Das Force-India-Dilemma: Neue Reifen gefährdeten auch 2014

Force Indias stellvertretender Teamchef Robert Fernley erklärt, welch enorme Folgen Pirellis Reifenänderung für Force India hatte und wieso man 2013 nun opfert

(Motorsport-Total.com) - Bei Force India herrscht Katerstimmung. Ein weiteres Mal kamen Adrian Sutil und Paul di Resta im Qualifying nicht vom Fleck, müssen in Südkorea aus den Startposition 14 und 15 ins Rennen gehen. Da ist auch die Schwäche von Hauptkonkurrent McLaren - weder Jenson Button noch Sergio Perez schafften es in Q3 - nur bedingt ein Stimmungsaufheller. "Es ist frustrierend", knurrt der stellvertretende Teamchef Robert Fernley gegenüber 'Motorsport-Total.com'. Und fügt hinzu: "Um es mal vorsichtig auszudrücken".

Titel-Bild zur News: James Calado

Bei Force India ist seit den Reifenänderungen der Wurm drin Zoom

Wer kann es ihm auch verdenken? Zu Saisonbeginn war die indische Truppe mit Sitz in Silverstone, die in der Winterpause noch ums Überleben kämpfte, zum Favoritenschreck mutiert - Adrian Sutil lag beim Saisonauftakt in Melbourne sogar teilweise in Führung. Man schien drauf und dran, das mutige Saisonziel, mit Platz fünf in der Konstrukteurs-WM das beste Ergebnis in der Teamgeschichte einzufahren, in die Tat umzusetzen.

Pirelli durchkreuzte Force Indias perfekten Plan

Doch nach dem Grand Prix von Großbritannien, als man noch 22 WM-Punkte Vorsprung auf McLaren hatte, riss plötzlich der Faden. Seitdem kratze man nur noch mickrige drei Zähler zusammen - die Truppe aus Woking ist mit einem Vorsprung von 14 Punkten längst enteilt. Was war geschehen? Pirelli hatte nach den Reifenexplosionen in Großbritannien reagiert und ab dem darauffolgenden Rennen in Deutschland veränderte Pneus gebracht.

Robert Fernley

Robert Fernley stand durch die neuen Pirelli-Reifen vor einer schwierigen Entscheidung Zoom

Für Fernley steht außer Zweifel: "Die Reifenänderungen haben die Balance unseres Autos beeinträchtigt." Kaum ein Auto war in der ersten Saisonhälfte so gut auf die neuen Pirelli-Pneus abgestimmt wie der Force-India-Bolide - dementsprechend hart traf die Änderung das Team. Doch die Folgen waren weit schwerwiegender, denn auch die Planungen des Teams für die Saison 2014 wurden durch das Reifen-Dilemma stark beeinträchtigt.

"Unterm Strich waren wir auf Kurs zu einem Top-5-Ergebnis, das Auto war konkurrenzfähig genug, um das zu schaffen, und dadurch haben wir klarerweise mit der Arbeit am 2014er-Auto sehr früh begonnen", blickt Fernley zurück. "Zu diesem Zeitpunkt - am Silverstone-Wochenende und davor - hatten wir genügend Spielraum bei der Performance, um so bis ans Ende der Saison durchzukommen. Die Reifenänderungen haben dann alles über den Haufen geworfen."

Warum 2014 Priorität hat

Der Brite erklärt, dass die Abstimmungsprobleme durchaus "korrigierbar" waren, man dadurch aber vor der schwierigen Entscheidung stand, ob man zusätzliche Kapazitäten von den Vorbereitungen für 2014 abzieht, um wieder den Anschluss zu schaffen. Am Ende entschied man sich, die Pläne für das nächste Jahr nicht in Gefahr zu bringen.

"Unser Ziel ist es, 2014 ein echter Podestkandidat zu sein." Robert Fernley

"Unser Ziel ist es, 2014 ein echter Podestkandidat zu sein", erklärt Fernley die Hintergründe der Entscheidung. " Wollen wir das Programm für 2014 stören, wo sehr viel auf dem Spiel steht? Ich denke nicht, dass wir von diesem Ziel abrücken sollten. Wir sollten mittelfristig und nicht kurzfristig denken, auch wenn die aktuelle Situation schmerzhaft ist." Daher versuchte man, das Auto an der Rennstrecke an die nachgebesserten Reifen anzupassen, um nicht wertvolle Windkanal- und Simulationszeit für 2014 zu verschenken.

Obwohl man dies nun zu spüren bekommt, will man den Kampf gegen die übermächtig erscheinende Konkurrenz aus Woking noch nicht aufgeben. "Sie sind ja nicht Millionen von Meilen entfernt", sieht Fernley eine Chance. Besonders bitter sind nun im Nachhinein die Boxenstopp-Probleme mit den Radmuttern zu Saisonbeginn, die der Truppe von Vijay Mallya einige Rennen verhagelte. "Wäre Paul in Malaysia Sechster geworden, dann würden wir jetzt nicht so weit hinter McLaren liegen", rechnet Fernley. "Es ist also in keinster Weise vorbei - wir werden um den fünften Platz kämpfen."

Force India will Effizienz-Weltmeister bleiben

In der Fabrik in Silverstone wurden währenddessen längst die Weichen für die kommende Saison gestellt: "Wir haben unser Motoren- und Antriebsstrang-Paket vor allen anderen bekanntgegeben", erzählt Fernley stolz. 2014 erhält man dieses nicht mehr von McLaren, sondern von Mercedes. Mit der Entwicklung des neuen Autos sei man laut dem stellvertretenden Teamchef "ziemlich weit, es gibt einige Teile, die bereits in die Fertigung gehen."

Force India gilt als Weltmeister in Sachen Effizienz, diesen Weg will man auch in Zukunft weitergehen. Während das Design des Boliden komplett in der Fabrik entsteht, arbeitet man weiterhin eng mit Zuliefererfirmen zusammen. "Unser Business-Modell sieht vor, dass wir viele Teile ausgliedern", erklärt Fernley. Nur "30 bis 40 Prozent" der Fertigung findet in Silverstone statt.

Das soll sich auch in Zukunft nicht ändern: "Wir haben keine sehr großen zusätzlichen Kapazitäten - weder, was den Platz, noch, was die Maschinen angeht." Auch von einer Erneuerung des Windkanals sieht man derzeit ab, weil man sich in Anbetracht der schwierigen finanziellen Lage keinen Fehltritt erlauben will: "Das Reglement hat sich diesbezüglich verändert, also müssen wir uns das auch aus wirtschaftlicher Sicht genau ansehen."