powered by Motorsport.com

Österreicher in der Supersport-WM: "Da war viel Glück dabei"

Der 21-jährige Thomas Gradinger wird 2018 als Rookie in der Supersport-WM antreten - Im exklusiven Interview spricht er über Idole, Ziele und die harten Anfänge

(Motorsport-Total.com) - 2018 beginnt das Sportjahr für die Alpenrepublik Österreich mit einem großen Triumph. Der Dakar-Sieg von Matthias Walkner lenkt den Blick auf die österreichische Motorradszene. In der Tradition eines Heinz Kinigadner hat Walkner sein Ziel bereits erreicht. Ein anderer Österreicher wartet nun auf seine Chance und will in die Fußstapfen von Gustl Auinger oder auch Michael Ranseder treten: Thomas Gradinger.

Titel-Bild zur News: Thomas Gradinger

Auf den Spuren von Crutchlow & Davies: Gradinger fährt 2018 in der Supersport-WM Zoom

Der Oberösterreicher steigt 2018 in die internationale Konkurrenz ein, er wird als aktueller IDM-Meister mit einer Yamaha an der Supersport-WM teilnehmen. Im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' erzählt der 21-Jährige von seinen sportlichen Anfängen, dem bisher "coolsten Rennen" seiner Karriere und von seinen Zielen in der diesjährigen Saison.

In zwölf Rennen konnte Gradinger 2017 in der IDM Supersport 600 zehnmal auf das Podest fahren, sechsmal ging er als Sieger hervor. Davon konnte die österreichische Nachwuchshoffnung 2008 bei seinem ersten Rennbesuch auf dem Salzburgring nur träumen. "Angefangen hat das Ganze eigentlich recht komisch." Der Oberösterreicher plaudert über seine erste Erfahrung an der Rennstrecke: "In der Nähe meiner Heimat gibt es eine Motocross-Strecke, in Ried. Meine Mutter hat mich einmal zu einem Motocross-Rennen mitgenommen, das hat mir dann so gut gefallen, dass ich das auch selber einmal ausprobieren wollte."

"Ich war immer ein recht wehleidiges Kind"

Allerdings gab es Widerstand von den Eltern: "Meine Eltern haben am Anfang immer dagegen angekämpft, da ich immer ein recht wehleidiges Kind war", schmunzelt Gradinger im Interview. Dennoch ging es 2006 mit der ersten eigenen KTM los. "Zuerst habe ich noch auf der Wiese geübt, dann auch auf der Strecke in Ried. Noch dazu kommt, dass Michael Ranseder fast unser Nachbar ist." Der ehemalige österreichische Motoradrennfahrer schaffte es in seiner Karriere (2004-2010) bis in die Moto2-Klasse.

"Zudem war ich mit meiner Familie 2008 zum ersten Mal bei einem IDM-Rennen auf dem Salzburgring. Das hat mich sofort total fasziniert." Gradinger steckte sich mit dem Rennfieber an. Nach Gesprächen mit den Verantwortlichen des ADAC Juniorcups ging er 2009 erstmals an den Start. 2011 wurde er dort Vizemeister, danach kam der Wechsel in die IDM 125er-Klasse - ein Knackpunkt in seiner jungen Karriere.

"Das ist alles sehr unglücklich gelaufen. Ehrlich gesagt habe ich dann auch viele Scheißergebnisse abgeliefert, sodass es überhaupt keinen Spaß mehr gemacht hat. Dann habe ich die Saison mittendrin abgebrochen, das hat einfach keinen Sinn mehr ergeben." 2013 wechselte er auf KTM und konnte sogar Podestplätze einfahren, bevor er im Folgejahr den Schritt nach Spanien in die Moto3 wagte. "Das war eine sehr harte Zeit. Wir sind dort mit viel schwächerem Material angetreten, weil es finanziell einfach nicht anders gegangen ist. Wir sind auch gar nicht alle Rennen gefahren."

IDM-Titel 2017: "Endlich das perfekte Paket für mich gefunden"

2015 erfolgte erneut ein Wechsel in die Moto2-Europameisterschaft mit Fritze Tuning, bevor er sich 2016 für den Schritt in die IDM entschieden hat. Auch in der Supersport-600-Kategorie fiel ihm der Start nicht leicht: "Gleich am ersten Rennwochenende bin ich total auf die Nase gefallen und habe mir im zweiten Training bei einem Crash Elle und Speiche gebrochen." Nach zwei Rennen Pause gelang ein versöhnlicher Saisonabschluss mit zwei Siegen und Podestplätzen, die die Meisterschaftssaison einläuten sollten.

Sein rascher Aufstieg habe vor allem mit einem Wohlfühlfaktor zu tun: "Das hängt stark damit zusammen, dass ich endlich das perfekte Paket für mich gefunden habe. Leute, die in meinem Umfeld arbeiten und außerdem die perfekte Technik. Die hat mich nie im Stich gelassen, und auch alle, die am Bike geschraubt haben, waren mit vollem Einsatz dabei. Ich habe gewusst, ich muss mich nur noch draufsetzen und Spaß haben. Und dann ist im Endeffekt dieses Ergebnis rausgekommen."

Ein Erfolgserlebnis war neben seinem Titelgewinn auch der Gaststart in der Supersport-WM auf dem Lausitzring 2017. "Das war das coolste Rennen meiner Karriere bisher", erinnert sich Gradinger. "Ich bin mit ziemlich geringer Erwartung hingefahren. Mein Minimalziel war es, nicht Letzter zu werden." Schlussendlich erkämpfte er sich nach Reifenproblemen und Startplatz 17 den neunten Gesamtrang. "Ich hatte meinen Spaß und dass am Ende noch der neunte Platz rausspringt, hätte ich mir ehrlich gesagt auch nicht gedacht. Das war ein Wahnsinn."

Wildcard Lausitzring: "Das coolste Rennen meiner Karriere"

In Deutschland bekam der 21-Jährige einen Vorgeschmack auf sein künftiges Abenteuer, das Ende Februar mit dem Rennwochenende in Phillip Island, Australien, beginnen wird. Beim Fahrstil konnte er einen großen Unterschied ausmachen: "In der WM wird doch ein etwas anderer Fahrstil gefragt sein. Da wird die Zeit auf der Bremse gutgemacht, in den nationalen Meisterschaften fährt man doch mehr Kurvenspeed. Ich muss definitiv noch an meiner Bremstechnik feilen, damit ich dort noch viel mehr Zeit gutmache. Außerdem weit weniger Schräglage fahren als noch im Vorjahr."

Im Endeffekt müsse er sich überall weiterentwickeln, um mit Größen wie Kenan Sofuoglu mithalten zu können. Außerdem muss sich Gradinger in seinem ersten internationalen Jahr auf viele neue Strecken einstellen. Sein Vorteil: "Ich kenne meine Technikcrew zum Glück schon, da es die Jungs aus dem Vorjahr sind. Meinen Crewchief konnte ich mitnehmen, außerdem einen Mechaniker. Ich denke also nicht, dass es mit dem Team kompliziert werden wird." Gradinger wird im neu aufgebauten Team NRT Yamaha von Teamchef Gary Reynders antreten.

Sein Stammbike verdankt er ebenfalls seinem Techniker: "Da war ziemlich viel Glück dabei. Thomas Kubiak, mein Crewchief, arbeitet mit Markus Eschenbacher (kümmert sich um die Yamaha-Motoren; Anm. d. Red.) zusammen. Teamchef Gary Reynders ist auf die beiden zugegangen und hat gemeint, sie würden gerne Motoren für ihr Zwei-Mann-Team haben. Einen Fahrer hatten sie zu diesem Zeitpunkt bereits. Kubiak hat daraufhin gemeint, dass er noch einen Fahrer wüsste: mich." So kam sein Engagement zustande.

Moto2 ist das Ziel - Jorge Lorenzo fahrerisches Vorbild

Nun befindet sich Gradinger, der bei KTM eine Lehre absolvierte und als Testfahrer für Straßenmotorräder nebenbei arbeitet, bereits in seiner Vorbereitung für die Saison. Zwar gab es über die Feiertage Lieferschwierigkeiten bei den Motorrädern, dennoch liege man im Zeitplan, erklärt der Rookie. Getreu seinem Motto: "Die Dinge nicht zu ernst nehmen und einfach Spaß haben." Mit dieser mentalen Einstellung geht der junge Österreicher auch in die Saison. Erwartungen? "Ich habe mir über Platzierungen noch keine Gedanken gemacht. Es ist zwar ein Standardsatz, aber er stimmt: Ich möchte einfach so viel wie möglich lernen. Und ich möchte mich stetig verbessern. Realistisch wäre, um die Punkteränge zu fahren."

Gradingers langfristiges Ziel ist es, einmal im GP-Sport zu landen. Doch als Österreicher liegen ihm noch einige Hürden im Weg. "Es gibt keine Strecken, auf denen man trainieren könnte. Man muss eigentlich zwangsläufig ins Ausland gehen. Das war am Anfang schon recht schwierig, aber meine Eltern haben mich immer voll und ganz unterstützt. Mit Sponsoren schaut es nach wie vor schlecht aus, das wird sich auch kaum ändern. Aber ich darf mich über meine Position nicht beschweren", gibt er sich bescheiden.

Bleibt ihm bisher nur, die großen Idole im Fernsehen zu verfolgen. "Rossi ist natürlich der Beste aller Zeiten. Was er in seinem Alter noch abliefert, ist einfach der Wahnsinn. Außerdem die ganzen Umstellungen, die er in seiner Karriere schon miterlebt hat. Das ist echt unglaublich", schwärmt der Nachwuchspilot, der auch von Marc Marquez begeistert ist: "Er ist einfach unerschrocken und zaubert Sachen in den Asphalt, die für mich einfach unerklärlich sind." Allerdings sei auch Jorge Lorenzo vom Fahrstil her ein Vorbild - wenn auch nicht menschlich. "Fahrtechnisch gesehen würde ich ihn fast noch besser einschätzen als einen Marquez - wenn er perfektes Material hat."

Thomas Gradinger

Gradingers Vorbilder: "Rossi und Marquez sind der Wahnsinn!" Zoom

Und wie sieht es bei Gradinger mit der Unerschrockenheit aus? "Einen gewissen Respekt, muss man schon davor haben, aber Angst empfinde ich nicht. Natürlich kann immer etwas passieren, aber Angst habe ich keine. Wichtig ist immer, dass man weiß, warum man gestürzt ist. Dann kann man es auch gleich mal abhaken." Sicherlich nicht abhaken wird er seinen größten Traum: "Einen Weltmeistertitel holen, das wäre ein Traum. Aber das ist noch so weit weg. Ich werde nie sagen, dass ich 2020 Weltmeister in der Moto2 bin. Ich denke einfach von Jahr zu Jahr."

Neueste Kommentare