Hamilton fühlt sich wie 2007: "Muss alles neu lernen"

Nach seiner ersten Demofahrt im neuen Mercedes kann Lewis Hamilton die ersten Tests kaum abwarten: "Löchere die Mechaniker schon mit Fragen"

(Motorsport-Total.com) - Zumindest heute musste Lewis Hamilton seinem neuen Teamkollegen Nico Rosberg den Vortritt lassen: Während der Deutsche die Ehre des ersten Rollouts am Vormittag hatte, durfte der Neuling bei Mercedes erst am Nachmittag in den F1 W04 klettern, um erste Eindrücke zu sammeln. Doch viele hat er bei seiner ersten Ausfahrt noch nicht mitgebracht: "Es fühlt sich wie ein Formel-1-Auto an", so Hamiltons lapidarer Kommentar. "Ich bin mit Demonstrationsreifen gefahren, also würde ich auf die Testfahrt noch nicht so viel geben."

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Lewis Hamilton durfte heute zum ersten Mal den neuen F1 W04 ausprobieren Zoom

Auch wenn sich Hamilton in den kommenden Testtagen zum ersten Mal wirklich an sein neues Dienstgefährt gewöhnen kann, konnte er bereits grobe Details mit seinem alten McLaren vergleichen: "Es hat die gewohnte Mercedes-Power", stellt der Brite das Offensichtliche heraus, "aber es gibt derzeit auch eine Menge Schalter und Knöpfe, viele Abläufe, viele verschiedene Dinge, die sie (das Team; Anm. d. Red.) mir sagen und viel Technik, die sie benutzen, und darauf muss ich mich fokussieren."

Einen kleinen Schreckmoment gab es bei der Ausfahrt dennoch: Hamiltons Bolide rollte plötzlich aus, doch dies sei laut ihm kein Grund zur Besorgnis: "Uns ging einfach das Benzin aus", begründete er das wohl geplante Ende seiner ersten Demo, die hauptsächlich als kurze Eingewöhnung diente. Morgen stehen in Jerez die ersten ernsten Testfahrten auf dem Programm, dann gilt es für den Ex-Weltmeister eng mit dem Team zusammenzuarbeiten, denn viel konnte der 28-Jährige bisher nicht zur Entwicklung beitragen.

Viele Knöpfe verderben das Lenkrad

"Ich bin gerade einmal gefahren, ich bin noch nicht auf der Stufe, ihnen (den Mechanikern, Anm. d. Red.) irgendeine Richtung vorzugeben", mahnt Hamilton die Ungeduldigen. "Ich habe das Auto noch nicht mal einem richtigen Test unterzogen, also kann ich auch noch keine Richtung geben, in die das Auto gehen soll." Dies werde sich allerdings spätestens nach dem ersten Testeinsatz in dieser Woche ändern: "Ich bin sicher, sobald ich das Auto gefahren hab, werden sie sich dem annehmen, was ich sage. Natürlich wollen sie hören, was ich gefühlt habe. Ich erwarte auch, dass sie mir zuhören."

Der Wechsel von McLaren zu Mercedes kann man getrost als neuen Karriereabschnitt für den Briten bezeichnen. Auch er selber fühlt sich in Brackley wie bei seinem Formel-1-Einstieg 2007: "Es ist ein wenig, wie nochmal von ganz vorne zu beginnen. Ich erinnere mich an den Wechsel von 2006 auf 2007, ich musste die ganzen Kontrollelemente und die Abläufe im Auto neu lernen. Und jetzt ist es wieder frisch und neu."


Fotos: Shakedown des Mercedes F1 W04


Besonderes Augenmerk liegt dabei auf das neue Lenkrad, an das es sich zu gewöhnen gilt: "Es gibt in diesem Auto sicherlich doppelt so viele Knöpfe, wie im vergangenen", staunt Hamilton. "Ich konnte einige Knöpfe zwar bereits kurz nach meiner Ankunft loswerden, aber es sind immer noch viel mehr, als im vergangenen Jahr. Die Mechaniker, und wie das Team arbeitet, sind anders, als ich es bisher erlebt habe."

Hamilton ungeduldig

Zwar war dies vor seiner ersten Saison 2007 genauso, dennoch hält der Mercedes-Pilot die aktuelle Situation sogar noch für schwieriger. "Das ist es", bestätigt er und liefert die Begründung gleich hinterher: "Ich denke, ich habe 22 Testtage oder so vor meinem ersten Rennen gehabt. Das waren Tests Ende 2006 und die Saisonvorbereitung 2007, was ungefähr 15 Tage ausmachte. Nun sind wir viel mehr eingeschränkt, die Arbeit im Simulator ist nützlicher geworden. Ich muss viel Fortschritt in dieser kurzen Zeitspanne herausholen und eine Menge lernen."

"Ich muss das Maximale aus jeder Sekunde im Auto herausholen", betont er noch einmal. "Es geht so viel vor sich und es gibt so viele Dinge, über die man reden kann. Die Fahrt im Auto, die Boxenstopps, die Knöpfe auf dem Lenkrad. Es gibt so viel, worüber man nachdenken muss. Zum Beispiel auch die Art, wie man mit einem redet. Sie sagen mir ständig Dinge, die ich nicht gewohnt bin", zählt Hamilton Dinge auf, die er alle während der kommenden Tests angehen will.

Da er aber nicht bis dahin warten kann, versucht sich der Ex-McLaren-Pilot - auch ohne eigenes Feedback geben zu können - bereits jetzt, ungeduldig ins Team einzubringen. "Ich nutze jede Fähigkeit und Erfahrung von mir, und frage das Team immer, wie ich helfen kann. Ich mache mich so verfügbar für Fragen wie möglich. Letzte Nacht habe ich die Mechaniker schon mit Fragen über das Auto gelöchert und schon Dinge angeschoben, die meiner Meinung nach ans Auto gehören. Ich kann nicht mehr tun, außer vielleicht weiter zu nerven", so Hamilton lachend.

Hauptsache glücklich

Apropos lachen: Amüsiert ist der Mercedes-Pilot auch über das ständige Gerede über seinen Wechsel. Er akzeptiere zwar die Meinungen der anderen, schließlich habe jeder ein Recht auf seine Meinung, ihn selbst interessiert das allerdings weniger: "Ich versuche mich, auf das Positive zu konzentrieren. Ich fühle mich wohl dabei, und darauf kommt es an. Jeder trifft Entscheidungen in seinem Leben. Solange man sich damit im Herz und in der Seele wohlfühlt, da ist das, was zählt."

Und dass dies bei ihm der Fall ist, möchte der Brite noch einmal deutlich hervorheben: "Ich bin einfach glücklicher, das kann ich nicht wirklich erklären. Ich bin glücklich, dass ich eine neue Herausforderung hab, glücklich, dass ich einen Neuanfang habe, glücklich über ein neues Kapitel in meinem Leben, glücklich, dass ich diese große Herausforderung vor mir habe, glücklich, dass ich diese Aufregung habe, weil ich nicht weiß, ob das Auto gut oder schlecht ist, glücklich und aufgeregt, weil ich weiß, dass ich mit harter Arbeit und Erfahrung meinen Teil beitragen kann. Darüber bin ich glücklich."

Lewis Hamilton

Hamilton weiß noch nicht viel über den neuen Silberpfeil zu berichten Zoom

Ob das Glück auch weiterhin anhält, wird wohl der Saisonstart zeigen, dann gilt es für die Silberpfeile, das schlechte Jahr 2012 vergessen zu machen. "Das Auto war im vergangenen Jahr oft weit ab vom Schuss", gibt Hamilton zu. "Zeitweise fehlten zwei Sekunden auf die Spitze. Aber ich weiß, dass sie ein paar Verbesserungen getätigt haben. Es ist eine Evolution des letztjährigen Wagens, die Grundlage ist ziemlich gleich, aber verbessert. Ich hoffe, die Verbesserung ist massiv, aber das wird Nico mir sagen können."Ein erster Indikator werden die Testfahrten in Jerez sein, die morgen beginnen. Auch hier darf Nico Rosberg wieder den Anfang machen, bevor Hamilton am Mittwoch das Auto übernimmt. Und dann kann er sich auch wieder mit eigenem Feedback bei den Mechanikern einbringen.