Nachgefragt bei Stefano D'Aste
Neue Interview-Serie bei 'Motorsport-Total.com': Die Fahrer der WTCC beantworten elf Fragen über den Mensch in der Maschine - Heute: Stefano D'Aste
(Motorsport-Total.com) - Die jüngsten Ergebnisse und die Leistung des jeweiligen Fahrzeugs stehen im Vordergrund, wenn die Piloten der WTCC die Fragen der Medienvertreter beantworten. Meist werden die Fahrer dabei stets mit den gleichen Themen konfrontiert und nur selten beschreiten die Fragenden neues Terrain. Aus diesem Grund hat 'Motorsport-Total.com' eine Interview-Serie ins Leben gerufen, die sich mit ganz anderen Inhalten beschäftigt. In der heutigen vierten Folge antwortet Stefano D'Aste (Wiechers).

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"Hallo, hier bin ich!" - Stefano D'Aste ist immer für einen flotten Spruch zu haben
Frage:"Stefano, wie kamst du zum Motorsport?"
Stefano D'Aste: "Die Leidenschaft für das Fahren und für Autos wurde mir in die Wiege gelegt. Niemand aus meiner Familie hatte etwas mit Motorsport am Hut, doch mein Vater nahm mich einmal mit nach Monza, als dort die Qualifikation der Formel 1 im Gange war."
"Ich war drei Jahre alt und steckte mich dabei regelrecht an. Ich setzte mir eine Ferrari-Mütze auf, die ich erst zwei Jahre später wieder abnahm (lacht; Anm. d. Red.). Das war der Anfang. Ich interessierte mich sehr für die Formel 1 und für das Rennfahren. Irgendwann begann ich schließlich damit, Motorrad-Rennen zu fahren. Später stieg ich dann um auf Rennwagen."
Frage: "Was war das Ergebnis deines ersten Autorennens?"
D'Aste: "Das war die Rallye Monza mit einem Renault Clio. Es machte viel Spaß. Davor hatte ich zuletzt eine 250er von Aprilia gefahren, war im Auto aber auf Anhieb schneller unterwegs als meine beiden Teamkollegen. Dabei handelte es sich um Stammpiloten der italienischen Rallyemeisterschaft."
"Ich war stets besser als sie und mein Teamchef sagte mir gleich zu Beginn: 'Wenn du so weitermachst, wirst du nicht einmal das Ziel der vierten Prüfung erreichen. Du bist einfach verrückt. Das kannst du nicht packen.' Es ging aber trotzdem ganz gut. Ich fuhr gemeinsam mit meiner Schwester und am Ende belegten wir den vierten Klassenrang. Das war spitze."
Frage: "Was ging dir nach deinem ersten Crash durch den Kopf?"
D'Aste: "Das war in der Formel 3, im Winter 1990. Es passierte in Misano. Ich kann mich daran erinnern, dass sehr kalt war und links und rechts neben der Fahrbahn lag Schnee. Alles war weiß. Ich fuhr in eine Schikane und bekam plötzlich Übersteuern."
"Als ich mit einem Rad leicht in den Schnee kam, war es vorbei. Ich rutschte hinaus und verunfallte. Das war sehr seltsam für mich. Mit einem Motorrad ist es ganz anders, wenn du einen Crash hast. Du kannst dich bewegen und reagieren. Im Auto war das nicht möglich."
"Ich versuchte es noch, doch dann sah ich auch schon, wie die Mauer auf mich zukam. Ich dachte nur: 'Oh shit!' Ich nahm meine Hände vom Lenkrad und dann schlug ich ein. Es war kein schönes Gefühl. Im Auto bist du halt nur Passagier, mit dem Bike hast du noch einen gewissen Einfluss, wenn du schnell bist."
"Da muss dein Gehirn die richtige Bewegung veranlassen, noch ehe du überhaupt darüber nachdenkst. So kannst du eine sichere Position einnehmen. Das lernst du schon in jungen Jahren. Hätte Michael Schumacher so etwas von klein auf gelernt, wäre sein Unfall vielleicht nicht so schlimm gewesen, weil er 'besser' gestürzt wäre."
Immer wieder Spa-Francorchamps...
Frage: "Wie empfandest du deinen ersten Test in einem WTCC-Auto?"
D'Aste: "Das war noch zu Zeiten der ETCC, aber das spielt ja keine Rolle - es sind ja die gleichen Autos. Ich fuhr damals einen BMW und es war einfach unglaublich. Noch ein Jahr zuvor hatte ich diese Serie am Fernseher verfolgt und die Jungs in der Startaufstellung für die Größten gehalten. Plötzlich stand ich selbst in der Boxengasse und konnte es kaum glauben."
"Ich fuhr von Startplatz 16 aus los und war am Ausgang der Lesmo-Kurven bereits Achter. Ich lag direkt hinter Gabriele Tarquini und neben Fabrizio Giovanardi. Als ich diese Namen las, wusste ich: 'Ich befinde mich in einer guten Position.' Die beiden verunfallten schließlich direkt vor mir und ich kam dann auf Platz acht über die Linie. Das war okay."
Frage: "Wenn du dir eine Rennstrecke und ein Auto aussuchen könntest, welches Fahrzeug würdest du gerne auf welchem Kurs bewegen?"
D'Aste: "Wahrscheinlich... nun, ich liebe zwei Rennstrecken: Spa-Francorchamps und Monte Carlo. Wahrscheinlich würde ich gerne den Ferrari-Zwölfzylinder in Monaco und das Lotus-Turboauto in Spa fahren."
Frage: "Was würdest du als dein bisher bestes Rennen bezeichnen?"
D'Aste: "Sehr schwierig. Mein bisher bestes Resultat war der Sieg in Spa-Francorchamps 2005 im Rahmen der WTCC. Das war klasse, denn ich kam nur von Rang 18. Ich hatte Slicks aufgezogen, obwohl es feucht war. Nach einigen Runden war ich schon Fünfter. Ich fuhr ein klasse Rennen. Wahrscheinlich ist das mein bestes Ergebnis."
"Vor einigen Wochen hatte ich bei der GT4-EM in Zolder aber ebenfalls ein großartiges Wochenende. Beim Start war ich Zwölfter, doch 25 Minuten später sauste ich als Sieger über die Linie. Es war ein unglaubliches Rennen, weil sehr knifflig. Wir leisteten aber richtig gute Arbeit. Diese beiden Rennen stechen heraus. Auch, dass ich die Rallye Monza vor Valentino Rossi beenden konnte, war eine gute Leistung."
Adrenalin im Rallyeauto
Frage: "Wer ist dein Motorsport-Idol oder -Held?"
D'Aste: "Henri Toivonen, ein Rallyefahrer. Er war ein großartiger Pilot. Ich mag auch viele andere Fahrer, doch er war eines meiner größten Idole im Rallyesport. Im Motorrad-Sport ist es anders. Da steht jemand für diese Eigenschaft, jemand anders für eine weitere Fähigkeit und dergleichen. Ich würde Valentino Rossi, Max Biaggi und Kevin Schwantz nennen."
Frage: "Hast du im Auto schon einmal Angst verspürt?"
D'Aste: "Einmal hatte ich Angst im Auto - aber nur, weil ich mit meiner Schwester unterwegs war. Ich hatte Angst um sie, nicht um mich. Für mich war es okay."
"Es war bei der einzigen richtigen Rallye, die ich bestritt. Wir waren unheimlich schnell. Dann passierte es: Ein Teil lockerte sich und wir verloren ein Rad. Deshalb rutschten wir einen Hügel hinunter. Glücklicherweise kamen wir bereits nach zwölf Metern wieder zum Stehen."
"Wir waren im sechsten Gang an dieser Stelle angekommen und beim Zurückschalten hatte sich das Rad verabschiedet. Vor uns lag eine lange Rechtskurve, die in einer engen U-Kurve mündete, die ihrerseits zwei kleine Hänge miteinander verband. Ich lenkte ein, doch es passierte nichts. Wären wir direkt geradeaus weitergefahren, wären wir 400 Meter tief gefallen."
"Ich bremste daher sofort und zog die Handbremse, um das Auto zu drehen, als ich bemerkte, dass es keinen Sinn machen würde. Ich hoffte nur, die Leitplanken würden uns halten. Auf einmal waren dann aber alle Geräusche weg - wir flogen. Dann schlugen wir auf und rodelte den Hügel hinunter. Dabei hatte ich Angst um meine Schwester."
"Als Profifahrer kannst du dir das aber nicht leisten. Du lebst einfach damit. Das Adrenalin macht dich schnell und du spielst gewissermaßen damit. Dank der Angst kannst du ein Gefühl für das Auto entwickeln. Du bist daher aufmerksamer und konzentrierter. Es ist nicht so, wie wenn dir jemand eine Knarre unters Kinn hält. Es ist anders, eben die Angst eines professionellen Rennfahrers."
Der Privatiererfolg von 2007 als Höhepunkt
Frage: "Welche Schlagzeile würdest du gerne einmal über dich lesen?"
D'Aste: "Ich mag es, wenn mir die Leute sagen, dass ich auf meine Weise und bei meinem Fahrstil etwas verrückt sei. Andere Piloten fragten mich auch schon: 'Wie schaffst du es nur, diese Kurve auf diese Art zu fahren? Das ist doch verrückt!' Das gefällt mir."
"Toll ist auch, wenn man mir Mut attestiert und mich als fair bezeichnet. Ich halte mich nämlich für einen fairen Piloten. Alles andere mag ich nicht. Wenn ich vorne bin, dann, weil ich es mir erkämpft habe, und nicht aufgrund von Kollisionen und dergleichen. Ich möchte lesen, dass ich ein ehrlicher Kämpfer bin."
Frage: "Was geht dir kurz vor dem Rennstart durch den Kopf?"
D'Aste: "Mein Gridgirl sehe ich jedenfalls nicht (lacht; Anm. d. Red.). Ich versuche einfach nur, die Ruhe zu bewahren, und denke an die Ampeln und an die erste Kurve."
"Ich konzentriere mich auf meine Atmung und denke über die anstehenden Abläufe nach. Wichtig ist, sich mit dem Rennen zu beschäftigen. Manchmal überlege ich auch, wie ich mich nach dem Start positionieren soll und spiele gewisse Szenarien durch."
Frage: "Was ist deine schönste Erinnerung aus deiner bisherigen Karriere?"
D'Aste: "Wahrscheinlich mein Gesamtsieg in der Privatierwertung der WTCC 2007. Das war großartig und unglaublich zugleich. Nach dem Fallen der Zielflagge ging es einfach nur verrückt zu. Es war ungeheuer emotional."
"Die Konkurrenz in der Privatierwertung war sehr groß. Wir hatten viele schnelle Fahrer und alle hatten Siegchancen. Schwierig war es auch dadurch, dass ich keinen Teamkollegen hatte. Meine Rivalen versuchten, mir ein Bein zu stellen, doch das gelang ihnen nicht. Es war ein toller Kampf und die Freude danach war riesig."

