Vaulkhard: "Wir werden noch einige Fortschritte machen"
Bamboo-Fahrer Harry Vaulkhard im Interview über seinen Einstand in der WTCC, die ersten Rennen auf WM-Niveau und die Leistung seines Rennstalls
(Motorsport-Total.com) - Harry Vaulkhard und Bamboo Engineering sind erst seit wenigen Monaten in der Tourenwagen-WM am Start, wussten aber schon in ihren Debütrennen zu überzeugen. Vaulkhard bescherte der noch jungen Mannschaft bereits beim dritten Wochenende den ersten Klassensieg und bestätigte damit die Meinung des Fahrerlagers, wonach dieses Team überaus großes Potenzial hat. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' spricht Vaulkhard über seine ersten Eindrücke von der WTCC.

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Daumen hoch: Harry Vaulkhard und Bamboo Engineering sind klar im Aufwind
Frage: "Harry, du bist neu in der Tourenwagen-WM. Wie gefällt dir diese Meisterschaft?"
Harry Vaulkhard: "Die WTCC ist klasse. Es ist anders als das, was ich in der Vergangenheit gemacht habe, doch langsam aber sicher finde ich mich hier zurecht. Ich lerne immer mehr dazu. Ich erfahre die unterschiedlichen Facetten dieser Serie und gewöhne mich besser und besser daran."#w1#
Frage: "Wie sehr hilft dir die Arbeit im Simulator bei deiner Vorbereitung?"
Vaulkhard: "Sehr viel. Für Marokko war uns das leider keine Hilfe, weil wir nicht rechtzeitig eine Streckensimulation erstellen konnten. Vor Brasilien war ich aber im Simulator im Einsatz und auch vor Monza hatte ich einige Probeeinheiten."
"Im Gegensatz zu Darryl war ich in Monza bislang ja noch nie unterwegs. Für mich waren die Runden im Simulator also ein erster Vorgeschmack. Prompt war ich auf der Strecke schneller als Darryl. Das zeigt, wie effizient das virtuelle Training ist. Das kommt nicht alleine von mir, denn vieles hängt einfach am Simulator. Du kannst dich vollkommen konzentrieren."
"Du musst auf deinen ersten Runden am Wochenende nicht erst herausfinden, ob die nächste Ecke nun eine Links- oder eine Rechtskurve ist. Du hast einfach schon eine recht genau Vorstellung von den Bremspunkten und deinen Gangwechseln. Das hast du im Hinterkopf, wenn du schließlich auf die Strecke gehst. Dank der Simulatorarbeit fällt es dir einfach leichter. Es ist ein gutes Hilfsmittel."
Vaulkhard verspricht: Da kommt noch einiges...
Frage: "Das gesamte Fahrerlager hat viele lobende Worte für Bamboo Engineering übrig, weil ihr richtig gut unterwegs seid. Was ist euer Geheimnis? Warum seid ihr als Neulinge so verflixt schnell?"
Vaulkhard: "Wir waren im vergangenen Jahr noch in der britischen Tourenwagen-Meisterschaft (BTCC) unterwegs und haben dort sehr viel gelernt. Einige der Jungs waren aber auch schon davor in der WTCC engagiert oder kommen aus der Rallye-WM."
"Es ist nicht so, dass wir uns blind dieser Herausforderung gestellt hätten. Unser Team hat einiges an Erfahrungen in ähnlichen Umfeldern gemacht. Es ist aber sicherlich nicht so, dass uns alles einfach so von der Hand geht. Bamboo ist jedenfalls ein großartiges Team - vermutlich das beste, bei dem ich jemals war. Wir sind dieser Herausforderung absolut gewachsen."
Frage: "Der Chevrolet Lacetti scheint ein äußerst komplettes Fahrzeug zu sein. Kannst du uns ein bisschen darüber sagen, was genau dahinter steckt?"
Vaulkhard: "Wir haben gerade in langsamen Passagen noch ein bisschen zu kämpfen. Gerade enge Schikanen und Haarnadelkurven sind noch Gift für uns."
"Dafür machen wir aber an anderen Stellen Boden gut. Unser Auto hat den Vorteil, dass es sehr ausgeglichen ist und über eine gute Balance verfügt. Doch bei den vielen privaten BMW Fahrzeugen ist es natürlich nicht gerade einfach, an die Spitze vorzudringen."
"Wir scheinen uns dennoch recht konstant in den Top 3 oder Top 4 aufhalten zu können. Im Hinblick auf die Gesamtwertung ist das eine tolle Position. Ich bin mir auch sicher, dass wir noch einige Fortschritte machen werden. Von Rennen zu Rennen lernen wir sehr viel dazu. Wir bekommen das auf die Reihe, gar keine Frage."
Die Hilfsbereitschaft von Chevrolet ist groß
Frage: "Bist du etwas überrascht, dass du und Bamboo Engineering von Anfang an eine so prima Leistung erbringen konntet?"
Vaulkhard: "Ein bisschen schon, ja. Im vergangenen Jahr haben wir bereits am ETCC teilgenommen. Dabei konnten wir uns mit solchen Burschen wie Franz Engstler vergleichen. Wir wussten also, dass unsere Geschwindigkeit passen würde."
"Franz ist wiederum deutlich schneller, als wir das ursprünglich gedacht hatten. Er ist beeindruckend gut unterwegs. Ich würde sagen: Wir befinden uns dort, wo wir uns eingeordnet hätten. Wir liegen nicht am Ende, geben uns aber auch nicht der Illusion hin, sofort alles und jeden in Grund und Boden fahren zu können."
"Wir fahren in einer Weltmeisterschaft - und da liegt man nicht einfach so an der Spitze. In der Privatierwertung sind viele richtig gute Jungs am Start. Auch Darryl ist ein großer Name und ich freue mich, dass ich bislang mit ihm mithalten konnte. Das Team leistet großartige Arbeit."
Frage: "Erfahrt ihr eine Hilfestellung von Chevrolet? Wenn ja, wie muss man sich das vorstellen?"
Vaulkhard: "Eine direkte Hilfe gibt es nicht, doch wir arbeiten natürlich mit RML zusammen. Sie helfen uns logischerweise, wenn wir Schwierigkeiten haben. Es ist aber nicht so, dass wir eine Art Werksunterstützung oder dergleichen genießen würden. Wir kaufen einige Komponenten bei ihnen ein und verwenden auch ihre Motoren. Aber das ist es im Großen und Ganzen auch schon."
Frage: "Erhaltet ihr Einblick in die Daten aus früheren Jahren? Immerhin war Chevrolet mit dem Lacetti ja schon auf den meisten Strecken unterwegs..."
Vaulkhard: "Ja, solche Hilfsmittel stehen uns zur Verfügung und das ist auch eine große Hilfe. Wir haben damit also schon einmal eine gewisse Grundlage, bevor wir in ein Wochenende gehen."
"Man kann die Daten als Startpunkt für das Setup hernehmen - auch wenn wir letztendlich in eine andere Richtung gehen, als RML das damals getan hat. Es kommt aber auch immer darauf an, was die Fahrer für Vorstellungen haben und was ihrem Fahrstil entspricht. Da machen natürlich auch die Beschaffenheit der Strecke, das Wetter oder ein neuer Asphaltbelag einen Unterschied."¿pbvin|64|2851|wtcc|0|1pb¿
Was ist drin in den kommenden Rennen?
Frage: "Hast du dich schon einmal mit den Chevrolet-Piloten unterhalten oder sie um Rat gefragt?"
Vaulkhard: "Nicht an jedem Wochenende. Es ist aber klasse, wenn man solche erfahrenen Burschen hat, auf die man zurückkommen kann. Man läuft sich hin und wieder im Fahrerlager über den Weg. Es ist aber nicht so, dass wir ständig bei ihnen vorstellig werden würden, um sie zu löchern. Wenn ich allerdings einmal eine Frage habe, sind sie sehr hilfsbereit. Das ist klasse."
Frage: "Wie ist das Feedback auf eure bisherigen Leistungen ausgefallen? Was sagt die Konkurrenz?"
Vaulkhard: "Noch nicht allzu viel. Wir sind zwar schnell auf den Geraden, doch da ist Mehdi Bennani im BMW auch immer recht stark - wenn nicht gar identisch schnell. Wir haben aber keinen Vorteil in diesem Bereich. Das ist wohl einfach nur eine Stärke unseres Autos. Speziell mittelschnelle Kurven liegen uns sehr. Da hat aber wahrscheinlich jeder seine eigenen Ansichten."
Frage: "Was erwartet ihr euch für die kommenden Rennen?"
Vaulkhard: "Ich kenne keine dieser Strecken. Das ist ein Nachteil, doch in diesem Bereich ist der Simulator freilich eine große Hilfe. Es gibt aber keinen Ersatz für das tatsächliche Fahren im Rennauto."
"Vorab kannst du dir wenigstens ein Bild vom Rennplatz machen. Ich kenne eigentlich nur Brands Hatch. Darauf freue ich mich natürlich besonders, wo es doch mein Heimrennen ist. Dort sollten wir sehr gut aussehen. Brands ist eine großartige Strecke, sehr historisch. Dort brauchst du auch eine gewisse Portion Mut. Das ist prima."
Spannung von Curitiba bis Zolder
Frage: "Es gibt einige besondere Rennstrecken im Kalender der WTCC. Was sagst du zum Beispiel zu Macao?"
Vaulkhard: "Gigantisch! Ich möchte die britischen Kurse nicht schlecht machen - ich liebe es dort zu fahren. Aber solche Strecken sind dann doch noch einmal eine ganz andere Hausnummer. Dahinter steckt eine andere Philosophie, könnte man sagen. Es ist eine Herausforderung, all diese Kurse kennen zu lernen."
"Von Knockhill in Schottland bis hin zu Monza oder Macao - einen größeren Unterschied gibt es wohl kaum. Ich mag Knockhill, ich mag aber auch Monza. Es ist nur einfach ein anderes Gefühl. Du gehst ein Wochenende mental doch auf eine andere Weise an. Außerdem ist es niemals verkehrt, den Horizont zu erweitern."
Frage: "Ist es für dich etwas Besonderes, auf Strecken wie Monza anzutreten, oder ist es im Auto ein Kurs wie jeder andere auch?"
Vaulkhard: "Bei der Streckenbegehung merkst du schon, wie präsent die Geschichte ist. In den vergangenen Jahren habe ich sämtliche Formel-1-Rennen auf diesem Kurs verfolgt und darüber hinaus bin ich mir des historischen Wertes dieser Rennbahn wohlbewusst. Abgesehen davon: Die Parkanlage ringsum ist einfach herrlich."
"Das alles nimmst du wahr und hast das auch im Hinterkopf. In Silverstone oder Brands Hatch ist das ähnlich. Sitzt du aber erst einmal im Auto, vergisst du solche Dinge und konzentrierst dich stattdessen darauf, möglichst schnell zu sein. Da bist du eher damit beschäftigt, hinter dem Lenkrad alles richtig zu machen. Schön ist aber, an solchen Orten unterwegs zu sein."

