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Paydriver-Interview: Die Meinung der Teamchefs

Zwei Formel-1-Teamchefs erklären, wann und warum die Paydriver-Situation eskaliert ist und weswegen ohne Sponsoren heutzutage nichts mehr läuft

(Motorsport-Total.com) - Den Teamchefs die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben, dass immer mehr Paydriver die Formel 1 überfluten, wäre zu kurz gedacht. Denn Monisha Kaltenborn, Cyril Abiteboul & Co. stehen meistens vor der Frage: Kann ich den Rennbetrieb für eine weitere Saison überhaupt finanzieren? Und dass sie dann lieber einen Paydriver ins Cockpit setzen, der zumindest die Firma rettet, ist durchaus verständlich. Es ist daher inzwischen Konsens, dass die hohen Budgetkosten und der damit verbundene wirtschaftliche Druck in der Formel 1 die Wurzel allen Übels sind.

Titel-Bild zur News: Monisha Kaltenborn

Auch Monisha Kaltenborn muss inzwischen auf Paydriver zurückgreifen Zoom

Aber was ist eigentlich ein Paydriver, warum sollte der Begriff heutzutage nicht mehr negativ behaftet sein und wann und warum ist die Situation in der Formel 1 dermaßen eskaliert? Darüber haben wir mit den Teamchefs von Sauber und Caterham, Monisha Kaltenborn und Cyril Abiteboul, gesprochen. Unsere Fragen wurden voneinander getrennt beantwortet, im Sinne der besseren Lesbarkeit aber hier zu einem Doppelinterview zusammengefasst.

Frage: "Cyril, wie würdest du den Begriff Paydriver definieren? Wer ist für dich ein Paydriver?"
Cyril Abiteboul: "Zunächst einmal: Es gibt sogar in den Topteams Fahrer, die von Sponsoren unterstützt werden. Das muss man einmal festhalten."

Frage: "Fernando Alonso zum Beispiel."
Abiteboul: "Namen möchte ich keine nennen."

Frage: "Gut, dann zurück zu meiner Frage: Was ist ein Paydriver für dich?"
Abiteboul: "Ein Fahrer, dessen finanzieller Wert höher ist als sein sportlicher Wert. Wer ein super Fahrer ist und ein bisschen Geld mitbringt, ist für mich kein Paydriver. Also würde ich es so definieren. Ich finde sogar, das ist eine sehr treffende Definition!"

Frage: "Frau Kaltenborn, wie stehen Sie zum Thema Paydriver?"
Monisha Kaltenborn: "Grundsätzlich finde ich zum Begriff Paydriver, dass der einfach unfair ist. Egal ob man mit oder ohne Unterstützung in die Formel 1 kommt, muss man grundsätzlich ein sehr guter Fahrer sein, um überhaupt in diese kleine, exklusive Gruppe reinzukommen. Ich finde übrigens, dass unser neuer Fahrer (Sergei Sirotkin; Anm. d. Red.) mir sehr gut geantwortet hat, als er gesagt hat, der Begriff gefällt ihm nicht, aber es ist nun mal ein Fakt, dass die meisten jungen Fahrer, die jetzt in die Formel 1 gekommen sind, irgendwelche Unterstützung haben. Aber was dann einzig zählt, ist die Leistung, die sie zeigen. Wenn die mit der Zeit stimmt, dann fällt dieser Begriff genauso schnell wieder weg."


Fotostrecke: Die wertvollsten Paydriver

Frage: "Sogar Niki Lauda war einmal ein Paydriver, wurde dann aber dreimal Weltmeister."
Kaltenborn: "Jeder Fahrer ist irgendwo immer unterstützt worden von irgendwelchen Unternehmen. Manche bleiben dann bis zum Schluss beim Fahrer, auch wenn er den Sprung ganz nach oben schafft, manche eben nicht."

Frage: "Cyril, kann es sein, dass in Zukunft jeder Formel-1-Neueinsteiger 25 Millionen oder mehr mitbringen muss, um überhaupt eine Chance auf ein Cockpit zu haben? Muss man so etwas in Zeiten, in denen die Teams wirtschaftlich zu kämpfen haben, befürchten?"
Abiteboul: "Man muss anders an dieses Thema herangehen, finde ich, und längerfristig denken. Ist es nachhaltig für die Formel 1, wenn Fahrer nur wegen 25 Millionen verpflichtet werden? Ich glaube nicht. Was wir beobachtet haben, ist, dass sich der Wert vom Team zu den Einzelpersonen verschoben hat. Vor ein paar Jahren, als die Hersteller noch da waren, hatte das Sponsoring eines Teams einen großen Wert. Aber die Hersteller haben sich zurückgezogen und damit sind auch die B2B-Angebote weniger geworden. Plötzlich waren die Einzelpersonen für Marken und Länder als Werbeträger interessanter. Ich frage mich, ob sich dieser Zyklus in ein paar Jahren wieder umkehren wird. Ich setze da große Hoffnungen in neue Technologien. Über die neuen Motoren wird viel schlecht geredet, aber wir können hoffen, dass sich mit dieser neuen Technologie wieder neue Investoren und Sponsoren für diesen Sport interessieren werden."

"Ist es nachhaltig für die Formel 1, wenn Fahrer nur wegen 25 Millionen verpflichtet werden? Ich glaube nicht." Cyril Abiteboul

Frage: "Ein Gegenargument: Schafft es nicht jeder überragende Nachwuchsfahrer sowieso in die Formel 1, weil irgendwann Sponsoren auf ihn aufmerksam werden? Oder besteht trotzdem das Risiko, dass potenzielle Champions durch den Rost fallen?"
Abiteboul: "Natürlich besteht dieses Risiko. Wir haben uns gerade erst mit Renault getroffen, um zu besprechen, wie es die Jungs aus ihren Nachwuchsformeln in die Formel 1 schaffen können. Die GP2 ist im Rahmen der Formel 1, bietet gute Publicity und ist eine sportlich hochwertige Meisterschaft mit Pirelli-Reifen, aber die Renault-World-Series ist auch eine sehr gute Formel. Ein paar Mal war es schon so, dass es die Meister dieser Serien nicht in die Formel 1 geschafft haben. Dafür gibt es gute Gründe, aber wenn wir es schaffen, dass es diese Meister in die Formel 1 schaffen, dann haben wir schon viel erreicht. Dafür haben wir zum Beispiel unsere Fahrerakademie."

Frage: "Gibt es für dich als Teamchef eine Zehntel-gegen-Millionen-Formel, sagen wir: Wenn ein Fahrer um drei Zehntelsekunden langsamer ist als der andere Anwärter auf das Cockpit, muss er um drei Millionen mehr mitbringen?"
Abiteboul: "So eine magische Formel gibt es nicht. Die Fahrerentscheidung hängt ja immer auch davon ab, wo man gerade in der Meisterschaft steht und wie die mittelfristige Entwicklungsperspektive aussieht. Wir zum Beispiel hatten für dieses Jahr bestimmte Erwartungen, aber die sind für nächstes Jahr ganz anders - und damit verändert sich auch die Formel."

"So eine magische Formel gibt es nicht." Cyril Abiteboul

Frage: "Frau Kaltenborn, wie finden Sie es, dass Teams in der Königsklasse des Motorsports aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen sind, möglicherweise nicht die besten Fahrer zu verpflichten?"
Kaltenborn: "Das ist keine gute Entwicklung. Man muss daher die Kosten einbremsen."