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Nur Red-Bull-Teams gegen RRA-Vorschläge

Das Singapur-RRA soll ins FIA-Reglement eingearbeitet werden, aber nicht alle sind dafür - Entscheidung vor dem 30. Juni - Gipfeltreffen am Samstag in Valencia

(Motorsport-Total.com) - Bereits am Montag nach Monte Carlo hatten sich Vertreter von allen Teams mit FIA-Präsident Jean Todt und Formel-1-Geschäftsführer Bernie Ecclestone getroffen, um über Sparpläne für die Königsklasse des Motorsports zu diskutieren. Gestern fand im Fünfsternehotel Las Arenas in Valencia ein Folgemeeting statt, diesmal mit allen Teamchefs unter dem Vorsitz von FIA-Mann Charlie Whiting.

Titel-Bild zur News: Bernie Ecclestone

Bernie Ecclestone will den Teams Kosten sparen und seine Einnahmen erhöhen

Die Tagesordnung war umfangreich: "Es handelt sich um eine Liste von 20 bis 25 Punkten", verrät Williams-Großaktionär Toto Wolff im 'ORF'. Ein Verbot der Reifenwärmer wurde dabei ebenso diskutiert wie die von Ecclestone und Ferrari gepushte Variante, dass die großen Chassishersteller in Zukunft Kundenautos an die kleinen Teams verkaufen dürfen. Das Kernanliegen in den Verhandlungen ist aber, das Ressourcen-Restriktions-Abkommen (RRA) endlich verbindlich ins FIA-Reglement aufzunehmen.

Nur Red Bull gegen RRA-Pläne

Auf die Frage von 'Motorsport-Total.com' im Rahmen der internationalen FIA-Pressekonferenz, ob dagegen jemand ein Veto einlegen würde, entgegnet HRT-Teamchef Luis Perez-Sala: "Ich glaube nicht. Irgendwer anderer Meinung?" Allgemeines Kopfschütteln bei Norbert Haug (Mercedes), Eric Boullier (Lotus), Franz Tost (Toro Rosso) und Riad Asmat (Caterham). Interessant das Nein von Tost, denn im Meeting haben nur die beiden Red-Bull-Teams gegen die Idee gestimmt, das von der FOTA entworfene RRA künftig in die Hände der FIA zu legen...

"Das Thema Antriebsstrang ist für Toro Rosso sogar wichtiger als das Chassis. Es muss das ganze Paket sein." Franz Tost

"Derzeit diskutieren wir vor allem über ein chassisseitiges RRA", begründet der Österreicher. "Meiner Meinung nach ist das ein Punkt, aber die Kosten werden ab 2014 wegen der neuen Motoren dramatisch steigen. Daher ist das Thema Antriebsstrang für Toro Rosso sogar wichtiger als das Chassis. Es muss das ganze Paket sein." Mercedes-Sportchef Haug stimmt grundsätzlich zu: "Ich bin der Erste, der Restriktionen unterstützt, aber wir müssen das kohärent machen: Chassis, Motor, was auch immer."

Was dahinter steckt: Red-Bull-Stardesigner Adrian Newey und seinem Team schmecken naturgemäß Einschränkungen im Bereich der Aerodynamik nicht, während Mercedes mit 400 Mitarbeitern am Motoren-Standort in Brixworth im Antriebsbereich Marktführer ist. Wolff, als HWA-Teilhaber mit besten Kontakten zu Mercedes ausgestattet, erklärt die Problematik: "Es geht jetzt nur um Themen, wer wo reduziert, und da hat natürlich das eine oder andere Team einen Vorteil. Darüber wird im Moment diskutiert."

Wolff ist optimistisch

Das Red-Bull-Doppelveto will er nicht überbewerten: "Ich glaube, dass wir nicht so weit entfernt sind, wie vielleicht immer gesagt wird. Sie sperren sich vielleicht gegen einige Dinge, die dir nicht entgegenkommen oder schon entgegenkommen. Es geht aber eher darum, dass man ein Gesamtpaket schnürt, das auch für Red Bull und Toro Rosso vernünftig ist. Da versuchen wir, uns wie vernünftige Menschen zu einigen. Ich bin positiv, dass die Vernunft siegen wird und wir einen weiteren Schritt in Richtung Kostenreduzierung gehen werden. Das wird passieren."

Denn in der grundlegenden Frage sind sich jetzt schon alle einig: "Wir brauchen ein Ressourcenlimit", unterstreicht Haug. "Wer erkennt das nicht, wer sieht nicht, was gerade los ist? Wir brauchen Limits, denn wir kennen ja die Budgets der mittleren und großen Teams." Die liegen (geschätzt) zwischen 300 (Ferrari) und 25 Millionen Euro (HRT) - und viele der kleinen Rennställe kämpfen aufgrund der wirtschaftlich schwierigen Rahmenbedingungen einen Kampf ums nackte Überleben. "Da werden bald einige verschwinden", befürchtet ein Insider.

Treffen zwischen Ecclestone, Todt, Montezemolo

"Die wirtschaftliche Situation ist ein wichtiger Punkt", weiß Haug. "Das ist Teil der Herausforderung. Wir standen in der Vergangenheit schon vor größeren Herausforderungen - und ich bin mir sicher, in Zukunft warten noch größere Herausforderungen auf uns." Zum Beispiel das Verhandeln eines neuen Concorde-Agreements für die Zeit nach 2013. Laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' fand am Mittwoch ein Treffen zwischen Ecclestone und Todt zu diesem Thema statt - ohne Fortschritte. Morgen ist ein weiteres Meeting geplant, dann auch mit Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo.

"Ich mache mir Sorgen um die kleinen Teams wie uns. Uns wird es ab 2014 schwer fallen, mit dem gleichen Budget wie jetzt auszukommen." Luis Perez-Sala

Concorde-Agreement und der Sparkurs sind eng miteinander vernetzt. Die Teams wollen mehr Geld aus dem FOM-Topf, aber auch sparen. "Ich bin seit zweieinhalb Jahren dabei", sagt Caterham-Geschäftsführer Asmat, "und habe viele Bereiche gesehen, in denen exorbitant Geld ausgegeben wird." Und HRT-Teamchef Perez-Sala ergänzt: "Die großen Teams werden ihre Budgets reduzieren müssen, aber ich mache mir Sorgen um die kleinen Teams wie uns. Uns wird es ab 2014 schwer fallen, mit dem gleichen Budget wie jetzt auszukommen."

Basis aller Kostendiskussionen ist das Abkommen von Singapur 2010, heute gemeinhin als RRA bezeichnet. Vorgesehen ist unter anderem, die Mitarbeiter der Teams auf 315 Personen zu beschränken. "Das ist eines der Elemente, dass die Gesamtanzahl der tätigen Menschen im Team reduziert und limitiert wird, aber auch wie viele Leute vor Ort arbeiten dürfen und derlei Dinge", bestätigt Wolff. Wer maximal 315 Mitarbeiter beschäftigt, darf laut 'auto motor und sport' externe Leistungen im Wert von bis zu 30 Millionen Euro zukaufen.

Singapur-RRA mit Gegenverrechnungs-Formel

Aber: Wer 100.000 Euro weniger ausgibt, darf zwei zusätzliche Mitarbeiter beschäftigen. Ähnlich gegenverrechnet werden können laut 'auto motor und sport' die "Windkanal-Stunden (60 pro Woche), Computerkapazitäten (40 Terabyte), Windkanal-Versuche mit dem Originalauto (vier Tage) und Aerodynamik-Tests (vier Tage)". Dass Ferrari in diese Formel gerne auch noch konventionelle Strecken-Testtage während der Saison eingearbeitet hätte, ist im Fahrerlager schon lange kein Geheimnis mehr.


Fotos: Großer Preis von Europa, Freitag


Wie geht's nun weiter? Zunächst erhalten alle Teams ein Protokoll des heutigen Treffens zugeschickt, das sie absegnen müssen. Anschließend sind Fax-Abstimmungen auf Ebene der Formel-1-Kommission und, spätestens am 30. Juni, des FIA-Motorsport-Weltrats geplant. Denn vor dem 30. Juni reicht eine 70-Prozent-Mehrheit unter den Teams (spielen also die Vetos von Red Bull und Toro Rosso keine Rolle), um das RRA ins FIA-Reglement aufzunehmen. Sollte die Entscheidung erst danach fallen, wäre Einstimmigkeit notwendig.