Chandhok & die Langstrecke: "Musste dringend aufs WC"

Mit welchen Umstellungsproblemen sich Ex-Formel-1-Pilot Karun Chandhok in der WEC konfrontiert sieht und warum er seine Passion für den Sport wiedergefunden hat

(Motorsport-Total.com) - Der Inder Karun Chandhok wagte dieses Jahr den Sprung in eine fremde Welt. Der ehemalige Formel-1-Pilot, der bisher nur Monoposto-Rennserien kannte, tritt 2012 in der WEC für das JRM-Team in der LMP1-Klasse an. Für ihn definitiv ein Fortschritt, schließlich verbrachte er das vergangene Jahr als Caterham-Tester mit Warten - und am Ende blieb sogar die Belohnung aus, denn bei der Formel-1-Premiere in seiner Heimat wurde er nicht wie erwartet berücksichtigt.

Titel-Bild zur News: Karun Chandhok

Karun Chandhok sah sich in der WEC mit unerwarteten Problemen konfrontiert

Die ersten zwei Saisonrennen in der Langstrecken-WM endeten für Chandhok, der mit Peter Dumbreck und Jack Brabham in den Genuss von zwei erfahrenen Teamkollegen kommt, nicht mit den gewünschten Ergebnissen - mehr als die Plätze 17 in Sebring und 12 in Spa-Francorchamps waren nicht möglich. Doch nun steht mit den 24 Stunden von Le Mans das absolute Saison-Highlight bevor.

Der 28-Jährige fühlt sich nach eigenen Angaben wohl in der Langstrecken-WM. Zumal die Luft nach dem enttäuschenden Jahr 2011 raus war. "Ich war heiß darauf, wieder Vollzeit-Rennfahrer zu sein", stellt er seine Beweggründe gegenüber 'Autosport' klar. "Die ganze Geschichte darum, ob ich nun den Indien-Grand-Prix in der Formel 1 bestreite oder nicht war eine mentale Belastung. Ich brauchte einen Neuanfang, um Motorsport wieder genießen zu können."

Chandhok unterschätzte die Distanzen

Er wurde nicht enttäuscht: "Es ist mein erstes volles Jahr in einem Auto, das kein Monoposto ist. Aber soweit war es großartig. JRM arbeitet sehr professionell, die Autos sind toll zu fahren und die Zweikämpfe sind fantastisch. Es ist eine wirkliche Herausforderung, schnell durch den Verkehr zu kommen und in einer Runde fünf oder sechs Überholmanöver zu planen."

Dennoch benötigt es Zeit, bis man mit dieser anderen Art des Motorsports völlig vertraut ist, denn wer glaubt, dass Chandhok bloß seinen Fahrstil an das neue Auto anpassen musste, der irrt gewaltig. Auch die Distanzen und der teaminterne Umgang unterscheiden sich. "Ich bin in Spa einen Dreifach-Stint von zwei Stunden und 51 Minuten gefahren", wirft Chandhok ein. "So lange saß ich noch nie ununterbrochen hinter dem Steuer eines Rennautos." Ein Erlebnis, das für ungewohnte Schwierigkeiten sorgte: "Das einzige Problem, das ich hatte, war, dass ich in den letzten zwei Stunden dringend das Örtchen aufsuchen musste."

"So lange saß ich noch nie ununterbrochen hinter dem Steuer eines Rennautos." Karun Chandhok

Wie Chandhok mit den ständigen Überholmanövern umgeht

Chandhok fällt auf, dass es sich bei der immer wieder auftauchenden Behauptung, bei den Langstrecken-Rennen müsse man ein wahrer Teamplayer sein, nicht bloß um einen Mythos handelt: "Es war eine Herausforderung, sich an die andere Mentalität im Langstrecken-Sport zu gewöhnen. David und Peter waren zur Stelle und haben mich herangeführt. Als die Älteren haben sie nicht die Unsicherheit, die es in der Formel 1 gibt. Um ehrlich zu sein: Ich habe sie immer noch. Schön, Teamkollegen zu haben, die entspannter sind als ich."

Und auch die ständigen Überrundungsmanöver sorgen für unerwartete Herausforderungen. Beim Auftakt in Sebring war Chandhok noch völlig überfordert. "Ich schaute nach vorne und versuchte, einen Vorsprung für die nächste Runde herauszufahren - wie in der Formel 1", schildert er seine Erfahrungen. "Aber diese nächste Runde kam nie und die Session war vorbei, ehe ich es mitbekommen hatte. David gab mir den wertvollen Tipp, einfach zu entspannen und sich vorzustellen, die anderen Autos seien nicht da und aus freien Stücken in jeder Runde die Linie zu wechseln." Bei den 24 Stunden von Le Mans wird sich zeigen, ob der Inder diese Philosophie bereits einverleibt hat.

"David gab mir den Tipp, sich vorzustellen, die anderen Autos seien nicht da." Karun Chandhok