Mercedes: Die goldenen 1930er-Jahre der Silberpfeile

In den Jahren 1934 bis 1939 waren die Silberpfeile das Maß aller Dinge - Drei Europameisterschaftstitel und viele Geschwindigkeitsrekorde in der Retrospektive

(Motorsport-Total.com) - In Australien gewinnt Mercedes-Pilot Nico Rosberg den ersten Formel-1-Grand-Prix der Saison, doch schon vor rund 70 Jahren mischen die Stuttgarter im Motorsport mit. Von 1934 bis 1939 feiert Mercedes große Erfolge im internationalen Motorsport. Die "Goldene Ära" der Silberpfeile, wie diese sechs Jahre vor dem zweiten Weltkrieg auch genannt werden, beginnt mit dem Triumpf des W25 beim Internationalen Eifelrennen auf dem Nürburgring 1934. Zu den größten Erfolgen der deutschen Marke zählen die drei Europameisterschaftstitel, die mit dem heutigen Weltmeisterschaftstitel der Formel 1 gleichzusetzen sind.

Titel-Bild zur News: Rudolf Caracciola

1937 gewann Rudolf Caracciola mit dem W154 seinen dritten Titel Zoom

Bereits in ihrer aktiven Zeit werden die Silberpfeile, nicht nur wegen ihrer Lackierung, zu Legenden. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist es wiederum die Tradition der Typen W25 bis W165, die in den 1950er-Jahren das Fundament für die Entwicklung einer zweiten Silberpfeil-Generation mit dem Grand-Prix-Rennwagen W196 und dem Rennsportwagen 300 SLR darstellt.

Doch zurück zu den Anfängen. 1932 ist das Geburtsjahr einer neuen Formel für den Grand-Prix-Rennsport. In Zeiten von Arbeitslosigkeit und Auswirkungen der Wirtschaftskrise verkündet dies die Motorsportbehörde AIACR (Association Internationale des Automobile Clubs Reconnus) in Paris. 1934 tritt die neue Serie mit einer einzigen Einschränkung - ein Maximalgewicht von 750 Kilogramm der Fahrzeuge (ohne Kraftstoff, Öl, Kühlmittel und Reifen) - in Kraft. So wolle man die Geschwindigkeiten der Boliden begrenzen.

Mit dem W25 zu den ersten Erfolgen

Im Jahr 1933 entscheidet man sich bei Mercedes-Benz für die Entwicklung eigener Rennwagen. Somit hatte Rennleiter Alfred Neubauer mit seinem Werben für den Wiedereinstieg in den Motorsport Erfolg. Doch zu dieser Zeit ändern sich auch die Rahmenbedingungen für den Motorsport auf Grund der politischen Lage in Deutschland.

Rudolf Caracciola

1934: Caracciola liegt beim Großen Preis von Frankreich in Führung Zoom

Von Seiten der Nationalsozialisten kommt große Unterstützung - man drängt große Hersteller förmlich, sich im Motorsport zu engagieren. So entsteht für Mercedes-Benz ein neuer Konkurrent: die Auto Union mit Hauptverwaltung in Chemnitz, die im August 1932 durch den Zusammenschluss der vier sächsischen Kraftfahrzeugunternehmen Audi, DKW, Horch und Wanderer entsteht. Die Rivalität zwischen den Rennwagen mit dem Dreizack-Stern und denen mit den vier Ringen wird das Renngeschehen Europas in den Jahren bis 1939 prägen.

Nach dem Entschluss von Mercedes für den Rennwagen mit der Konstruktionsbezeichnung W25 formiert Rennleiter Alfred Neubauer frühzeitig das Rennteam. Einer der Fahrer, mit denen er Kontakt aufnimmt, ist Rudolf Caracciola. Zum Team gehören außerdem die Fahrer Manfred von Brauchitsch, Luigi Fagioli, Hanns Geier und Ernst Henne.

Erster Renneinsatz auf dem Nürburgring

Die Ingenieure um Hans Nibel, Chefingenieur im Vorstandsrang, entwickeln unter Zeitdruck einen neuen Rennwagen. Die Anordnung mit Frontmotor ist eher konservativ im Vergleich zum Mittelmotorwagen der Auto Union. Doch die Kombination aus einer schlanken Karosserie, mechanisch aufgeladenem 3,4-Liter-Reihenachtzylindermotor, einzeln aufgehängten Rädern und Getriebe direkt auf der Hinterachse ergibt einen absoluten Siegerwagen.

1934 unternimmt Mercedes-Benz von Februar an erste Versuchsfahrten mit dem neuen Rennwagen in Monza sowie auf der Autobahn zwischen Mailand und Varese. Der Wagen ist 235 kW (320 PS) stark (später 260 kW/354 PS mit einem neuen Treibstoffgemisch) und erreicht Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 250 km/h.

Mercedes-Benz entscheidet sich beim W25 zugleich für eine neue Karosseriefarbe: Silber. Der erste Auftritt ist für das Avus-Rennen in Berlin im Mai 1934 geplant, doch wegen technischer Probleme sagt man im letzten Augenblick die Rennteilnahme ab. Somit kommt der neue Wagen erst eine Woche später beim Internationalen Eifelrennen am 3. Juni auf dem Nürburgring zum Einsatz.

Die silberne Legende

Der W25 geht in silberner Lackierung an den Start, nachdem - so die Legende - die Rennboliden auf dem Nürburgring aus Gewichtsgründen zunächst ihrer weißen Farbe entledigt wurden. Zwar wird dieses Rennen nicht nach der 750-Kilogramm-Formel durchgeführt, doch will man offenbar einen Wagen präsentieren, der bereits dem neuen Reglement entspricht. Der Begriff "Silberpfeil" wird erst später geprägt werden und sich dann im Lauf der Jahre durchsetzen.

Hanns Geier

Hanns Geier pilotiert den Mercedes-Benz W25 auf dem Nürburgring Zoom

Das Eifelrennen 1934 ist der erste Start und zugleich auch der erste Sieg des neuen Mercedes-Benz Formel-Rennwagens. Manfred von Brauchitsch fährt den W25 mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 122,5 km/h ins Ziel und stellt damit einen neuen Streckenrekord auf.

Weitere Siege im ersten Jahr des W25 sind der Gewinn des Klausenrennens in der Schweiz durch Rudolf Caracciola, der Triumph von Luigi Fagioli bei der Coppa Acerbo rund um Pescara und der Sieg im Großen Preis von Italien in Monza. In Summe rund 1.300 zu durchfahrende Kurven und Schikanen machen Monza zum schwersten Termin in der Rennsaison 1934. Beim Großen Preis von Spanien gewinnt das Mercedes-Benz-Rennteam erneut und erzielt seinen ersten Doppelsieg: Luigi Fagioli gewinnt vor Rudolf Caracciola.

Erster Europameiterschaftstitel 1935

Damit ist Mercedes-Benz zurück an der Spitze des internationalen Rennsports. Auf die Erfolge des starken Gegners Auto Union antworten die Stuttgarter in der Saison 1935 mit mehreren Weiterentwicklungen des W25. Der stärkste Motor - M 25 C - bringt nun 363 kW (494 PS ) bei 5.800 Umdrehungen pro Minute aus 4.310 Kubikzentimeter Hubraum.

Mit diesem Wagen fährt die Stuttgarter-Mannschaft den ersten Europameisterschaftstitel, der in diesem Jahr zum ersten Mal vergeben wird, mit Caracciola ein. Dieser gewinnt den Großer Preis von Tripolis, das Eifelrennen, den Großen Preis von Frankreich, den Großen Preis von Belgien, den Grand Prix der Schweiz und den Großen Preis von Spanien.

Der 330 kW (449 PS) starke W25 des Jahres 1936 mit einem gegenüber den vorherigen Modellen kürzeren Radstand kann allerdings nicht mehr an diese Erfolgsserie anknüpfen: In diesem Jahr gelingen Mercedes-Benz nur zwei Siege in Monaco und Tunis, beide eingefahren von Caracciola.

1937: Frischer Wind durch Rudolf Uhlenhaut

Nach dem enttäuschenden Abschneiden des modifizierten W25 in seiner dritten Saison 1936, entwickelt Mercedes-Benz allein für das letzte Rennen der 1937 auslaufenden Rennformel ein neues Fahrzeug. Schon im Winter 1936 zeigte sich das Innovationspotenzial der Stuttgarter Rennabteilung: Im November und Dezember erzielte Caracciola auf der neuen Autobahn Frankfurt-Darmstadt mit dem Zwölfzylinder-Stromlinien-Rekordwagen fünf internationale Klassenrekorde und einen Weltrekord und übertraf dabei deutlich die Werte, die Hans Stuck auf Auto Union wenige Monate zuvor im März an gleicher Stelle erzielt hatte.

Rudolf Caracciola

Rudolf Caracciola gewinnt mit Mercedes drei Europameisterschaftstitel Zoom

Das Jahr 1937 dominiert der neue W125 mit seinem Achtzylindermotor und mechanischem Lader, der für Spitzenleistungen von rund 441 kW (600 PS) aus 5,6 Liter Hubraum sorgt. Konzipiert wird der W125 von einem erst dreißigjährigen Ingenieur, dem Mitte 1936 die Leitung der neu gebildeten Rennabteilung übertragen worden war: Rudolf Uhlenhaut.

Uhlenhaut entwickelt nicht nur neue Konzepte, sondern erprobt die Rennwagen auch persönlich - er ist ein talentierter Fahrer und oftmals ebenso schnell unterwegs wie die etatmäßigen Rennfahrer. Er setzt auf neue Lösungen: So ist erstmals bei einem Silberpfeil der Kompressor nach den Vergasern angeordnet - der Lader verdichtet also das fertige Gemisch. Dieser Reihenachtzylinder bildet die höchste Ausbaustufe des seit 1934 aktuellen Grand-Prix-Triebwerks.

Neue Abstimmung ist Schlüssel zum Erfolg

Der neue Chefingenieur wählt nach ausgiebigen Versuchsfahrten auf dem Nürburgring eine revolutionäre Fahrwerkauslegung: Die bislang übliche Abstimmung des Fahrwerks - hart gefedert, aber wenig gedämpft - verkehrt Uhlenhaut kurzerhand und richtungsweisend ins Gegenteil: Der W125 rollt weich gefedert, aber kräftig gedämpft an den Start. Äußerlich unverwechselbar wird der W125 durch die drei Kühlöffnungen in der Frontpartie. Der W125 tritt mit frei stehenden Rädern auf, nur für das sehr schnelle Avus-Rennen am 30. Mai 1937 wird er mit einer Stromlinienkarosserie versehen.

In der Rennsaison 1937 folgt Sieg auf Sieg: Hermann Lang gewinnt den Großen Preis von Tripolis und kommt beim Avus-Rennen als Sieger mit dem aerodynamisch optimierten W125 ins Ziel. Seine Durchschnittsgeschwindigkeit von 271,7 km/h in diesem Rennen soll erst 1959 übertroffen werden. Caracciola gewinnt den Großen Preis von Deutschland. Manfred von Brauchitsch siegt dann beim Großen Preis von Monaco. Beim Großen Preis der Schweiz heißen die Männer auf dem Siegertreppchen Caracciola, Lang und von Brauchitsch, den Grand Prix von Italien gewinnt wieder Caracciola. Mit dem Sieg beim Großen Masaryk-Preis in Brünn rundet Caracciola das Rennjahr 1937 ab.

Das Jahr 1937 bedeutet den Höhepunkt für Mercedes-Benz mit den ersten vier Plätzen in der Europameisterschaft, aber auch das Ende der 750-Kilogramm-Formel. Von 1938 an gilt ein neues Reglement. Die Kernpunkte: maximal 3 Liter Hubraum mit Kompressor oder 4,5 Liter für Saugmotoren, mindestens 400 und höchstens 850 Kilogramm Gewicht, je nach Hubraum. Diese Vorgaben verlangen die Entwicklung eines ganz neuen Fahrzeugs.

Mit dem W154 zu den meisten Siegen

Vor allem aus thermischen Gründen entscheiden sich die Konstrukteure schließlich für einen V12 mit 60 Grad Gabelwinkel, den der Spezialist Albert Heeß im Hause Daimler-Benz selbst entwickelt. Bereits ab Januar 1938 arbeitet der Motor auf dem Prüfstand. Sein erster fast störungsfreier Probelauf folgt am 7. Februar. Im Durchschnitt stehen den Fahrern in der ersten Hälfte der Saison 316 kW (430 PS) zur Verfügung, am Ende sind es mehr als 344 kW (468 PS). Und erstmals hat ein Rennwagen von Mercedes-Benz fünf Gänge.

Hermann Lang

Hermann Lang gewinnt die Coppa Ciano 1938 in Italien Zoom

Dieser Silberpfeil, der W154, bringt der Rennabteilung von Mercedes-Benz die meisten Siege der Epoche. Es geht Schlag auf Schlag: Das Rennen um den Großen Preis von Tripolis wird zum Dreifachsieg. Beim Großen Preis von Frankreich wiederholt Mercedes-Benz das Kunststück. Der Brite Richard Seaman, seit 1937 im Team, siegt beim Großen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring, während anschließend Hermann Lang die Coppa Ciano in Livorno und Rudolf Caracciola die Coppa Acerbo bei Pescara gewinnen.

Beim Großen Preis der Schweiz kommen wieder drei W154 auf die ersten Plätze. Rudolf Caracciola wird zum dritten Mal Europameister. Die Auto Union, deren Spitzenfahrer Rosemeyer bei Rekordfahrten im Januar 1938 tödlich verunglückt war, kann erst gegen Ende der Saison einzelne Erfolge verzeichnen.

Der ungekrönte Hermann Lang

1939, in der letzten Rennsaison vor dem Zweiten Weltkrieg, knüpft Mercedes-Benz mit dem W154 an die Erfolge des Vorjahres an. Das erste Rennen der Saison ist der Große Preis von Pau in Frankreich, den Hermann Lang für sich entscheidet. Auch beim Eifelrennen im Mai kommt Lang als erster Fahrer ins Ziel.

Hermann Lang führt diese eindrucksvolle Siegesserie weiter. Beim Wiener Höhenstraßen-Rennen holt er sich den Sieg im W154 Bergrennwagen. Die Platzierung wiederholt er auch beim Großen Preis von Belgien in Spa. Caracciola gewinnt - zum fünften Mal - den Großen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring. Beim Grand Prix der Schweiz kommt Lang vor Caracciola und von Brauchitsch ins Ziel.

Hermann Lang

Lang wird 1939 zwar Deutscher Bergmeister, jedoch nicht Europameister Zoom

Der Deutsche gewinnt auch das Rennen um den Großen Bergpreis von Deutschland am Großglockner und wird dadurch Deutscher Bergmeister 1939. Er ist eindeutig der beste Fahrer des Jahres, aber den Titel des Europameisters kann die zuständige Behörde, die AIACR in Paris, nach Kriegsausbruch nicht mehr vergeben.

Zum letzten Mal starten die Silberpfeile 1939 im zweiten Belgrader Stadtrennen am 3. September. Manfred von Brauchitsch kommt mit seinem W154 auf den zweiten Platz hinter Tazio Nuvolari auf Auto Union. Doch zu diesem Zeitpunkt hat bereits der Zweite Weltkrieg begonnen.

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