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"Müssen weg von der japanischen Mentalität": BMW als Vorbild für Honda?
Hondas WSBK-Projekt im Aufwind: Wir haben uns exklusiv mit Iker Lecuona über die Probleme zu Saisonbeginn und den aktuellen Aufwärtstrend unterhalten
(Motorsport-Total.com) - Die zurückliegenden drei WSBK-Wochenenden verdeutlichten, dass Honda die Probleme des Saisonbeginns in den Griff bekommen hat. Mit der neuen 2024er-Version der CBR1000RR-R Fireblade erlebte das Honda-Werksteam einen desaströsen Start in die Saison.

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Gelingt Honda in der nahen Zukunft der Sprung an die Spitze? Zoom
Honda war bei den ersten Rennwochenenden das klare Schlusslicht der fünf Hersteller, sammelte zuletzt aber konstant mehr Punkte als Yamaha. Und auch beim Trainings-Freitag in Estoril (Portugal) hinterließ die Honda einen guten Eindruck. Werkspilot Iker Lecuona schob sich im FT2 auf die fünfte Position (zum FT2-Bericht).
Bei den zurückliegenden Rennwochenenden in Magny-Cours, Cremona und Aragon beendeten Iker Lecuona und Xavi Vierge alle Rennen in den Top 10. Zu Saisonbeginn noch hatten die beiden Honda-Werkspiloten teilweise Schwierigkeiten, in die Punkteränge vorzustoßen.
"Wir waren zu Saisonbeginn zu 100 Prozent verloren", gesteht Honda-Werkspilot Iker Lecuona im Exklusiv-Interview mit Motorsport-Total.com. "Zu Saisonbeginn schlugen wir Wege ein, die nicht richtig waren. Wir mussten zurückkehren und nach anderen Möglichkeiten suchen."
Warum Honda zu Beginn der WSBK-Saison 2024 hinterher fuhr
Honda präsentierte als einziger der fünf beteiligten Hersteller ein neues Homologationsmodell. Doch mit der 2024er-Fireblade ging es in die falsche Richtung. Das WSBK-Team verstand nicht, wie man das Maximum aus der in Details überarbeiteten Fireblade herausholen kann.

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Die neue Honda CBR1000RR-R Fireblade für das Modelljahr 2024 Zoom
"Es fiel uns zu Saisonbeginn sehr schwer, alles zusammenzubringen", bestätigt Iker Lecuona. Besonders für Lecuona war der Start in die WSBK 2024 holprig. Der Spanier erhielt mit Tom Jojic einen neuen Crewchief und verpasste verletzungsbedingt die Rennen auf Philipp Island und Assen.

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Iker Lecuona startete mit Problemen in die Saison, kämpfte zuletzt aber ums Podium Zoom
Ab Misano lief es für Honda deutlich besser. Beim WSBK-Event in Italien beendete Lecuona alle drei Rennen in den Top 10. "Es gelang uns in Misano, eine solide Basis aufzubauen. Zu der Zeit hatten wir viele Tests, die uns dabei halfen, das Motorrad besser zu verstehen", verrät Lecuona und unterstreicht damit die Bedeutung der Testfahrten, die das Verständnis für die neue Honda verbesserten.

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Mangelnden Einsatz kann man Iker Lecuona nicht vorwerfen Zoom
Der Aufwärtstrend hielt an. "Most und Magny-Cours waren normalerweise unsere schwierigsten Strecken. Doch das Wochenende in Most war richtig gut", blickt Lecuona auf das WSBK-Event in Tschechien im Juli zurück. Der Spanier kämpfte bei den folgenden Veranstaltungen in Magny-Cours und Cremona um Podestplätze.
Honda-Topspeeds nicht mehr so überragend: Warum weniger mehr ist
Im Vergleich zu den zurückliegenden Jahren fällt auf, dass das Honda-Superbike auf den Geraden nicht mehr so überlegene Topspeeds erreicht. Denn in den ersten Jahren führten die Honda-Piloten meist die Topspeed-Wertungen an und ließen sogar die Ducati-Piloten hinter sich. Das hat sich in diesem Jahr geändert. Die Honda ist nicht langsam, doch Ducati und BMW sind in der Regel leicht im Vorteil.

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Honda hat die Leistungsentfaltung etwas sanfter gestaltet Zoom
Sind die geringeren Topspeeds auf den neuen Sprit mit 40 Prozent Bioanteil zurückzuführen? Oder auf die reduzierte Spritmenge in den Rennen? Musste Honda konservativere Mappings für den Motor erstellen, um die Renndistanz zu meistern?
Iker Lecuona begründet die niedrigeren Topspeeds mit der sanfteren Leistungsabgabe: "Wir haben einige Änderungen vollzogen, um das Motorrad fahrbarer zu machen. Früher waren wir auf den Geraden sehr schnell, doch es war unmöglich, die Leistung in den Kurven zu kontrollieren."

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Laut Iker Lecuona hat die Honda aktuell zwei Schwächen Zoom
"Um die Haltbarkeit der Reifen zu verbessern, mussten wir die Leistung etwas reduzieren. Das Motorrad reagiert jetzt sanfter. Wir opferten etwas Topspeed, doch das Motorrad geht besser mit den Reifen um. Wir haben also mehr gewonnen als verloren", erklärt der Honda-Werkspilot.
Auch wenn Honda deutliche Fortschritte erzielt hat, so gibt es dennoch weiterhin Luft für Verbesserungen. "Unsere aktuell größten Schwächen sind das Turning und die Haftung auf der Reifenflanke. Im Vergleich zu den zurückliegenden Jahren können wir den Grip besser nutzen", vergleicht Lecuona.
Iker Lecuona: "Müssen weg von der japanischen Mentalität"
Das Beispiel BMW zeigt laut Iker Lecuona, wie schnell ein Hersteller den Anschluss an die Spitze herstellen kann. Der Spanier sendet eine wichtige Botschaft in Richtung Honda: "Sie müssen ihre Mentalität ändern. Sie müssen weg von der japanischen Mentalität und sich an BMW orientieren."
Die jüngsten Erfolge von BMW sind natürlich zu einem großen Teil auf Toprak Razgatlioglus Verpflichtung zurückzuführen. Aber auch die Testarbeit im Hintergrund trug zum sportlichen Aufstieg der Münchner bei.

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Iker Lecuona sieht die Entwicklung von BMW als Vorbild an Zoom
Warum gibt es kein europäisches HRC-Testteam für das WSBK-Projekt? "Ein Testteam könnte uns helfen", kommentiert Lecuona. "Damit könnte man Teile testen, die wir noch nicht verwenden können. Man findet keine Verbesserungen, wenn man keine extremen Veränderungen macht."
"Im vergangenen Jahr kämpften wir zu Beginn mit BMW. Doch sie machten zur Halbzeit der Saison einen Schritt. Und am Saisonende gelang ihnen ein weiterer Schritt. Das Testteam half ihnen sicher. Sie haben Sylvain Guintoli, der ein sehr guter Fahrer ist und sicher stark dazu beiträgt", schaut Lecuona auf das BMW-Projekt.
Zwei Fahrer sind nicht genug: Großer Wunsch nach mehr Austausch
Im kommenden Jahr verfügt Honda über ein starkes Aufgebot an Testpiloten. Allein für das MotoGP-Projekt stehen mit Aleix Espargaro, Takaaki Nakagami und Stefan Bradl drei starke Fahrer bereit, um neue Entwicklungen zu testen.
"MotoGP und Superbike sind komplett unterschiedlich", warnt Lecuona. "Aber es stimmt, es gibt viele Testfahrer. Mit 'Taka' kann ein Schritt gelingen, denn er befindet sich im direkten Austausch mit den Ingenieuren in Japan und kann gut beurteilen, ob etwas besser ist oder nicht. Bradl verfügt zudem über sehr viel Erfahrung mit der Honda. Und dann gibt es noch Aleix, der neu auf der Honda ist. Aber er ist ein sehr schneller Fahrer. Wenn sie hart arbeiten, dann können sie den richtigen Weg einschlagen", ist Lecuona überzeugt.

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Ex-BSB-Champion Tarran Mackenzie kann sein Talent nicht in Ergebnisse umwandeln Zoom
Ein weiterer Punkt ist die Situation mit dem Kundenteam MIE. Während BMW in diesem Jahr vier identische Motorräder an den Start schickt und viele Daten sammelt, gibt es zwischen dem Honda-Werksteam und dem MIE-Team einige Unterschiede. Praktisch kann HRC nur die Daten von zwei Fahrern auswerten, da die Informationen des MIE-Teams unbrauchbar sind.
"Sie können unsere Daten einsehen. Ich weiß aber nicht, was sie konkret verwenden", bemerkt Lecuona mit Blick auf das MIE-Team. "Die Motorräder sind sich aber tatsächlich ähnlicher als im Vorjahr. In der Saison 2023 verwendeten sie einen komplett anderen Ansatz als wir. Ich hoffe, dass sie im kommenden Jahr das gleiche Motorrad wie wir verwenden, denn mit zwei Motorrädern kann man sich nicht verbessern."
Wann platzt der Knoten bei Hondas WSBK-Projekt?
Seit der Saison 2020 versucht Honda, in der Superbike-WM zu gewinnen. Bisher sprangen nur vereinzelte Podestplätze heraus. Die Erwartungen wuchsen von Saison zu Saison, doch die Realität ist, dass Lecuona und Vierge von Jahr zu Jahr weniger Punkte sammelten.

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Alvaro Bautista erlebte 2020 und 2021 schwieirge Zeiten bei Honda Zoom
Wann ist HRC in der WSBK endlich ein Anwärter für Laufsiege? "Wir haben immer gesagt, 'vielleicht nächstes Jahr', doch bisher ging dieser Plan nie auf. Momentan lässt es sich nicht abschätzen, ob wir ein, zwei, drei oder zehn Jahre benötigen", erklärt Lecuona.
"Wenn die Japaner ihre Mentalität umstellen, sich an den Europäern orientieren, das Motorrad schneller entwickeln, ein Testteam aufbauen und zu einer anderen Arbeitsweise wechseln, dann dauert es wie bei BMW vielleicht nur ein Jahr", grübelt Lecuona und betont: "HRC hat das Potenzial."

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Laut Iker Lecuona hat HRC das Potenzial, um in der WSBK zu gewinnen Zoom
"Es ist alles vorhanden. Es ist nicht so, dass irgendetwas fehlt, doch sie müssen anders denken. Sie haben bereits einige gute Schritte gemacht", erkennt Lecuona positive Signale. "Mal sehen, was im Winter passiert, ob ein weiterer Schritt gelingt", bemerkt der Spanier, der hofft, dass Honda den Schwung aus der Saison 2024 in die Winterpause mitnimmt.


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