Coronel im Interview: "Damit muss ich klarkommen"
SEAT-Pilot Tom Coronel im exklusiven Interview mit 'Motorsport-Total.com' über die jüngsten Rennen und seine persönliche Saisonbilanz
(Motorsport-Total.com) - Tom Coronel ist immer für eine Überraschung gut - nicht zuletzt in der Tourenwagen-Weltmeisterschaft WTCC, wo der Niederländer regelmäßig für Furore sorgen kann. In Oschersleben schlug der SEAT-Fahrer der Konkurrenz ein Schnippchen und fuhr auf's Siegerpodest, in Imola und Monza lief daraufhin nicht viel für Coronel zusammen. 'Motorsport-Total.com' traf den Rennfahrer am Rande der Veranstaltung in Monza und befragte ihn ausführlich zu seinen bisherigen Saisonleistungen.

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Jubelsprung: In Oschersleben kletterte Tom Coronel als Dritter auf das Podium
Frage: "Tom, sprechen wir über deine Erfahrungen in Oschersleben. Dort bist du auf dem Podium gelandet..."
Tom Coronel: "Ja, das war eine unglaubliche Erleichterung für mich. Um mit diesem Wagen ein solches Ergebnis einzufahren, hat es natürlich auch etwas Glück gebraucht, wie ich finde. Wir waren allerdings schon in den Freien Trainings schnell unterwegs und lagen daraufhin auch im Qualifying lange weit vorne. Da habe ich schon meine Chancen gerochen."#w1#
Coronel in Okayama stark?
"Danach war es wie eine Achterbahnfahrt für mich, denn nach dem Check bei den Rennkommissaren wollte mein Wagen nicht mehr anspringen. Daher wurde ich in der Startaufstellung fünf Plätze zurückgestuft. Zuerst war ich also vorne, dann musste ich nach hinten, dann kam ich wieder vor - und irgendwann steht das Ergebnis schließlich fest. Im Rennen war ich sogar schneller als Porteiro (Félix Porteiro; Anm. d. Red.), doch in Oschersleben ist Überholen einfach schwierig."
"Ich denke, dass es für mich zwei oder drei Kurse gibt, wo ich mit meinem Auto Punkte holen kann. Das wäre zum einen Mexiko - wo ich Vierter und Fünfter geworden bin, Oschersleben und möglicherweise Japan. Dort habe ich vielleicht die Chance, ein paar WM-Zähler abzugreifen. Auf allen anderen Strecken ist es für gewöhnlich unmöglich für mich, in die Punkte zu fahren. Dafür habe ich einfach zu wenig Pferdestärken unter der Haube. Aber so ist das halt."
Frage: "Dein Wochenende in Oschersleben war also ziemlich gut, doch in Imola hast du daraufhin einen Nuller geschrieben..."
Coronel: "Imola war richtig schlecht für mich. Ich hatte massive Probleme mit meinem Motor, was man ganz einfach an den Topspeedwerten ablesen kann. Das Aggregat kam schlicht und ergreifend nicht auf Touren. Schlussendlich hat sich dann herausgestellt, dass die Probleme im Inneren des Motors lagen - das hat mich wohl zwischen 15 und 20 Pferdestärken gekostet. Mit so einer Maschine kann man natürlich keine Rennen bestreiten. Ich musste den Motor einfach wechseln lassen, denn der war komplett im Eimer."
Oschersleben als besonderes Highlight
Frage: "Du hast eben dein Geschwindigkeitsdefizit angesprochen. Ist das ein generelles Problem deines nicht-Dieselfahrzeugs?"
Coronel: "Das Problem ist, dass dieser Motor schon maximal entwickelt ist. Das ist auch einer der Gründe, warum SEAT sich dem Diesel gewidmet hat. Das ist die Erklärung. Der Motor ist an seinem Limit und da hast du dann einfach nicht den Topspeed, den du gerne hättest. Das ist der eine Punkt und die andere Erklärung dafür ist die Aerodynamik des Wagens. Das Heck ist ziemlich abfallend gestaltet, weswegen wir hinten jede Menge Turbulenzen generieren. Damit kannst du nicht viel anstellen."
"Aber ich möchte mich nicht darüber beschweren, so sieht der Wagen nun einmal aus. Damit muss ich klarkommen. Ich sage oft, dass ich mich in einer sehr privilegierten Lage befinde, denn ich bin einer von nur 30 Piloten, die in der WTCC fahren dürfen. Ich habe einige Freunde, die zuhause herumsitzen und ebenfalls gute Rennfahrer sind. Ich sage mir also immer: 'Beschwere dich nicht sondern komm' mit dem zurrecht, was du hast.' So läuft das."
Frage: "Wie würdest du deine Saison bislang einschätzen?"
Coronel: "Meine Saison war bis dato eigentlich recht gut. Im vergangenen Jahr war ich viermal Vierter und hätte eigentlich drei Podien erreichen wollen. Ich war also immer nah dran, doch irgendwie hat es nicht sein sollen. In dieser Saison sah ich keine Möglichkeit für mich, ein gutes Ergebnis zu erzielen - und prompt hat es geklappt! Der zweite Platz in Oschersleben war schon sehr außergewöhnlich."
"Wir hatten dort viele Gäste um uns herum, weil die Strecke recht nahe bei meiner Heimat liegt. Das war sicherlich eines meiner Highlights. Normalerweise bin ich in Macau auch immer sehr gut unterwegs, was übrigens auf Straßenkurse allgemein zutrifft. Auch Mischbedingungen liegen mir gut, daher hoffe ich immer etwas darauf. Mit dem Team bin ich jedenfalls sehr zufrieden. Das ist eine starke Truppe und viel besser, als ich zu Saisonbeginn gedacht hätte."
Coronel wünscht sich einen Werkswagen
"Sie kennen sich mit dem Wagen einfach aus, vor allem mein Ingenieur. In Imola haben sie zum Beispiel im Parc Fermé mein Getriebe ausgewechselt - und zwar blitzschnell! Ich war total verdaddert und konnte das kaum glauben: Auf einmal stand ich mit einem neuen Getriebe in der Startaufstellung. Das war also absolut beeindruckend. Ich hoffe wirklich sehr, dass ich weiterhin in der WTCC am Start sein kann, denn SEAT Holland ist sehr enthusiastisch und unterstützt mich sehr."
"Ich bin schon seit 2001 dabei und bräuchte nur ein einziges Mal einen Werkswagen - darauf warte ich. Einmal wurde ich von BMW unterstützt, als Jörg Müller hier in Monza um die Meisterschaft gekämpft hat. Ich wurde damals Zweiter und Dritter und habe Jörg meinen Windschatten gespendet, als er das Rennen für sich entschieden hat. Ich würde einfach gerne eine Saison lang im Werkswagen sitzen - mehr verlange ich gar nicht."
"Ansonsten befinde ich mich buchstäblich im Nirgendwo. Man erlaubt mir nicht, in der Privatfahrer-Wertung zu starten, weil man mir sagt: 'Du würdest diese Meisterschaft nur zu leicht für dich entscheiden.' Dabei bin ich doch Privatier! Es hat überhaupt nichts mit Werksunterstützung zu tun, wirklich gar nichts. Daher möchte ich eines Tages in einem Werksauto sitzen. Das ist mein großes Ziel."
Frage: "Was gefällt dir persönlich an der WTCC?"
Coronel: "Die Rennen sind sehr eng und spannend, verschiedene Hersteller kämpfen gegeneinander, es handelt sich um normale Straßenwagen, die Rennen sind kurze Sprints - das macht das Ganze sehr explosiv, denn man hat nur zwölf Runden. Das ist es auch, was die WTCC für die Öffentlichkeit interessant macht. Das ist viel beeindruckender als andere Rennserien, die der WTCC nahe stehen. Hier gewinnt immer ein anderer Fahrer, es gibt reichlich Lackaustausch und Rempeleien - das ist gut für die Show."

