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Technik im Detail: Der Simulator von Bamboo Engineering
Bamboo Engineering stellt seinen Piloten ein besonderes Hilfsmittel zur Verfügung: Einblicke in die Arbeit am Simulator und das virtuelle Fahrertraining
(Motorsport-Total.com) - In der Formel 1 schwört man schon lange auf den Einsatz eines Simulators, um die Entwicklung voran zu treiben und den Piloten abseits der Rennstrecke eine Trainingsmöglichkeit zu verschaffen. In der WTCC ist dieses Vorgehen indes nicht allzu weit verbreitet - umso erstaunlicher, dass ausgerechnet ein Privatteam ein Großprojekt in diesem Bereich stemmt: Bamboo Engineering hat einen Simulator.

© Bamboo Engineering
Nicht zu viel verraten: Harry Vaulkhard sitzt in der Rohform des Bamboo-Simulators
Damit schossen sich Harry Vaulkhard und Darryl O'Young im vergangenen Jahr auf die für sie neuen Kurse ein und machten sich darüber hinaus auch mit den speziellen Anforderungen eines WTCC-Tourenwagens vertraut. Mit Erfolg, wie die Ergebnisse zeigen: Obwohl Bamboo Engineering 2010 zu den Debütanten im Starterfeld zählte, konnte der britische Rennstall gleich einige Klassensiege holen.
Was ist also das Geheimnis des Simulators, der dem jungen Team offensichtlich Flügel zu verleihen scheint? 'Motorsport-Total.com' fragte nach bei einem, der es wissen muss: WTCC-Fahrer Vaulkhard erläutert die Hintergründe des technischen Hilfsmittels, beschreibt die Handhabung der Anlage, eine übliche Trainingseinheit vor dem Renneinsatz und erklärt die vielen Gegensätze zur Spielkonsole.
Die beste Vorbereitung auf eine neue Strecke
Da wäre zum einen die Übertragbarkeit der Daten: "Unser Simulator ist ungeheuer realistisch und wir verwenden die gleiche Software, die auch beim Rennwagen zum Einsatz kommt. Die Ergebnisse, die wir virtuell erzielen, liegen schließlich überaus nahe an der Realität", sagt Vaulkhard und merkt an: "In Curitiba betrug die Abweichung pro Runde beispielsweise nur zwei bis drei Zehntelsekunden."
"Der Simulator ist so genau, dass man kaum einen Unterschied sehen würde, wenn man die Daten einer 'echten' Runde mit einem simulierten Run übereinander legt", meint der britische Rennfahrer. Aus diesem Grund fühlte sich Vaulkhard nach einigen Sessions schon wie zuhause im Chevrolet Lacetti und fügt hinzu: "Für uns fiel dadurch praktisch die Lernphase am jeweiligen Rennplatz weg."
"Es war einfach so, als ob wir schon einmal dort gewesen wären. Nach zwei oder drei Runden stellte sich dieses Gefühl ein", schildert der 25-Jährige seine Eindrücke. "Normalerweise würde man sich auf einer neuen Strecke erst einmal orientieren und solche Dinge wie Bremspunkte herausfinden. Das hatten wir alles schon vorab erledigt. Sogar die Getriebeübersetzung hatten wir bereits simuliert."
Der Simulator ist nicht zum Spielen da...
Und diese Probeeinheit orientiert sich stets am Ablauf eines "echten" Wochenendes: "Erst einmal hast du ein kurzes Training, um den Kursverlauf kennen zu lernen", erläutert Vaulkhard. "Dann steht eine Qualifikation auf dem Programm, in der du einen Kurzstint von drei Runden absolvierst, um eine gute Rundenzeit zu markieren. Das macht man ein paar Mal, abschließend geht es an die Renndistanz."

© Bamboo Engineering
Die Pedalanlage des Bamboo-Simulators - beim Aufbau, ohne Fahrzeugverkleidung Zoom
"Dabei drehst du einfach deine Runden und versuchst, einen Rhythmus zu finden. Das hilft dir ungemein bei der Vorbereitung auf eine Strecke", findet der Bamboo-Pilot. "Wenn du schließlich vor Ort bist, hast du den Event ja schon einmal komplett durchgezogen. Das Überraschungsmoment ist quasi vorweggenommen. Du hast es dann einfach nur mit einem weiteren Wochenende zu tun."
Genau deswegen orientiert sich die Simulatorarbeit auch an einem strikten Zeitplan. "Damit wollen wir das Gefühl vermeiden, dass wir nur zum Spielen da sind", meint Vaulkhard. "Man legt die gleichen Kilometerzahlen zurück, die auch in der Realität anfallen. In diesem Zusammenhang kannst du vieles probieren und austesten, bewegst dich aber trotzdem im Rahmen eines normalen Rennevents."
Mehr Fahrpraxis durch virtuelles Training
So gelang es Vaulkhard zum Beispiel, seine Bremstechnik umzustellen - vor Saisonbeginn und ohne aufwendige und kostenintensive Streckentests. "Ich musste meinen Fahrstil ändern, denn ich bremste damals noch mit dem rechten Fuß. Jetzt bin ich ein Linksbremser. Das Bremsen mit dem linken Fuß lernte ich in unserem Simulator. Dieser verfügt nämlich über eine hydraulische Bremsanlage."
Das ist aber noch lange nicht alles, wie Vaulkhard erläutert: "Wir haben einen Rahmen, der sich an der Optik eines Formelautos erinnert. Man kann den Simulator aber auch so einstellen, dass er mehr wie ein Tourenwagen wirkt. Die Sitzposition ist natürlich jedes Mal individuell. Auf jeden Fall befinden sich Lenkrad, Pedale, Sitz und Gangschaltung stets an dem Platz, wo sich auch in der Realität sind."
"Um es auf den Punkt zu bringen: Innerhalb unseres Rahmens können wir alle Bauteile bewegen und umbauen, sodass wir mit einem Simulator viele unterschiedliche Fahrzeuge nachahmen können. Das gesamte Paket ist noch dazu hydraulisch gelagert, sodass es sich bewegt. Es fühlt sich insgesamt sehr, sehr realistisch an. Man bekommt eine optimale Rückmeldung - und spürt jede Bodenwelle."
Kunden nutzen die Bamboo-Technik
27 Einstellmöglichkeiten am Lenkrad gestatten dem Nutzer, noch während der Fahrt direkt in das Geschehen einzugreifen und Setupänderungen vorzunehmen. Für alles Weitere steht mindestens ein Bamboo-Ingenieur zur Verfügung - übrigens auch Rennfahrern, die nicht dem Team angehören. "Wir haben mittlerweile einen recht großen Kundenstamm", gibt Vaulkhard diesbezüglich zu Protokoll.

© xpb.cc
Die Übungseinheiten im Simulator halfen Harry Vaulkhard auf der WTCC-Strecke Zoom
"Formel-2-Piloten nutzen unseren Simulator sehr oft, ansonsten kommen die Kunden im Prinzip aus jeder Art von Rennkategorie: LMP, Superleague - die Bandbreite ist groß", meint der Brite. Und das Feedback fällt üblicherweise positiv aus: "Unser Simulator spielt in einer Liga mit den Anlagen der Formel-1-Teams. Wir haben Leute bei uns, die bereits bei solchen Projekten mitgearbeitet haben."
"Manche probierten auch unseren Simulator aus und fällten hinterher das Urteil, dass unser Gerät besser sei, als das, was sie schon kannten. Das ist natürlich sehr schmeichelhaft", sagt Vaulkhard. "Namen darf ich natürlich keine nennen, aber einige Personen saßen sowohl bei uns als auch bei Red Bull im Simulator. Manche halten unseren Simulator für gut, andere sagen, er wäre der bessere."
Der Simulator als Alternative zu Streckentests?
"Ich selbst habe den Red-Bull-Simulator bislang weder gesehen noch ausprobiert. Unser Produkt ist aber wohl auf einem ähnlichen Niveau", hält Vaulkhard fest. Bei einem Stundenpreis von umgerechnet rund 180 Euro habe man zudem einen "deutlich erschwinglicheren Preis" als die Konkurrenz auf diesem Sektor - und ein sehr zukunftsorientiertes Projekt, wie Vaulkhard abschließend hinzufügt.
"In den kommenden fünf bis zehn Jahren werden alle Rennteams einen Simulator haben. Das ist einfach die aktuelle Tendenz", sagt der britische Bamboo-Pilot und begründet seine Sicht der Dinge: "Damit kannst du einen großen Unterschied ausmachen. Natürlich sind richtige Testfahrten vielleicht noch einen Tick besser, aber solche Unternehmungen sind logischerweise wesentlich teurer."
"Einen Simulator kannst du für einen Bruchteil der Kosten mieten - den ganzen Tag lang. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Und durch die Arbeit im Simulator kannst du auch deinen Testtag vorbereiten. Bamboo ist ein Unternehmen, das da sehr vorausschauend agiert", meint Vaulkhard. "Bei diesem Simulator gehen wir mit dem Trend. Hoffentlich können wir mit diesem Projekt noch einiges lernen."

