen war klar, dass die Anschuldigungen mit dem wilden Image des Teams, das in der Szene noch nicht etabliert war, zusammenhing. Man sei der Zeit voraus gewesen. Er gibt auch zu, dass ihn die Anschuldigungen verletzt haben, denn die harte Arbeit, die das Team geleistet hat, wurden nicht respektiert.

Damon Hill, Michael Schumacher

Adelaide 1994: Der Moment kurz vor dem Zusammenprall von Schumacher und Hill Zoom

Das letzte Rennen der Saison im australischen Adelaide "hat irgendwie in diese verrückte Saison gepasst", beschreibt Symonds den Unfall von Michael Schumacher und Damon Hill, der dem Deutschen schlussendlich den Titel einbrachte, da Hill das Rennen nicht beenden konnte. Symonds stimmte dieser Vorfall nur noch depressiver. Er wollte keinesfalls durch einen Unfall gewinnen, weil dies die Leistung schmälerte.

Symonds, der nun Technikchef beim wiedererstarkten Williams-Team ist, erzählt auch von einem ungewöhnlich nervösen Michael Schumacher in den letzten beiden Rennen der Saison 1994. Dafür hat er aber eine einfach Erklärung: "Wir waren zunächst so überlegen, und dann schien uns alles davon zu schwimmen." Die Anschuldigungen, das Auto sei illegal, die Sperren und Disqualifikationen, das Feuer in Hockenheim - das alles habe zur Unsicherheit beigetragen. In Adelaide "sahen wir einen Michael, der nicht er selbst war".

"Wir waren zunächst so überlegen, und dann schien uns alles davon zu schwimmen." Symonds über die Saison 1994