• 29.09.2008 20:05

  • von Stefan Ziegler

Hintergrund: Wenn der Regen kommt...

In Imola 2008 schien sich kurz vor dem Start ein Niederschlag anzukündigen - wie eiskalt hätten der Regen die WTCC-Rennställe wirklich überrascht?

(Motorsport-Total.com) - Um dieser Frage nachzugehen, suchte 'Motorsport-Total.com' die Box des BMW Teams Germany auf und sprach mit dem Technischen Direktor Charly Lamm über plötzliche Wetterwechsel an einem Rennwochenende. Während die Zuschauer auf den nicht überdachten Tribünen am Rande des 'Autodromo Enzo e Dino Ferrari' schon vereinzelt ihre Regenschirme aufklappten, gab Lamm einen ausführlichen Einblick in das Thema Regenabstimmung - mit dem man sich in Imola aber doch nicht auseinandersetzen musste.

Titel-Bild zur News: Charly Lamm

Charly Lamm sprach mit 'Motorsport-Total.com' über das Regensetup

Was kann man als Rennstall aber tun, wenn wenige Minuten vor dem Start der Himmel urplötzlich seine Schleusen öffnet? "Wir antizipieren das natürlich und - salopp gesagt - haben wir natürlich auch ein Regenfahrwerk in der Schublade", meinte Lamm und erläuterte die Vorgänge in der Boxengasse bei einem Wetterumschwung. "Binnen 15 Minuten sollte man da reagieren können."#w1#

Was ist zu tun bei plötzlichem Regen?

Doch ganz so einfach ist es freilich nicht, denn nur mit dem Ändern des Fahrwerks ist es in der WTCC nicht getan: "Dann braucht's auch noch einen Federwechsel, denn mit weicheren Federn kann man versuchen, im Nassen mehr Grip zu generieren. Auch die Stabilisatoren werden weicher eingestellt oder sogar komplett ausgehängt", erläuterte Lamm. "Nicht zuletzt kommen dann andere Reifen zum Einsatz."

"In der WTCC stellt Yokohama einen Slickreifen und einen Regenreifen zur Verfügung. Dabei hat man wiederum die Auswahl, ob man angefahrene oder neue Regenreifen aufziehen lässt - das kommt aber ganz auf die Situation an. Würden wir jetzt vor die Tür gehen, dann könnten wir sehen, dass die Regenreifen alle in den Heizdecken stecken und auf Temperatur gebracht werden. So bereitet man sich darauf vor und muss dann innerhalb von 15 Minuten den Wechsel vollzogen haben."

"Das heißt: Eine Viertelstunde vor Öffnung der Boxengasse muss die Mannschaft Bescheid wissen, was Sache ist", sagte Lamm - doch ganz zuverlässig sind die Vorhersagen in Bezug auf Regen nicht immer. "Zum Glück hat die Natur noch ihre eigenen Gesetze", merkte der Technische Direktor an. "Aber 15 Minuten vor dem Rausfahren sollte man schon wissen - fällt denn nun Regen oder fällt keiner."

Die optimale Temperatur ist entscheidend

"Auf diese Situation stellt man sich dann eben ein. Natürlich kann man dann auch einen Kompromiss eingehen. Zum Beispiel, wenn der Fahrer sagt, dass er im Trockenen genauso mit einem weichen Fahrwerk fahren kann. Dementsprechend würde man das Trockensetup eben auf ein weiches Fahrwerk stellen. Die Regenperformance ist aber auf alle Fälle ein Punkt, der uns gelegentlich schon Sorgen macht."

"Manchmal ist man wirklich am Rätseln und am Zweifeln. Aber selbst in der Formel 1 mit ihren riesigen Ingenieurskapazitäten kann es vorkommen, dass der Ferrari Regenreifen aufzieht und die Gummis einfach nicht auf Temperatur bekommt", gab Lamm zu Bedenken - siehe Monza. "Das zeigt aber schon, wie sensibel dieses Thema ist. Wir haben dieses Phänomen ebenfalls festgestellt. Mit den Regenreifen kannst du in einen positiven oder einen negativen Kreislauf reinkommen."

"Natürlich dürfen Regenreifen auch vorgeheizt werden, nur muss man da speziell aufpassen, weil die ja sehr temperaturempfindlich sind. Der Regenreifen funktioniert in einem optimalen Temperaturfenster von 30 bis 40 Grad Celsius, wobei man natürlich bedenken muss, dass der Pneu ja durch Spritzwasser und den Regen an sich abkühlt. Wir der Reifen zu heiß, dann fängt er an zu schmieren und dann haftet der Gummi einfach nicht mehr."

"Dann kommt es auf das Fahrwerk an, den Reifen auf Betriebstemperatur zu bringe oder zu halten - je nach dem. Passt das, dann kann der Fahrer den Reifen belasten und der Grip bleibt bestehen. Wir der Reifen kalt, dann fängt der Reifen an zu rutschen und man kann ihn nicht belasten", erklärte Lamm und brachte es abschließend noch einmal treffen auf den Punkt: "Das Geheimnis ist einfach, in dieser positiven Schiene zu fahren."