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Was Coulthard im Nachhinein anders machen würde

Verschenkte Siege, Spa 1998, der berühmte Mittelfinger gegen "Schumi" - David Coulthard hat eine bewegte Karriere hinter sich

(Motorsport-Total.com) - Am vergangenen Sonntag hat David Coulthard möglicherweise den letzten Grand Prix seiner langen Karriere bestritten. Der Schotte, der 1994 als Nachfolger von Ayrton Senna bei Williams-Renault in die Formel 1 kam, wurde nie Weltmeister, hat aber dennoch viel zu erzählen. Einige Dinge würde er im Nachhinein gesehen anders machen.

Titel-Bild zur News: David Coulthard

Das McLaren-Mercedes-Cockpit muss Coulthard endgültig räumen

Dazu gehören vor allem drei verschenkte Grand-Prix-Siege: In Monza 1995 startete Coulthard nach einer beeindruckenden Performance an den Trainingstagen von der Pole Position aus, konnte diese jedoch nicht einmal ansatzweise verwerten. Beim Anfahren der Ascari-Schikane im hinteren Streckenteil verlor der damals noch unerfahrene Williams-Renault-Pilot kurz die Konzentration und das Auto außer Kontrolle. Der peinliche Fehler endete im Kiesbett, der erste Sieg folgte dann aber zwei Wochen später in Estoril.#w1#

Coulthards Geschenk eröffnete Häkkinens Erfolgsrun

Gut zwei Jahre später, beim denkwürdigen Saisonfinale in Jerez 1997, ließ der heute 33-Jährige an zweiter Stelle liegend auf Weisung des McLaren-Mercedes-Teams Mika Häkkinen passieren. Der Führende Jacques Villeneuve, zu dem Zeitpunkt nach der Kollision mit Michael Schumacher bereits so gut wie sicher Weltmeister, bremste in der letzten Runde jedoch ab und schenkte den "Silberpfeilen" einen Doppelsieg - mit Häkkinen statt Coulthard auf dem obersten Treppchen. Der Finne feierte so seinen ersten Grand-Prix-Sieg und machte sich auf zu einem beeindruckenden Erfolgsrun mit zwei WM-Titeln.

Gleich beim nächsten Rennen, in Melbourne 1998, verlor "DC" wieder durch eine Teamorder einen sicher scheinenden Sieg: Über weite Strecken an zweiter Stelle liegend, ging er in Führung, weil die McLaren-Mercedes-Box Häkkinen wegen eines Missverständnisses unnötig durch die Boxengasse fahren ließ. Später wurde der Fehler revidiert, indem das Team Coulthard anwies, Häkkinen, der für alles nichts konnte, wieder vorbeizulassen. Immerhin konnte er sich mit der Siegerprämie trösten, den Pokal und die zehn Punkte bekam aber wieder der Stallkollege.

"Ich habe diese Rennen eigentlich gewonnen", bedauert der 13-fache Grand-Prix-Sieger heute, "aber das Statistikbuch weist das nicht aus. Es geht mir nicht um die Anerkennung dafür, denn es reicht mir, wenn ich selbst weiß, was ich erreicht hätte." Dennoch fragen sich noch heute viele Experten, wie seine Karriere verlaufen wäre, hätte er statt Häkkinen die beiden aufeinander folgenden Rennen in Jerez 1997 und Melbourne 1998 gewonnen.

Spa 1998: Die Feindschaft zu Schumacher eskaliert

Ein weiterer entscheidender Punkt in Coulthards Laufbahn war das legendäre Regenrennen in Spa 1998, als er aussichtslos zurücklag und mit Michael Schumacher kollidierte, als er überrundet wurde. Der McLaren-Mercedes-Pilot blieb auf der Ideallinie, ging aber vom Gas, wodurch Schumacher auf ihn auffuhr und an der Box aufgeben musste. Weil der Deutsche vermutete, Coulthard habe dies getan, um seinem Teamkollegen Häkkinen zum WM-Titel zu verhelfen, wäre es anschließend fast zu einer Prügelei gekommen.

"Michael lag in Führung und wollte mich überrunden, und ich wollte es ihm einfach machen", erinnerte sich Coulthard am vergangenen Wochenende an die Situation. "Durch die Gischt konnte er aber nicht sehen, dass ich auf der Ideallinie war, und er fuhr auf mich auf. In diesem Moment war er natürlich sehr verärgert und er beschuldigte mich, ihn töten zu wollen. Das war natürlich nicht so. Zwei Wochen später haben wir uns in Monza getroffen. Das war ein Test, bei dem italienische Fans ein Plakat hatten, auf dem 'David, du Killer' stand. Das war schwierig für mich, denn es war ja keine Absicht."

Zwei Jahre später geriet er noch einmal mit dem Ferrari-Star aneinander, als er in Magny-Cours den Mittelfinger ausstreckte, nachdem es mit Schumacher in der Adelaide-Haarnadel zu einer haarigen Situation gekommen war: "Ich war damals sehr aufgebracht, denn Michael ist schon am Start sehr hart gefahren, aber die Stewards haben das nicht geahndet. Mein Zeichen mit der Hand war natürlich unsinnig, denn er hat mich da ja nicht sehen können. Mein Sieg war dafür einer meiner schönsten, weil es ein Rennen mit viel Kampf und Emotionen war."

Scheiterte Coulthard am Finnen-Komplex?

Ein weiteres Merkmal von Coulthards Karriere ist, dass er seit 1996 immer finnische Teamkollegen hatte - erst Mika Häkkinen von 1996 bis 2001, seit 2002 dann Kimi Räikkönen. Viele unterstellen ihm daher einen Finnen-Komplex, doch inzwischen ist der Schotte so weit, dass er darüber lachen kann: "Ich habe mehr Zeit als jeder andere Fahrer mit finnischen Teamkollegen verbracht, aber ich weiß über die Finnen trotzdem so gut wie nichts", grinste er am vergangenen Wochenende in Brasilien.

Aber wie geht es jetzt weiter, David? "Ich werde sicher nicht zuhause sitzen und mein Geld zählen, sondern etwas anpacken", erklärte er entschlossen. Priorität hat aber weiterhin die Formel 1: "Ich liebe das Rennfahren und werde alles daran setzen, irgendwo unterzukommen. Wenn ich wo etwas bewegen und helfen kann, Resultate einzufahren, dann ist das ein ziemlich guter Grund, mit dem Grand-Prix-Sport weiterzumachen."

Geld sei nie die Motivation gewesen: "Ich habe mich auch gut gefühlt, als ich 19 war und nichts auf dem Konto hatte. Jetzt bin ich 33, und was den Alltag angeht, bin ich natürlich eine wohlhabende Person, aber deswegen schlafe ich nachts auch nicht besser. Ich gehe nicht mit der goldenen Armbanduhr runter ins Pub und frage die Leute, wie gut sie mich finden. Ich komme aus einem kleinen Dorf und bin immer ich selbst geblieben. Ich würde nicht des Geldes wegen fahren."

Beeindruckende Zahlen stellen selbst Weltmeister in den Schatten

Wenn Coulthard sagt, dass ihn um seine Statistiken viele seiner Kollegen beneiden würden, so basiert dies auf recht beeindruckenden Zahlen: Er ist 101 Mal in die Punkte gefahren und damit Dritter der ewigen Rangliste, noch vor Senna, Mansell oder Lauda, liegt mit 475 eingefahrenen Punkten auf Platz sechs der Rekordliste, hat mit 60 Podestplätzen die viertmeisten der Grand-Prix-Geschichte und gewann sogar mehr Rennen als neun Weltmeister.

"Okay", blickt das McLaren-Mercedes-Aushängeschild heute zurück, "ich bin nur Zweiter in einer Weltmeisterschaft geworden, aber der erfolgreichste Fahrer in der Geschichte des Sports lag vor mir. Nimmt man Michael weg, würde alles anders aussehen. Wenn ich mich mit Leuten wie Keke Rosberg vergleiche, die mit einem Sieg Weltmeister geworden sind, dann haben die keinen Grund, irgendwie mit breiterer Brust zu marschieren als ich. Leider ist es nur so, dass heißt es, das war ein Weltmeister, und wenn du das nicht geschafft hast, giltst du als Versager."

Jetzt steht Coulthard vor einem entscheidenden Punkt in seiner Karriere: Wenn er will, kann er als Testfahrer bei McLaren-Mercedes bleiben, was er sich jedoch nicht wirklich vorstellen kann. Seine größte Hoffnung ist, dass Jaguar einen Käufer findet und ihn verpflichtet - oder dass ihn Frank Williams zurück in sein Team holt, was jedoch gemeinhin als nicht allzu wahrscheinlich eingeschätzt wird. Ansonsten droht ihm zumindest ein Jahr Pause von der Formel 1.

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