• 02.09.2011 11:38

  • von Stefan Ziegler

Nachgefragt bei Fredy Barth

Neue Interview-Serie bei 'Motorsport-Total.com': Die Fahrer der WTCC beantworten elf Fragen über den Mensch in der Maschine - Heute: Fredy Barth

(Motorsport-Total.com) - Die jüngsten Ergebnisse und die Leistung des jeweiligen Fahrzeugs stehen im Vordergrund, wenn die Piloten der WTCC die Fragen der Medienvertreter beantworten. Meist werden die Fahrer dabei stets mit den gleichen Themen konfrontiert und nur selten beschreiten die Fragenden neues Terrain. Aus diesem Grund hat 'Motorsport-Total.com' eine Interview-Serie ins Leben gerufen, die sich mit ganz anderen Inhalten beschäftigt. In der heutigen zweiten Folge antwortet Fredy Barth (SEAT-Swiss).

Titel-Bild zur News: Fredy Barth

Fredy Barth bestreitet 2011 schon seine zweite Saison in der Tourenwagen-WM

Frage: "Fredy, wie kamst du zum Motorsport?"
Fredy Barth: "Mein Vater hatte eine gewisse Affinität zum Automobil. Er machte gelegentlich bei Fahr- und Sporttrainings von BMW mit. Als Neunjähriger war ich einmal mit dabei und lernte Niki Lauda sowie Marc Surer kennen. Ich durfte auch eine Taxifahrt absolvieren. Das war dann der Punkt, an dem ich mir sagte: 'Das möchte ich gerne selbst einmal machen.' Es faszinierte mich und so wurde der Kartsport ein Thema für mich."

"Zu meinem 13. Geburtstag bekam ich schließlich eine Kartfahrt im Mietkart. Das war gewissermaßen der Anfang meiner Faszination. Ich fand es zwar vorher schon toll und hatte auch ferngesteuerte Autos zusammengebaut, doch da stellte sich erstmals dieses Fahrgefühl ein. Danach sparte ich drei Jahre lang, um mir mein erstes Kart kaufen zu können. Mit 16 Jahren begann ich schließlich, Kart zu fahren."

Frage: "Was war das Ergebnis deines ersten Autorennens?"
Barth: "Bei meinem ersten Autorennen wurde ich Dritter. Es war ein Regenrennen und ich stand, wenn ich mich recht erinnere, auf Startplatz elf. Ich fuhr bis auf Rang drei nach vorne. Das war eine schöne Sache."

Der erste Gedanke gilt dem Budget

Frage: "Was ging dir nach deinem ersten Crash durch den Kopf?"
Barth: "Das erste Mal, dass ich einen Unfall hatte... Ich erinnere mich an zwei Situationen, die mich sehr prägten. Die erste Szene gab es in der Formel Renault, in meinem zweiten Jahr im Automobil-Sport. Da legte ich das Fahrzeug in der Qualifikation in Imola so gegen die Wand, dass die Aufhängung unten aus dem Chassis herausgerissen wurde und ich das Rennen nicht fahren konnte."

"Damals fühlte ich mich überhaupt nicht gut. Es ärgerte mich sehr." Fredy Barth

"Einige Leute aus der Schweiz waren extra nach Imola gereist, um das Rennen zu sehen. Damals fühlte ich mich überhaupt nicht gut. Es ärgerte mich sehr. Meinen ersten richtig heftigen Unfall im Rennwagen hatte ich bei einem Formel-3-Test - noch vor der Formel Renault. Die Dichtung der hinteren Bremse flog weg. Das geschah bei meiner ersten Fahrt in einem Formel-3-Auto, während meiner ersten Saison im Rennwagen."

"Ich war sehr gut unterwegs und hatte viel Spaß, doch beim Anbremsen standen plötzlich die Vorderräder, ich rutschte geradeaus, segelte durch das Kiesbett, sauste unter drei Reifenstapeln durch und schlug ein. Ich überstand es ohne Probleme. Ich stieg sofort aus dem Auto und schaute mich um. Ich dachte: 'Mein Gott, die Karre ist komplett platt!' Zu dieser Zeit hatte ich mit meinem Budget überhaupt keine Chance, dergleichen zu bezahlen."

"Ich erkannte aber noch im Kiesbett, dass sich Öl auf der hinteren Felge befand. Ich winkte alle sofort an diese Stelle, bevor irgendetwas weggeräumt wurde, sodass der Teammanager es auch sehen konnte. So kam ich mit einem blauen Auge aus dieser Geschichte raus, würde ich sagen. Ich war aber ein bisschen geschockt, denn es war schon heftig. Generell ist es aber noch immer so: Bei jedem Crash geht der erste Gedanke sofort an das Budget."

Frage: "Wie empfandest du deinen ersten Test in einem WTCC-Auto?"
Barth: "'F*** - da ist ganz wenig Grip!' (lacht; Anm. d. Red.). Nein, ich war extrem überrascht, dass da so wenig Grip da war, wo die Fahrzeuge doch so schnell sind. Ich kam aus dem Supercopa mit breiten Rädern und gutem Grip."

"Die WTCC ist gleich schnell oder schneller, also muss da mehr Grip da sein, dachte ich mir. Auf diesen vergleichsweise kleinen Rädern fühlt es sich aber nach richtig wenig Grip an. Deswegen mein erster Gedanke: 'Mist, es gibt keinen Grip!'".

"Vom reinen Fahrgefühl her wäre das natürlich schon geil." Fredy Barth

Frage: "Wenn du dir eine Rennstrecke und ein Auto aussuchen könntest, welches Fahrzeug würdest du gerne auf welchem Kurs bewegen?"
Barth: "Die Rennstrecke wäre entweder die Nordschleife oder Spa-Francorchamps."

"Als Auto würde ich mir einen schönen GT3- oder GT2-Rennwagen wünschen. So etwas in dieser Art. Vom reinen Fahrgefühl her wäre das natürlich schon geil. Es braucht kein Formel-1-Fahrzeug oder kein Formelauto sein. Ein gut abgestimmter GT3 macht auf einer solchen Strecke unheimlich viel Spaß."¿pbvin|0|4022||0|1pb¿

Nicht nur Siege bleiben in Erinnerung

Frage: "Was würdest du als dein bisher bestes Rennen bezeichnen?"
Barth: "Das ist schwierig. Es gibt nämlich sehr wenige Situationen, in denen ich als Fahrer das Gefühl habe, wirklich einen super Job gemacht zu haben. Im vergangenen Jahr gab es aber einige Situationen, die mich sehr freuten. Ich wurde darin bestärkt, dass ich in meiner ersten Saison in der Tourenwagen-WM so weit vorne mitfahren kann."

"Marrakesch zum Beispiel, Valencia blieb mir ebenfalls sehr stark in Erinnerung. Auch in Macao war der Speed da, wenngleich die Ergebnisse dort überhaupt nicht passten. Das sind für mich die Resultate, an denen ich mich hochziehe. Die besten Rennen sind sicherlich Siege. Im Rahmen der DTM gewann ich einmal in Zandvoort. Das war sehr schön. Ich hatte ein gutes Gefühl und eine klasse Geschwindigkeit. Das blieb mir gut in Erinnerung."

"Es gibt gewisse Eigenschaften, die ich bei einzelnen Fahrern bewundere." Fredy Barth

Frage: "Wer ist dein Motorsport-Idol oder -Held?"
Barth: "Gabriele Tarquini (lacht; Anm. d. Red.). Nein, ein direktes Vorbild in diesem Sinne habe ich nicht. Es gibt gewisse Eigenschaften, die ich bei einzelnen Fahrern bewundere. Einer kann sich super auf die Qualifikation konzentrieren, einer ist ungeheuer stark im Zweikampf, einer versteht es prima, das Fahrwerk abzustimmen. Jeder hat halt seine Stärken und eben diese bewundere ich an einzelnen Personen."

"Für mich ergibt sich daraus ein Idealbild eines Rennfahrers, das aber so wahrscheinlich nicht existiert. Gabriele ist wirklich beeindruckend: in dem Alter noch so schnell unterwegs zu sein, diese technische Gabe zu haben und jedes Detail zu kennen. Er weiß zu jeder Zeit, wie er sich auf der Strecke verhalten muss, jeder Gasstoß und jedes Bremsmanöver sind wohldosiert. Das ist unglaublich."

"Ich finde ihn sehr faszinierend, was früher aber nicht der Fall war. Mittlerweile: Wenn ich einmal 50 Jahre alt bin und noch so schnell unterwegs wäre, würde ich mich freuen. Es gibt allerdings auch gewisse Punkte, die ich nicht haben will. Ich will auch niemanden auf den Olymp hochstellen. Momentan gehört Gabriele aber zu meinen Favoriten, von denen man sich vieles abschauen kann. Das muss ich ja auch tun."

Kennt ein Rennfahrer überhaupt Angst?

Frage: "Hast du im Auto schon einmal Angst verspürt?"
Barth: "Schwierig zu sagen. Es gibt Momente, wenn du gerade am Abfliegen bist, in denen du durchaus tief Luft holst. Es ist aber weniger die Angst um dich selbst, um die Schmerzen oder den Unfall, sondern Gedanken über ein verbocktes Qualifying oder Rennen oder das Budget."

"Auf einem Stadtkurs denkst du dir schon einmal 'Was wäre, wenn?'" Fredy Barth

"Es gibt durchaus Situationen, in denen du mit den Gedanken abschweifst. Auf einem Stadtkurs denkst du dir schon einmal 'Was wäre, wenn?'. Wirklich Angst ist das nicht. Du schiebst dergleichen halt wieder beiseite und konzentrierst dich auf das, was du tust. Entweder setzt du dich ins Auto und fährst und lässt Wenn und Aber weg oder du entschließt dich dazu, nicht zu fahren. Angst habe ich nicht."

"Ich hatte mal einen recht heftigen Kartunfall. Danach lag ich lange Zeit im Krankenhaus und die Ärzte wollten mir zunächst sogar das Bein amputieren. Die Operation dauerte 15 Stunden, weil es sehr umfangreich war. Ich kann mich gut daran erinnern, wie ich nach all dem zum ersten Mal wieder im Kart saß. Ich hatte zwar keine Angst, aber mein gesamter Körper sträubte sich dagegen."

"Schlimmste beim Fahren ist wohl der Druck, den man sich selbst macht." Fredy Barth

"Nach nur zehn Minuten war ich so kaputt, dass ich das Gefühl hatte, nicht mehr weiter zu können. Ich musste noch einmal fahren, um zu begreifen, dass das nicht physisch, sondern psychisch war. Da verspürte ich wahrscheinlich so etwas wie Angst. Das Schlimmste beim Fahren ist ansonsten aber wohl der Druck, den man sich selbst macht. Die eigene Erwartungshaltung zu erfüllen macht mir manchmal mehr Angst als das Fahren an sich."

Frage: "Welche Schlagzeile würdest du gerne einmal über dich lesen?"
Barth: "Keine Ahnung. Bei solchen Sachen halte ich mich eigentlich lieber zurück. Ich nehme es so, wie es kommt. An positiven Schlagzeilen habe ich aber sicher mehr Freude als an negativen."

Ein kleines Nickerchen vor dem Start...

Frage: "Was geht dir kurz vor dem Rennstart durch den Kopf?"
Barth: "Ich versuche, mich da schon herunterzufahren. Bei allem, was ich tue - ich arbeite immer unter extremem Druck. Sei es zeitlich, sei es finanziell, weil wir alles selbst stemmen müssen. Bei all dem ist die sportliche Erwartung an mich selbst die größte. Dementsprechend setze ich mich manchmal vielleicht zu sehr unter Druck."

"Ich konzentriere mich nach vorne." Fredy Barth

"Für mich ist daher mehr das Thema, dass ich mich da zurückschrauben muss. Ich muss dieses Gefühl wegschieben, um mich zu konzentrieren. Ich versuche, das vor dem Fahren hinzukriegen. Ich lege mich zum Beispiel immer in eine Ecke und schlafe ein bisschen. Direkt vor dem Start geht es dann darum, den Fokus auf das zu richten, was jetzt kommt, was ich zu tun habe."

"Ich spiele im Kopf auch diverse Szenen durch, wo ich überholen kann und dergleichen. Es gibt schon eine Art Ritual. Man schaut nach vorne und überlegt, wie man an seinen Vorderleuten vorbeigelangen könnte. Ich schaue nicht großartig nach hinten, denn wenn ich einen guten Start erwische, müssen meine Hintermänner probieren, an mir vorbeizugehen. Ich konzentriere mich daher nach vorne."

Frage: "Was ist deine schönste Erinnerung aus deiner bisherigen Karriere?"
Barth: "Das sind zwei Sachen. Zum einen: Als ich im vergangenen Jahr in Curitiba an- und aus dem Flughafen herauskam, realisierte ich: 'Wow, jetzt fahre ich in der WTCC.' Ich hatte es irgendwie hingekriegt, dahinzugelangen - mit meinen Sponsoren, mit all den Leuten über diese ganzen Jahre. Ich war noch nicht einmal an der Rennstrecke, sondern stand noch am Flughafen."

"Das war ein irres Gefühl." Fredy Barth

"Zuvor war ich noch nie in Brasilien oder Südamerika gewesen. Jetzt konnte ich dank Sponsoren und dank einiger Personen, die mich dabei unterstützen, für meine Teilnahme in der Weltmeisterschaft dorthin reisen. Das war ein irres Gefühl. Es war nicht die Tatsache an sich oder das Fahren auf der Rennstrecke, sondern der Umstand, einer der Wenigen zu sein, die so etwas machen können. Das ist genial, das ist gigantisch."

"Zum anderen: Zu wissen, dass ich als Fahrer das Potenzial habe, wenn ich die Sache sauber zusammenkriege, ganz vorne an der Weltspitze mitfahren zu können. Das ist für mich sehr, sehr befriedigend. Jahr für Jahr kämpft man darum, jeden Euro zusammenzukriegen, macht viel mit Medien und den Sponsoren, glaubt an sich selbst. Das ist dann die Bestätigung, dass es der richtige Weg war."

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