• 09.06.2012 23:52

Vettel: "Montreal ist ein verrückter Ort"

Red-Bull-Fahrer Sebastian Vettel wähnt sich nach seiner Pole-Position nicht schon am Ziel, reagiert aber sehr erleichtert auf den ersten Startplatz

(Motorsport-Total.com) - Im vergangenen Jahr glitt ihm der sicher geglaubte Sieg noch in der letzten Runde durch die Finger. In diesem Jahr möchte sich Sebastian Vettel (Red Bull) für diesen Schnitzer revanchieren und erstmals den Großen Preis von Kanada für sich entscheiden. Im Qualifying manövrierte sich der Deutsche in die bestmögliche Ausgangslage, denn er fuhr auf die Pole-Position. In der Pressekonferenz spricht Vettel aber auch darüber, dass das am Circuit Gilles Villeneuve noch lange nicht den Sieg bedeutet.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Sebastian Vettel startet von der Pole in den Großen Preis von Kanada 2012

Frage: "Sebastian, in dieser Saison fiel die Entscheidung um die Pole-Position meist im Hundertstel-Bereich, doch dieses Mal waren es eher drei Zehntel. Was hat den Unterschied ausgemacht?"
Sebastian Vettel: "Nun, das ist schwierig zu sagen. Ich denke, wir hatten bisher ein fantastisches Wochenende. Ganz ehrlich. Der Freitag verlief sehr gut. Wir hatten keinerlei Probleme mit dem Auto. Ich denke, wir haben ein paar Lektionen gelernt - vor allem in den vergangenen beiden Rennen."

"Da waren wir am Sonntag schnell, hatten am Samstag im Qualifying aber Schwierigkeiten, das Beste aus dem Auto herauszuholen. Wir haben dazugelernt. Und wie ich schon sagte: Es war wichtig, eine saubere Runde zu erwischen. Der Freitag war schon ein guter Tag, der Samstagmorgen war ebenfalls gut. Wir hatten Vertrauen in unser Auto und konnten der Strecke folgen, um ihre Bedingungen zu lesen."

"Mit dem Qualifying bin ich sehr zufrieden. Es lief prima. In Q1, Q2 und in Q3. Ich war dazu in der Lage, immer noch ein bisschen schneller zu fahren. Es ist nicht einfach, hier eine komplett gute Runde zu erwischen. Am Anfang schien es aber noch ziemlich eng zu sein. Ich wusste, wir würden uns innerhalb einer Zehntel bewegen, doch zum Schluss konnte ich einen größeren Unterschied machen."

"Es lief prima." Sebastian Vettel

"Das ist natürlich klasse. Dennoch beträgt mein Vorteil gegenüber Lewis in der Startaufstellung nur acht Meter. Ich freue mich auf das Rennen. Ich denke, wir haben ein klasse Auto. Es wurde aber auch langsam Zeit, dass wir es im Qualifying auf die Reihe kriegen. Ich bin gespannt auf den Grand Prix am Sonntag. Es dürfte interessant werden."

Frage: "In den vergangenen Wochen wurde der Unterboden deines Teams für illegal erklärt und nun wurde auch noch eine Lösung an den Rädern verboten. Dennoch seid ihr trotzdem vorn. Wie erklärst du dir das?"
Vettel: "Es ist ja nicht so, dass ein Loch im Unterboden den gesamten Unterschied machen würde. Wenn man die Zeitungen liest, bekommt man aber einen solchen Eindruck. Es ist ein bisschen schade, dass es erst in die eine Richtung, dann in die andere Richtung ging. Erst wurde es als illegal eingestuft, dann war es legal, dann doch wieder illegal."

"Wir hatten aber niemals einen großen Einfluss auf die Leistung unseres Pakets befürchtet. Ich denke, das Auto als Ganzes arbeitet prima. Es ist eine Kombination aus allen Teilen. Wir hatten nicht erwartet, dass unsere Leistung darunter leiden würde. Dieser Kurs ist etwas Besonderes. Es ist aber nicht einfach, die Reifen zum Arbeiten zu bringen. Es gibt nicht viele Kurven, daher stehen die Pneus nicht so lange unter Stress."

"Wir hatten nicht erwartet, dass unsere Leistung darunter leiden würde." Sebastian Vettel

"Deshalb ist es schwierig, sie auf Temperatur zu bringen. Wie ich aber schon sagte: Für uns war wichtig, aus den Erfahrungen aus der Vergangenheit - speziell aus den beiden jüngsten Grands Prix - unsere Lehren zu ziehen. Am Samstag hatten wir viel Spaß. Ich hatte auch ohne die Unterboden-Löcher viel Spaß im Qualifying."

Löcher im Unterboden: Viel Wind um nichts?

Frage: "Du hast eben gesagt, dass eure Leistung durch die jüngsten Ereignisse nicht geschmälert wurde. Motiviert es dich, zu zeigen, dass es trotzdem geht, was auch immer der Automobil-Weltverband (FIA) sagt, oder findest du es frustrierend?"
Vettel: "Zunächst einmal müsst ihr verstehen, dass wir die Löcher im Unterboden hatten, weil wir an eine Kombination aus allen Elementen geglaubt haben."

"Das Auto war sinnvoll, so wie es war. Dann wurde es aber als illegal eingestuft, dann wieder als legal, und nun ist es wieder illegal. Vielleicht sind wir ja nächste Woche wieder legal unterwegs. Wir haben die Teile noch in der Garage. Da gibt es keine Extramotivation."

"Ich denke, wir müssen einfach sicherstellen, das Beste aus dem Auto zu holen. In diesem Jahr geht es sehr eng zu. Wir müssen daher zusehen, unser Paket bestmöglich zu nutzen. Manchmal bedeutet das ein Platz in der ersten Startreihe, manchmal sind wir dafür vielleicht nicht gut genug. Dann müssen wir aber trotzdem schauen, dass wir nahe dran sind."

"In diesem Jahr geht es sehr eng zu." Sebastian Vettel

Frage: "Nach Monaco schien das Team sehr zuversichtlich hierher zu reisen. Habt ihr dergleichen erwartet oder erkennst du einen Fortschritt?"
Vettel: "Nun, wir haben das Auto verändert. Wir mussten die Löcher, die Schlitze oder wie auch immer ihr das nennt, schließen. Es schien aber auch ohne diese Vorrichtungen sehr gut zu funktionieren. Nein, ich denke, da war nicht viel Zeit, um zu reagieren."

"Es kommt ganz darauf an, wie dein Plan aussieht. Wir haben gesehen, dass einige Teams hier ein recht großes Paket einsetzen. Ferrari zum Beispiel. Wir hatten dagegen keine größeren Entwicklungen am Start. Wir machen immer sehr viel Druck, um das Auto zu verbessern. Es war aber sehr wichtig, eine gute Vorbereitung zu haben - eben einen ordentlichen Freitag. Wir konzentrierten uns auf uns selbst. Das war wichtig."

"Im Qualifying versuchten wir dann, aus jeder Runde das Maximum herauszuholen. Wir schienen uns von Runde zu Runde zu verbessern. Wir konnten uns dabei sogar von den anderen absetzen. Das kam etwas überraschend. Ich hatte vor dem Qualifying nämlich geglaubt, dass es sehr eng werden würde. Üblicherweise ist es auf dieser Strecke nicht ganz einfach, einen so großen Unterschied zu machen. Deshalb freue ich mich sehr."

Vettel erwartet ein "interessantes" Rennen

Frage: "Die Top 9 starten am Sonntag mit der superweichen Reifenmischung. Der Zehnte, der Vorjahressieger (Jenson Button; Anm. d. Red.) fährt auf den härteren Pneus los. Wie wichtig ist es, auf den superweichen Reifen zu starten?"
Vettel: "Ich denke, wir haben in Monaco gesehen, dass diese Reifen recht gut funktionieren. Das hat sich auch am Freitag gezeigt. Ich weiß nicht, auf welcher Position Jenson liegt. Zehnter, also kommt es darauf an."

"Es kann klappen, doch es hängt halt auch davon ab, wie sich das Rennen entwickelt, wo die anderen Jungs sind, was für eine Strategie sei an den Tag legen, wann sie an die Box fahren und dergleichen mehr. Wir starteten hier vor zwei Jahren aus einer guten Position mit den härteren Reifen und es funktionierte nicht. Es kann aber klappen."

"Im Qualifying hast du es auf die Pole-Position abgesehen. Das ging gut aus für uns. Darüber freue ich mich. Das Rennen am Sonntag dürfte interessant werden. Es wird sicher knifflig, die Reifen auf dieser Strecke am Leben zu erhalten. Im vergangenen Jahr war das nicht so sehr zu erkennen, doch vor zwei Jahren schon. Ich denke, wir sehen ein gutes Rennen. Ich freue mich darauf."

"Es wird sicher knifflig, die Reifen auf dieser Strecke am Leben zu erhalten." Sebastian Vettel

Frage: "Hast du am Sonntag noch eine offene Rechnung mit dieser Strecke?"
Vettel: "Eigentlich nicht. Du spielst sicherlich auf das Rennen 2011 und die letzte Rennrunde an. Damals tat das ein bisschen weh, weil der Sieg so nahe war. Unterm Strich war es aber ein hartes Rennen. Fehler passierten da schnell."


Fotos: Sebastian Vettel, Großer Preis von Kanada


"Ein Fehler meinerseits kostete uns in der letzten Runde den Sieg. Jetzt schreiben wir aber 2012. Ich denke, wir hatten ein gutes Jahr 2011, also ist das doch nicht schlecht. Natürlich wäre es schön. Es ist eine tolle Strecke, eine tolle Atmosphäre und wir haben hier immer viele Besucher. Es wäre sicherlich ein klasse Ort, um zu siegen."

Wie verhalten sich die Reifen in Montreal?

Frage: "Es scheint noch wärmer zu werden. Lewis Hamilton sagte schon, das würde gewisse Probleme mit sich bringen. Wie viel eurer Vorbereitung ist damit nichtig? Wie muss man die Strategie anpassen oder das Fahren, um weiterhin schnell zu sein?"
Vettel: "Es wird wohl schwierig für die Reifen, eine gewisse Distanz zu überstehen. Von Freitag auf Samstag war es für uns aber einfacher."

"Wir machten Fortschritte. Am Sonntag soll es noch ein bisschen wärmer werden. Bei uns gab es in diesem Jahr eine Tendenz: Je kühler es war, umso mehr Probleme hatten wir. Je wärmer, je besser für uns. Ich hoffe, wir können diesen Trend am Sonntag fortsetzen, wenn es etwas heißer wird."

"Wir haben aber auch schon gesehen, dass sonntags sehr viel passieren kann. Wir müssen einfach auf alles gefasst sein. Das gilt auch für die Strategie und dergleichen. Natürlich: Wenn du schon einen Plan hast ... Wir haben 2012 aber schon oft gesehen, dass sich alles rasch verändern kann. Du musst halt spontan reagieren."

"Du musst halt spontan reagieren." Sebastian Vettel

Frage: "Wenn ich mich recht erinnere, fuhrst du am Freitag 18 Runden auf der superweichen Mischung, obwohl die Strecke noch 'grün' war. Das scheint eine recht gute Kombination zu sein - und du fährst ja auch von ganz vorn los ..."
Vettel: "Wir werden sehen. Zunächst einmal ist wichtig, einen guten Start zu haben. Generell hast du es ein bisschen einfacher, wenn du vorn bist."

"Es wird daher entscheidend sein, diese Position zu verteidigen. Dann schauen wir einfach, was passiert. Wie ich schon sagte: Es ist ein langes Rennen. Wenn wir losfahren, werden wir es mit einer mehr oder weniger 'grünen' Strecke zu tun haben. Montreal ist verrückter Ort. Wir haben hier in der Vergangenheit schon einige verrückte Rennen gesehen."

"Es ist wahrscheinlich, dass das Safety-Car ausrücken muss. Du muss auf alles gefasst sein und das auch bei deiner Strategieplanung berücksichtigen. Manchmal spielt dir so etwas in die Karten, manchmal stellt es dir ein Bein. Das kannst du nicht ahnen. Wir müssen uns einfach auf uns selbst konzentrieren und unser Bestes geben. Wir brauchen saubere Boxenstopps und ein möglichst schnelles Rennen."

Vettel nun auf einer Stufe mit Mansell

Frage: "Kommen wir noch einmal zurück darauf, dass ihr nun offenbar ein besseres Verständnis vom RB8 habt. Fühlst du dich deshalb nun zuversichtlicher, dass du dein Niveau von 2011 wieder erreichen kannst oder ist die Saison nach wie vor unvorhersehbar?"
Vettel: "Es ist ja nicht so, dass wir große Veränderung haben. Auch unsere Herangehensweise ist nicht so viel anders."

"Ich denke, wir können einfach nur aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Das haben wir nach den beiden vergangenen Rennen getan. Da hatten wir kein gutes Qualifying. In diesem Jahr ist vieles ganz anders, wenn man zum Beispiel einen Blick auf die Startaufstellung wirft. Es scheint, ein kleiner Fehler hier oder dort, die Reifen vielleicht nicht bei einhundert Prozent, und schon bist du weit weg."

"Ich denke, wir können einfach nur aus den Fehlern der Vergangenheit lernen." Sebastian Vettel

"Das liegt zum einen daran, dass du selbst einfach viel Zeit verlierst. Zum anderen ist da nicht ein Auto, das deinen Platz einnimmt, sondern zehn. Du landest also auf Platz 13 statt auf Rang drei oder vier. Die Rennwochenenden gestalten sich ganz anders. Ich denke, das ist der Grund."

Frage: "Du hast nun den Pole-Position-Rekord von Nigel Mansell eingestellt - mit 32. ersten Startplätzen. Hast du eine Nachricht an Nigel?"
Vettel: "Ich weiß nicht, ob er gerade zuhört, deshalb äffe ich ihn jetzt besser nicht nach (lacht; Anm. d. Red.)."

"Nein. Das bedeutet mir natürlich sehr viel. Er ist einer der Größten dieses Sports und eine wahre Persönlichkeit. Er wird nicht ohne Grund der Löwe genannt. Es ist toll, diese Leistung einzustellen. Hoffentlich geht da noch etwas mehr. Jetzt geht es uns aber erst einmal um das Rennen am Sonntag. Dann schauen wir mal."

Frage: "Darf ich nach deinem Helmdesign fragen? Wie entscheidest du über deine Farben und was bedeuten sie dir?"
Vettel: "Ich habe mein Helmdesign schon oft verändert. Es würde vielleicht ein bisschen zu lange dauern ..."

"Du musst wissen: In einer Viertelstunde beginnt ein Fußballspiel und Deutschland spielt. Wenn ich diese Frage also in voller Länge beantworte, dann sitzen wir heute Nacht noch hier. Ich hatte mittlerweile schon so viele Helme. Ich habe Spaß daran, das Design zu wechseln. Das, das ich im Augenblick habe, gefällt mir, deshalb nutze ich es."