Webber: "Nur Newey kann Heck so extrem anstellen"

Auch bei der aktuellen Bolidengeneration stellt Red Bull das Heck am extremsten an - Wie Neweys Trick funktioniert und wieso ihn nicht einmal die FIA stoppen konnte

(Motorsport-Total.com) - Das Einmaleins der Formel-1-Aerodynamik besagt, dass es effizienter ist, Abtrieb über den Unterboden aufzubauen als über die Flügel. Der Grund liegt auf der Hand: Wer die Flügel anstellt, verliert wegen des Luftwiderstands Geschwindigkeit auf der Geraden, der Saugeffekt durch den Unterboden hat keine ähnlich gravierenden Konsequenzen. Das weiß freilich auch Stardesigner Adrian Newey. Der Brite nützt dieses Prinzip so gekonnt wie kein anderer Technikchef in der Formel 1. Und das, obwohl ihm die FIA diesbezüglich vor allem 2012 einige Steine in den Weg gelegt hat.

Titel-Bild zur News: Mark Webber, Red Bull, Unterboden

Auch der neue RB9 ist hinten deutlich sichtbar angestellt Zoom

Bereits 2010 erkannten besonders aufmerksame Beobachter an den Rennstrecken, dass der Frontflügel des Red-Bull-Autos beinahe auf dem Asphalt schleift. Die Diskussion über einen flexiblen Flügel am RB6 war in aller Munde - dabei wurde aber von manchen übersehen, dass die tiefe Position des Frontflügels auch damit zu tun hatte, dass Newey hinten auf eine größere Bodenfreiheit setzte als an der Vorderachse.

Dass der Frontflügel dadurch besser arbeite, war ein angenehmer Nebeneffekt, im Zentrum des Konzepts stand allerdings der Unterboden. Durch das Anstellen kam der Diffusor, dessen Höhe vom Reglement vorgegeben war, besser zur Geltung, was die Luft beschleunigte und eine Sogwirkung erzeugte - mit den Auspuffgasen dichtete man den Diffusor seitlich ab, damit dieser effizient funktioniert.

Selbst die FIA kann Newey nicht stoppen

Newey perfektionierte dieses Konzept gemeinsam mit Renault - die Franzosen gingen ab 2011 nicht mehr als Team mit Renault-Branding an den Start und konzentrieren ihre Kräfte auf Red Bull. Das Ergebnis der Zusammenarbeit waren spezielle Motormappings, die perfekt an Neweys Genieblitz angepasst wurden.

Sebastian Vettel, Red Bull, RB7, Unterboden

Beim RB7 aus dem Jahr 2011 war die Anstellung am extremsten Zoom

Anfang 2012 fürchtete man bei Red Bull allerdings bereits, dass der Zauber nun ein Ende hat. Die Wahl der Auspuffposition wurde von der FIA massiv eingeschränkt, der flexible Frontflügel wurde mit verschärften Belastungstests beschnitten und das Zwischengas, das den Unterboden hinten abdichtete, wenn der Pilot nicht am Gas stand, wurde verboten. Und zu allem Überdruss wurde sogar noch ein von Newey entwickeltes Auspuffsystem kurz vor Beginn der Tests von der FIA als illegal erklärt - der Designguru hatte eine Grauzone im Reglement gefunden.

Kein Wunder, dass Red Bulls Motorsportkonsulent Helmut Marko die Reglementänderungen bereits als "Lex Red Bull" bezeichnete. Teamchef Christian Horner sah sein Team ebenfalls stärker beeinträchtigt als die Konkurrenz, "weil die Nutzung der Abgase bei uns deutlich fortschrittlicher war als bei anderen Teams". Dazu kamen die unberechenbaren Pirelli-Reifen, die für weitere Unbekannte in Neweys Gleichung sorgten. Tatsächlich benötigte der 54-Jährige lange, bis er die Problemzonen am RB8 beseitigt hatte. Marko gab kürzlich gegenüber dem 'Red Bulletin' zu, dass Newey in dieser Phase "sehr irritiert" gewesen sein soll. "Er hat deshalb seinen Arbeitseinsatz - der schon nicht gering ist - deutlich verstärkt."

Newey bleibt seinem Konzept beim RB9 treu

Sebastian Vettel, Red Bull, Auspuff

Mit den Auspuffgasen wird der Diffusor seitlich abgedichtet Zoom

Mit Erfolg, denn gegen Saisonende hatte man sich den verlorenen Vorsprung beim Auspuff wieder zurückgeholt und entschied das Titelrennen gegen Fernando Alonso für sich. Diese Saison hat Newey mit dem RB9 die Stärken des Vorgängers noch einmal perfektioniert. Auffällig sind die schmalen Seitenkästen des Autos - das bietet viel Raum für kleine Flügel, die Verwirbelungen verursachen sollen, damit der Luftstrom unter dem Auto nicht von seitlich einströmender Luft gestört wird.

Nach wie vor gelingt es keinem Team, das Auto so extrem anzustellen, wie dies Red Bull macht. Mark Webber verrät gegenüber 'auto motor und sport' den Grund: "Um die extreme Anstellung hinzukriegen, müssen zehn andere Parameter stimmen. Und die kennt nur Adrian". Dennoch haben die Reglementeinschränkungen 2011 ihre Spuren hinterlassen. Newey gibt gegenüber 'auto motor und sport' zu, dass ihn das Zwischengas-Verbot zu einem Kompromiss zwang: "Wir können nicht mehr mit der Anstellung fahren wie 2011."