• 22.04.2009 12:31

Letzter Auftritt der Silberpfeile?

Nach dem Grand Prix von Bahrain wird der FIA-Weltrat über den weiteren Verbleib von McLaren-Mercedes in der Formel-1-WM entscheiden

(Motorsport-Total.com/SID) - Der Wüsten-Grand-Prix in Bahrain könnte das letzte Rennen in der Geschichte der einst so ruhmreichen Silberpfeile sein, aber Sportchef Norbert Haug glaubt an die Zukunft von Mercedes-Benz in der Formel 1. Vor der Verhandlung beim Automobilweltverband FIA zur "Lügenaffäre" am kommenden Mittwoch in Paris gibt es allerdings auch Denkmodelle, nur noch als Motorenlieferant aufzutreten oder ganz aus der Königsklasse auszusteigen.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Lewis Hamilton hofft natürlich, dass sein Team nicht ausgeschlossen wird

"Mindestens einmal pro Jahr wird das Formel-1-Projekt dem Vorstand präsentiert und über die Zukunft entschieden", sagt Haug vor dem Grand Prix von Bahrain am Sonntag. "Es gibt keinen Sonderbonus für die Formel 1, niemand kann dieser Wirtschaftskrise ernsthaft voraussagen, was die Zukunft bringt." Zumal nach der Spionageaffäre nun die Lügenaffäre einen Imageschaden für die Marke mit dem Stern bringt.#w1#

Haug bemüht sich um Schadensbegrenzug, indem er sich vorsichtig vom Partner McLaren absetzt: "Wir stehen zu diesem Team und werden aus jetziger Sicht 2010 gemeinsam in der Formel 1 fahren. Aber die entscheidenden Funktionen im Team wurden nicht von Mercedes besetzt", sagt Haug. "Und natürlich macht Mercedes Druck, um das sauber zu regeln."

Der Hauptaktionär, der 40 Prozent der Anteile des Rennstalls besitzt, dürfte somit bei der Suspendierung von Spordirektor Dave Ryan und zuletzt der Entmachtung von Oberboss Ron Dennis eine wichtige Rolle gespielt haben.

Als Höchststrafe droht bei der FIA-Verhandlung trotzdem der WM-Ausschluss, womit die am 26. März 1995 in Brasilien begonnene Geschichte von McLaren-Mercedes nach vier WM-Titeln und 58 Formel-1-Siegen ein abruptes Ende finden könnte. Haug will sich über mögliche Konsequenzen der Entscheidung jetzt nicht äußern. Dass sich Mercedes in Zukunft nur noch auf die Belieferung von Formel-1-Teams mit Motoren konzentrieren könnte, schloss der Stuttgarter nicht aus: "Natürlich haben wir Denkmodelle."

Auffällig war, dass Mercedes zuletzt offen den WM-Spitzenreiter Brawn mit Jenson Button lobte, der mit Motoren aus Stuttgart seine zwei Siege zum Saisonauftakt herausfuhr. Gerade wird bei Mercedes darüber nachgedacht, ob man einen Aufkleber auf den Brawn-Boliden platziert. Haug glaubt aber derzeit noch nicht, dass der Rückzug auf die Rolle als Motorenbauer in der Königsklasse der Weg ist. Mit einem eigenen Team sei die Identifikation der Öffentlichkeit mit der Marke besser.

¿pbvin|512|1466||1pb¿Ob diese Meinung im Vorstand des Daimler-Konzerns mit Blick auf die Wirtschaftskrise und geplante Einsparungen von zwei Milliarden Euro von jedem geteilt wird, darf bezweifelt werden. Angeblich kursiert ein Papier von Arbeiternehmervertretern, die mit dem Ausstieg von Mercedes aus der Formel 1 Millionen einsparen, Arbeitsplätze retten und Gehaltskürzungen verhindern wollen.

"Wenn ein Arbeiter 2.000 Euro verdient und das geht auf 1.800 runter, verstehe ich, dass jemand fragt", sagt Haug und verweist auf die geringeren Ausgaben für das Formel-1-Projekt als vor fünf Jahren: "Die Formel 1 ist die beste Werbekampagne, die es für Mercedes geben kann." In der Lügenaffäre aber eine ziemlich schlechte...

Die Chronologie der Lügenaffäre:

29. März: Toyota-Pilot Jarno Trulli wird wegen angeblich regelwidrigen Überholens in der Safety-Car-Phase in Melbourne mit einer 25-Sekunden-Strafe belegt. So verliert er Platz drei, auf den Lewis Hamilton im McLaren-Mercedes vorrückt. Bei der Anhörung durch die Rennkommissare behaupten Hamilton und McLaren-Sportdirektor Dave Ryan nach FIA-Angaben, dass es keine Anweisung gab, Trulli überholen zu lassen. Toyota kündigt Einspruch gegen die Entscheidung an. Noch am Abend erfahren die Sportkommissare von widersprüchlichen Interviews der McLaren-Vertreter und hören die Funksprüche an.

1. April: Toyota verzichtet auf den Einspruch gegen Trullis Strafe. Angeblicher Grund: Man sehe keine Chance, die Entscheidung der Rennkommissare vor dem FIA-Berufungsgericht zu kippen.

2. April: Die FIA verkündet, dass sich die Rennkommissare von Australien am gleichen Tag in Malaysia treffen. Es seien "neue Beweise" aufgetaucht. Bei der Verhandlung bleiben Hamilton und Ryan trotz erdrückender Beweise gegen sie bei ihren Aussagen. Hamilton und McLaren-Mercedes werden wegen Falschaussagen aus der Wertung des Auftaktrennens genommen, Trulli erhält Platz drei zurück.

3. April: McLaren-Sportdirektor Ryan wird suspendiert. Er hatte Hamilton zur Anhörung begleitet und soll ihn zur Falschaussage angestiftet haben. Ryan arbeitete seit 1974 als Mechaniker bei McLaren, später als Teammanager und seit 2008 auch als Sportdirektor. Hamilton entschuldigt sich danach auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz.

5. April: Martin Whitmarsh stellt am Rande des Großen Preises von Malaysia seine Zukunft als McLaren-Teamchef in Frage und bietet seinen Rücktritt an.

7. April: Die FIA erklärt, dass sich McLaren-Mercedes bei einer außerordentlichen Sitzung des Weltrats am 29. April in Paris verantworten muss. Dem Rennstall wird ein Verstoß gegen Artikel 151c des Internationalen Sportkodexes vorgeworfen, der das Handeln gegen den Geist des Sports unter Strafe stellt. Von einer Geldbuße bis zum WM-Ausschluss sind alle Strafen denkbar. McLaren-Mercedes sichert volle Zusammenarbeit zu und gibt gleichzeitig die endgültige Entlassung Ryans bekannt.

16. April: Ron Dennis gibt seinen Rücktritt von allen Formel-1-Funktionen innerhalb der McLaren-Gruppe bekannt bekannt. Der Brite behauptet, dass sein Rücktritt nichts mit der Lügenaffäre zu tun habe, aber allgemein wird das als Zeichen gedeutet, dass McLaren-Mercedes die FIA milde stimmen will.