Endlich wieder Podium! Mick Schumacher: "Gefühl schon vergessen"

Mick Schumacher ist nach seinem ersten Podiumsplatz seit seinen Formel-2-Tagen locker drauf wie selten - Alpine in der WEC jetzt sogar siegfähig?

(Motorsport-Total.com) - Der Knoten ist geplatzt! Mit seinem ersten FIA-Podestplatz seit dem Sprintrennen der Formel 2 in Sotschi am 27. September 2020 ist Mick Schumacher endgültig in der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) angekommen - und mit ihm das gesamte Projekt von Signtech und Alpine mit dem A424 Hypercar inklusive seiner Teamkollegen Nicolas Lapierre und Matthieu Vaxiviere.

Titel-Bild zur News: Mick Schumacher feiert den Podiumsplatz auf dem Fuji Speedway mit Nicolas Lapierre und Matthieu Vaxiviere

Mick Schumacher feiert den Podiumsplatz auf dem Fuji Speedway Zoom

"Ich wusste gar nicht, was ich da oben tun sollte", lacht der 25-Jährige, dem mit Platz drei bei den 6 Stunden von Fuji sichtlich eine Last von den Schultern gefallen ist. Locker wie selten stellte er sich den Interviewfragen. "Was habe ich diesen Geruch vermisst! Er ist ein bisschen eklig, aber ich habe ihn vermisst", sprudelt er über die erste Champagnerdusche seit fast vier Jahren.

Vorausgegangen war eine sensationelle Aufholjagd, denn Mick Schumacher hatte seine Hoffnungen auf einen Podestplatz eigentlich schon nach dem ersten Stint begraben. Er kassierte eine Durchfahrtsstrafe, weil er bei Gelb nicht ausreichend verzögert hatte. Diese warf ihn und seine Teamkollegen Nicolas Lapierre und Matthieu Vaxiviere aus den Punkterängen.


Fotos: WEC 2024: 6 Stunden von Fuji, Rennen


Doch damit nicht genug, denn mit einem Podiumsplatz hätte die Crew der #36 auch ohne Strafe nie und nimmer gerechnet: "Es war diesmal wirklich hart. Wir sind mit dem meiner Meinung nach schlechtesten Auto [in das Wochenende] gestartet, das wir in diesem Jahr hatten. Wir haben wirklich viel mit dem Auto gekämpft und hatten kein wirkliches Vertrauen."

Die #36 war vor allem im Qualifying deutlich langsamer als das Schwesterauto #35 (Gounon/Habsburg/Milesi), das seinerseits durch eine Durchfahrtsstrafe wegen einer Berührung beim Überrunden aus den Podesträngen geworfen wurde.

"In der #36 hatten wir aus irgendeinem Grund etwas mehr zu kämpfen. Das hat man auch an der Pace im Vergleich zur #35 gesehen. Ich denke, wir haben noch eine Menge Hausaufgaben zu erledigen und sollten ein wenig recherchieren, ob sie etwas anders machen", mahnt er an.

Harte Kämpfe mit Mortara und Nato

Auf dem Weg zum Podium fuhr Schumacher, der längst zum Chefpiloten der #36 avanciert ist, die Hälfte des Rennens - eine Stunde zu Beginn und zwei am Ende. Zunächst lieferte er sich ein spektakuläres, aber faires Duell mit Edoardo Mortara im Lamborghini #63 (Bortolotti/Mortara/Kwjat).

In der Schlussphase ging es im Feld drunter und drüber, Fahrzeuge mit unterschiedlichsten Reifenaltern trafen aufeinander. Schumacher hatte für den letzten Stint zwei frische Reifen links zur Verfügung. Vom zwölften Platz nach dem letzten Restart ging es bis aufs Podium, dabei halfen Kollisionen und Durchfahrtsstrafen von Gegnern, aber auch, dass sich Schumacher im entscheidenden Moment im Zweikampf durchsetzen konnte.

Noch etwas fremd sind ihm die Bandagen: "Ich bekomme immer mehr Selbstvertrauen, wie man in der WEC kämpfen muss. Dass es so hart zur Sache geht, habe ich definitiv nicht erwartet, aber die Autos sind ziemlich robust. Es ist ein bisschen wie in den guten alten Kart-Tagen. Ich hatte viel Spaß da draußen."


Zweikampf Mick Schumacher vs. Edoardo Mortara

Dass Norman Nato im Jota-Porsche saß, wusste er nicht. Der Franzose war auf dem besten Weg, für Jota Sport den Titel in der Subwertung für private Hypercar-Teams zu holen. Das hielt ihn nicht davon ab, sich mit Schumacher einen harten Kampf zu liefern.

"Alle da draußen sind hoch professionell, sie kämpfen am Limit - ich auch", sagt Schumacher. "Manchmal geht man über das Limit hinaus, das ist normal. Und als er mich mitten auf der Geraden angerempelt hat, habe ich mir gedacht: 'Oha, das ist nicht gerade ein Kampf wie im Formelsport.' Aber es war fair und wie gesagt, ich gewöhne mich daran und habe Spaß an den Kämpfen."

Seinen Gegner kannte er zwar nicht, wohl aber seine Reifen: "Ich wusste, dass ich mit zwei frischen Reifen einen Reifenvorteil hatte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ich mich in die richtige Position bringen würde."

Im Zweikampf mit Norman Nato ging es hart, aber fair zur Sache

Im Zweikampf mit Norman Nato ging es hart, aber fair zur Sache Zoom

Das Podium war aber noch nicht sicher, denn in der Schlussphase zog Peugeot einen Joker und gab Mikkel Jensen in der #93 (Vergne/Jensen/Müller) vier frische Reifen. "Ich habe mir deswegen schon etwas Sorgen gemacht. Die hatten plötzlich mit vier neuen Reifen eine richtig gute Pace", gibt er zu.

"Aber wir haben uns gut geschlagen und uns und die Bedingungen gut im Griff gehabt. Das Team hat einen tollen Job gemacht und ich denke, wir können wirklich, wirklich zufrieden sein. Das Team hat während des gesamten Rennens eine gute Strategie verfolgt und sein Potenzial unter Beweis gestellt."

Teamarbeit als Schlüssel zum Erfolg

Besonders lobt er dabei die Kommunikation zwischen den beiden Fahrzeugen: "Meine Teamkollegen haben mir während des Rennens so viele Informationen gegeben, die mir wirklich geholfen haben. Deshalb habe ich versucht, mich [mit einer guten Leistung auf der Strecke] zu revanchieren."

"Während der Stints gab es viel Kommunikation zwischen uns dreien, aber auch mit dem Auto #35. Dafür können wir wirklich dankbar sein. Und einige andere, höhere Klassen können sich definitiv eine Scheibe davon abschneiden." Vielleicht eine indirekte Kritik an seinem Ex-Team Haas.

Apropos Formel 1: Die bleibe seine Priorität, versichert Schumacher auch nach dem WEC-Podium: "Was in Zukunft passiert, wird sich hoffentlich noch in diesem Jahr entscheiden. Die Hoffnung liegt definitiv auf der Formel 1, denn davon habe ich schon als kleiner Junge geträumt. Aber es ist auf jeden Fall ein schönes Gefühl, in der WEC zu sein."

Und auch der Fuji Speedway ist in seinem Ansehen gestiegen: "Ich muss sagen, dass Suzuka immer noch ganz oben auf der Liste steht. Aber mit dem Podium ist Fuji definitiv weiter nach oben gerückt. Es ist großartig."

"Ich liebe Japan, ich liebe die Fans. Jedes Mal, wenn wir hierher kommen, ist es unglaublich, wie respektvoll alle sind und wie sehr sie sich für den Motorsport begeistern. Sie zeigen echte Liebe zum Motorsport, aber auch zu den Fahrern. Das ist wirklich einzigartig."

Ein Rennen steht in Bahrain noch aus, und nach dem ersten Podiumsplatz kann es eigentlich nur ein Ziel geben: den Sieg. Und das ist nicht unrealistisch, wie Schumacher meint: "Die #35 war zwischenzeitlich sogar im Rennen um den Sieg, glaube ich. Dafür, dass es unser erstes Jahr in der Meisterschaft ist, ist das der Wahnsinn!"

Milesi akzeptiert Durchfahrtsstrafe

Charles Milesi, der Mick Schumacher beim reinen Speed in dieser Saison immer wieder im Rang um den schnellsten Alpine-Piloten herausfordert, nimmt die Schuld für die Kollision beim Überrunden mit der TF-Sport-Corvette #81 (van Rompuy/Andrade/Eastwood) von Charlie Eastwood auf sich, kritisiert den Iren aber auch leicht.

"Ich konnte nichts machen. Er ist links, rechts, links, rechts gefahren und ich wusste nicht, wo er hinfährt. Ich habe es dann innen versucht und er ist im letzten Moment rübergezogen. Es ist meine Schuld, dass ich ihn getroffen habe, deshalb akzeptieren wir die Strafe. Sie ist schon recht hart dafür, aber letztlich habe ich einen Fehler gemacht, der uns das Podium gekostet hat."

Unterm Strich sieht er aber den Podiumsplatz des anderen Autos positiv: "Wir hatten von Beginn des Wochenendes an eine starke Pace und haben ganz vorne mitgemischt. Das Auto war sogar noch besser als in Austin. Die #36 ist auf dem Podium gelandet, das ist gut für das gesamte Team. Hoffentlich schaffen wir mit der #35 noch unser eigenes Podium!"