WEC Sao Paulo 2024: Toyota dominiert, erster WM-Punkt für Mick!
Toyota fährt in Interlagos allen um die Ohren, verpasst aber den Doppelsieg wegen eines ärgerlichen Defekts - Mick Schumacher holt ersten Punkt in der WEC
(Motorsport-Total.com) - Zum ersten Mal in der WEC-Saison 2024 gab es Bilder, die an vergangene Jahre in der Langstrecken-Weltmeisterschaft erinnerten: Toyota dominierte die 6 Stunden von Sao Paulo nach Belieben. Sebastien Buemi, Brendon Hartley und Ryo Hirakawa fuhren im Autodromo Jose Carlos Pace einen überlegenen Sieg mit 1:08.811 Minuten Vorsprung ein. (Ergebnis)
© Motorsport Images
Toyota holte seinen zweiten WEC-Saisonsieg und den ersten für die #8 Zoom
Allerdings war es ein bittersüßer Sieg, denn Toyota verpasste die mit Abstand beste Chance der bisherigen Saison auf einen Doppelsieg. Der in der Meisterschaft besser platzierte Toyota #7 (Kobayashi/Lopez/de Vries) hatte einen technischen Defekt, der das Trio den sicheren Sieg kostete.
Die Toyota GR010 Hybrid waren auf der brasilianischen Formel-1-Strecke eine Klasse für sich. Der frisch genesene Mike Conway fuhr in der #7 zu Beginn des Rennens einen hervorragenden Doppelstint, der allerdings mit einem Schönheitsfehler behaftet war: Er war bei einer Full-Course-Yellow (FCY) zu Beginn des Rennens zu schnell und erhielt eine Durchfahrtsstrafe.
Doch er bügelte den Fehler selbst aus und setzte sich noch vor Ende seines Stints wieder an die Spitze, während Brendon Hartley in der #8 mit den Reifen zu kämpfen hatte und kurzzeitig sogar den zweiten Platz an den Porsche #5 (Campbell/Christensen/Makowiecki; 3.) abgab - allerdings nur für kurze Zeit.
Endgültig vorbei war die Herrlichkeit der #7 nach zwei Stunden: Der Toyota musste an die Box, um ein Steuergerät der Benzinversorgung zu wechseln. Das kostete drei Minuten und warf die #7 aus der Führungsrunde. Die #8 fuhr nun einem ungefährdeten Sieg entgegen.
Die #7 kämpfte sich durch das Feld zurück und zeigte, wie dominant Toyota an diesem Sonntag war. Bis ins Ziel kämpften sich Conway, Nyck de Vries und Kamui Kobayashi wieder bis auf den vierten Platz vor.
Das Rennen war geprägt von vielen Überholmanövern und einem undurchsichtigen Rennverlauf. Grund dafür war der enorme Reifenverschleiß im Autodromo Jose Carlos Pace. Der zehn Jahre alte Asphalt wirkte auf die Beteiligten viel älter, als er tatsächlich war.
Durch eine große Vielfalt an Strategien gab es fast pausenlos Zweikämpfe, wobei die Reihenfolge nicht immer leicht nachzuvollziehen war. Das Rennen hatte echten Langstreckencharakter.
Porsche stark, eliminiert sich aber selbst
Die Fahrt zum Sieg wäre für die #8 wohl weit weniger entspannt verlaufen, hätten sich die beiden schnellsten Porsche nicht gegenseitig aus dem Kampf um den Sieg geschossen. Die Porsche 963 waren klar die zweitstärkste Kraft.
Bereits nach 40 Minuten kollidierten der Porsche #6 (Estre/Lotterer/L. Vanthoor; 2.) und der Jota-Porsche #12 (Stevens/Ilott/Nato; 18.). Der Werks-Porsche musste mit einem Reifenschaden an die Box, der Jota-Porsche erhielt eine 30-Sekunden-Stop-and-Go-Strafe.
Die #6 war das einzige Fahrzeug, das die Pace des Toyota einigermaßen mitgehen konnte. So fuhr das Trio noch sensationell auf den zweiten Platz vor und überholte dabei die Teamkollegen, die bereits vor dem Rennen ihre Hilfe zugesagt hatten. Platz drei durch die #5 rundete ein dennoch erfolgreiches Wochenende für Porsche Penske Motorsport ab.
Auch der Jota-Porsche #12 war wieder auf dem Weg nach vorne, doch eine Stunde vor Schluss setzte Callum Ilott den 963 zum wiederholten Male in die Mauer. Im Gegensatz zu seinem Trainingsunfall in Le Mans blieb das Chassis diesmal intakt, doch der Wechsel der Heckpartie kostete zwei Runden und damit alle Chancen auf Punkte in der Gesamtwertung.
Der Sieg in der Wertung der Hypercar-Privatteams ging somit an den Jota-Porsche #38 (Button/Hanson/Rasmussen; 7.) rund um Ex-Formel-1-Weltmeister Jenson Button. Dennoch wird das Trio enttäuscht sein.
Mit einem sauberen Rennen war man mit Platz vier auf dem Weg zum mit Abstand besten Saisonergebnis, doch zehn Minuten vor Schluss wurde eine Strafe wegen zu geringer Reifendrücke an der Hinterachse ausgesprochen. Die Durchfahrtsstrafe kostete drei Plätze, wenn auch nicht den Sieg in der Subklasse.
Ferrari ohne Chance
Die Le Mans-Sieger konnten sich in Interlagos nicht in Szene setzen. AF Corse hatte bereits vor dem Rennen angekündigt, dass dem Ferrari 499P der Rennspeed fehlen würde. Dennoch fuhren beide Werksautos auf den Plätzen fünf und sechs mit einem fehlerfreien Rennen in die Punkteränge. Lediglich der Ferrari #51 (Pier Guidi/Calado/Giovinazzi; 5.) leistete sich wegen desselben FCY-Vergehens wie Conway eine Durchfahrtsstrafe.
Der privat eingesetzte AF-Corse-Ferrari #83 (Kubica/Schwarzman/Ye; 11.) machte hingegen von sich reden. Von Startplatz 15 ins Rennen gegangen, erwies sich der Bolide als äußerst reifenschonend und lag zwischenzeitlich immer wieder in den Top 5, war aber strategisch antizyklisch unterwegs, was zu Kollisionen führte.
Zunächst wurde Robert Kubica von Julien Andlauers Proton-Porsche #99 (Jani/Andlauer; 15.) umgedreht, was seine Ambitionen auf Punkte in Form einer Strafe beendete. Mick Schumacher hatte dahinter Glück, nicht in den Unfall hineingezogen zu werden.
Nur wenige Minuten später wurde das Opfer zum Täter: Yifei Ye drehte den BMW #20 (S. van der Linde/Frijns/Rast; 14.) um und kassierte eine Durchfahrtsstrafe. Interessanterweise für ein Vergehen, für das der Ferrari #51 in Le Mans nur mit fünf Strafsekunden belegt wurde.
Während die #20 damit alle Chancen auf Punkte verlor, sammelte der BMW #15 (D. Vanthoor/Marciello/Wittmann; 9.) noch zwei Zähler - hinter dem Peugeot #93 (Vergne/Jensen/Müller; 8.), der damit das beste Ergebnis für den Peugeot 9X8 2024 einfuhr. Nach der Enttäuschung im Qualifying zeigte sich Peugeot im Rennen konkurrenzfähiger.
Knoten für Mick Schumacher geplatzt
Mit Platz zehn holte der Alpine #36 (Lapierre/Schumacher/Vaxiviere) seinen ersten Punkt. Für Mick Schumacher war es der erste Punkt in der WEC. Der Deutsche fuhr den Eröffnungsstint und lieferte sich spektakuläre Zweikämpfe. Signatech Alpine entschied sich beim ersten Boxenstopp gegen einen Reifenwechsel, sodass Schumacher in der Folge einen Abwehrkampf führen musste.
Seine Teamkollegen brachten den Alpine A424 diesmal ohne Motorprobleme über die Distanz und in die Punkteränge, gefolgt vom Schwesterauto #35 (Chatin/Habsburg/Milesi; 12.). Diese versuchten nach einem Dreher von Paul-Loup Chatin zu Beginn die Taktik von Katar und fuhren spritsparend. Dies zahlte sich jedoch nicht wie beim WEC-Saisonauftakt aus, als sie über eine längere Distanz einen kompletten Stopp einsparen konnten.
Keine Reise wert war Brasilien für den Cadillac #2 (Bamber/Lynn; 13.). Der US-Bolide sah im Training sehr stark aus, kam aber mit den deutlich wärmeren Bedingungen im Rennen überhaupt nicht zurecht. Weniger überraschend war das schwache Abschneiden des Lamborghini #63 (Bortolotti/Mortara/Kwjat; 17.), das sich bereits in den Trainings abgezeichnet hatte.
Der Isotta Fraschini #11 (Vernay/Serravalle/Bennett; DNF), der in Le Mans noch problemlos die 24 Stunden überstanden hatte, kam in Brasilien nicht über die 6-Stunden-Distanz. Motorprobleme zwangen das Hypercar an die Box.
Vierter Sieg für Manthey, bitteres Aus für "Iron Dames"
Manthey drückt der LMGT3-Klasse weiter seinen Stempel auf. Joel Sturm, Alexander Malichin und Klaus Bachler holten den vierten Sieg im fünften Rennen für den Porsche 911 GT3 R LMGT3 und übernahmen nach der Enttäuschung von Le Mans wieder die Führung in der Gesamtwertung.
Das Rennen in der LMGT3-Kategorie war vor allem in der Anfangsphase eine wilde Angelegenheit. Nach mehreren Kollisionen in den ersten zehn Minuten gab es sogar eine FCY.
Mittendrin war Yasser Shahin im Manthey-Porsche #91 (Shahin/Schuring/Lietz; 12.), der in der ersten Stunde in mehrere Rangeleien verwickelt war. Nach Reparatur und Strafe blieb der Porsche #91 ohne Punkte und gab die Führung in der Gesamtwertung nach dem Le-Mans-Sieg wieder an die Teamkollegen ab.
Schnell kristallisierten sich zwei Favoriten heraus: Die von der Poleposition gestarteten "Iron Dames" im Iron-Lynx-Lamborghini #85 (Bovy/Frey/Gatting; DNF) und der später siegreiche Porsche #92. Malichin ging nach 90 Minuten an Sarah Bovy vorbei und übernahm die Führung. In der Folge setzte sich der Porsche langsam ab.
In der vierten Stunde kam es für die "Iron Dames" knüppeldick. Ein Schaden am Kühlsystem legte den Lamborghini Huracan GT3 Evo2 lahm und sorgte für das vorzeitige Aus. Nach dem Sieg in der europäischen Le-Mans-Serie (ELMS) am vergangenen Wochenende war dies ein herber Rückschlag.
Für Manthey Pure Rxcing war das Rennen aber noch nicht gewonnen, denn mit dem Heart-of-Racing-Aston-Martin #27 (James/Mancinelli/Riberas; 2.) tauchte ein Herausforderer auf. Doch in der letzten Stunde schlug das Pendel klar in Richtung Porsche aus.
Ein deutlich längerer letzter Stopp und eine Durchfahrtsstrafe wegen eines Vergehens in der letzten der drei relativ kurzen FCY-Phasen sorgten dafür, dass sich der Aston Martin mit Rang zwei begnügen musste.
Die beiden McLaren 720S GT3 von United Autosports setzten ihr starkes Wochenende auch im Rennen fort und erzielten mit den Plätzen drei und vier das beste Ergebnis des noch jungen Projekts. Lokalmatador Nicolas Costa im United-Autosports-McLaren #59 (Cottingham/Costa/Saucy; 4.) musste bei der Siegerehrung allerdings seinen Teamkollegen im #95 (Caygill/Pino/Sato; 3.) zuschauen.
Als Fünfter kam der WRT-BMW #46 (Al Harthy/Rossi/Martin) rund um Valentino Rossi ins Ziel. Maxime Martin fand in der Schlussphase keinen Weg mehr an Costa vorbei und hatte nur 0,7 Sekunden Rückstand.
Den einzigen Ausfall neben Isotta Fraschini und den "Iron Dames" hatte die TF-Sport-Corvette #82 (Koizumi/Baud/Juncadella; DNF) zu beklagen, die nach knapp vier Stunden ohne Vortrieb stehen blieb.
Die WEC 2024 wird am 1. September mit dem Lone Star Le Mans in Austin fortgesetzt. Dort ist mit einem Hitzerennen zu rechnen.
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