• 27.09.2005 09:52

  • von Fabian Hust

McLaren-Mercedes und der richtige "Riecher"

Die Nase des McLaren-Mercedes MP4-20 gilt als die schönste im Starterfeld - ein Ingenieur spricht über die Anforderungen an die Nase

(Motorsport-Total.com) - Die Nase des McLaren-Mercedes gilt im Zusammenhang mit dem Frontflügel gemeinhin als schönste im Starterfeld der Formel 1. McLaren-Aerodynamiker Adrian Newey ist Ästhet und wenn es zwei Lösungen gibt, die sich im Windkanal in Bezug auf ihre Werte nicht unterscheiden, dann lässt der Brite die schönere Variante bauen.

Titel-Bild zur News: McLaren-Mercedes MP4-20

Die Nase des McLaren-Mercedes MP4-20 ist ein echtes Kunstwerk

Entscheidende Bedeutung für die Leistung eines Formel-1-Autos hat dessen Nase, denn sie ist das erste Element, das auf den Fahrtwind trifft und muss im Fall eines Frontalaufpralls den Großteil der Energie absorbieren.#w1#

Die Struktur der Nase muss vier Schlüsselanforderungen erfüllen: Sie muss die Luft effektiv für die im hinteren Teil des Autos folgenden Aerodynamikteile kanalisieren, sie muss die Leistung des Frontflügels erhöhen, muss schnell auswechselbar sein und sie muss im Falle eines Frontalaufpralls den Fahrer schützen.

Wie die meisten Bauteile eines Formel-1-Boliden ist auch die Nase aus Kohlefaser gefertigt. Die Kohlefaser wird in genau berechneten Schichten übereinander gelegt, sodass im Falle eines Unfalls die Energie möglichst effektiv abgebaut wird.

"Das Schöne an der Konstruktion mit Verbundstoffen ist die Tatsache, dass man die Schichten exakt so platzieren kann, wie sie benötigt werden, um die Anforderungen an das Tragen der Belastungen zu erfüllen", erklärt Matthew Jeffreys gegenüber 'mclaren.com', Senior Project Engineer bei McLaren Racing.

Der Automobilweltverband FIA gibt genau vor, wie sich die Nase eines Formel-1-Boliden im Falle eines Unfalls zu verhalten hat. Den Betrag an Energie, den diese Crashstruktur im Falle eines Unfalls aufnehmen muss, ist im Reglement genau verankert und wird in Crashtests geprüft.

Jedes neue Nasendesign muss zwei Haupttests bestehen, bevor sie bei einem Rennen eingesetzt werden darf: Einen statischen Belastungstest und einen Aufpralltest. Bei diesem wird die Nase an einem Monocoque befestigt, das mit einem Fahrerdummy besetzt ist, und wird auf einen Schlitten montiert, der auf eine Mauer prallt. Um den Test zu bestehen, muss die Energie von der Nase absorbiert werden, ohne dass das Monocoque oder der Dummy beschädigt werden.

"Die Leute sagen immer, dass die Aufprallgeschwindigkeit von 14 Metern pro Sekunde (rund 50 km/h; Anm. d. Red.) im Vergleich zu den Geschwindigkeiten, mit denen sich ein Formel-1-Auto bewegt, nicht sehr hoch ist. Aber bei dem Test prallt das Auto auf eine nicht bewegliche Mauer, wohingegen die Crashbarrieren auf einer Strecke etwas Energie aufnehmen, sie muss also nicht komplett von der Nase aufgenommen werden."

Bei einem Unfall zerfällt ein Teil der Box in kleinsten Kohlefaserstaub: "Generell ist es so, dass die Struktur umso effektiver ist, je kleiner die zurückbleibenden Partikel sind", erklärt Jeffreys. Die Nase hat aber auch eine tragende Funktion, denn an ihr wird der Frontflügel montiert, der in diesem Jahr noch einmal nach oben gesetzt wurde, um den Abtrieb an der Vorderachse zu reduzieren: "Das hat die strukturellen Anforderungen der Nase nicht wirklich beeinflusst, aber es wirkt sich auf die Form der Nase aus, um die aerodynamischen Anforderungen zu erfüllen."

Vier Schnellverschlüsse sorgen zudem dafür, dass die komplette Nase samt Crashstruktur im Falle einer Beschädigung während des Rennens binnen rund fünf Sekunden ausgetauscht werden kann. Bei jedem Rennen hat das Team sieben Nasen dabei - zwei für jedes Auto, inklusive das T-Car und für ein Ersatzauto. Das macht pro Jahr insgesamt rund 25 Nasen, die hergestellt werden müssen. Und wird das Design verändert, ist jedes Mal ein neuer Crashtest erforderlich, weswegen ein neues Design höchstens einmal zur Saisonmitte eingeführt wird, falls dadurch ein großer Aerodynamik-Vorteil erzielt werden kann.