Jonathan Rea: Sein Auf- und Abstieg mit Kawasaki in der Superbike-WM

Der Rekord-Weltmeister blickt auf den Wechsel von Honda zu Kawasaki, die Dominanz von 2015 bis 2020 und den schrittweisen Abstieg zurück

(Motorsport-Total.com) - Mit sechs WM-Titeln in Folge schrieben Jonathan Rea und Kawasaki die Geschichte der Superbike-WM um. Doch zur Traumehe zwischen Rea und dem Kawasaki-Werksteam kam es nur, weil Rea viel riskierte und einige Opfer in Kauf nahm. In einem Feature bei WorldSBK.com blickt der Rekord-Champion auf die neun Jahre mit Kawasaki zurück und verrät einige Geheimnisse.

Titel-Bild zur News: Jonathan Rea

Jonathan Rea schrieb mit Kawasaki die Geschichte der WSBK um Zoom

Es war die WSBK-Saison 2014, in der Rea erkannte, dass er Honda verlassen muss. Seit seinem WSBK-Debüt beim Saisonfinale 2008 in Portimao fuhr Rea für das Ten-Kate-Team und wurde von Honda gut bezahlt. Doch die Fireblade war nicht konkurrenzfähig genug, um den Titel zu gewinnen.

Zudem war Rea klar, dass Honda kein Interesse hat, ihn in die MotoGP zu holen. Nach zwei soliden Einsätzen als Ersatz für Casey Stoner in der Saison 2012 wurde Rea von HRC lediglich ein Open-Bike angeboten. Der Nordire lehnte dankend ab.

Rea war bereit, finanziell Kompromisse zu machen und die langjährige Zusammenarbeit mit Red Bull aufzugeben, um bei Kawasaki einen Neustart hinzulegen. Doch bei Kawasaki war man gar nicht so überzeugt, dass Rea der richtige Fahrer ist. Damals setzte das Team auf Tom Sykes und Loris Baz.

Jonathan Rea

Jonathan Rea realisierte, dass er mit Honda keine WM gewinnen kann Zoom

Ab 2015 wollte Rea unbedingt auf einer Kawasaki ZX-10R sitzen, die der Honda Fireblade damals klar überlegen war. "Ich erinnere mich, wie ich mich mit meinem Manager unterhielt und ihm sagte: 'Chuck (Aksland), bitte versau das nicht mit dem Vertrag. Bring es zu Ende. Das Geld ist egal, die Bedingungen auch'", erinnert sich Rea an die Situation im Jahr 2014.

Rea reiste auf eigene Kosten nach Barcelona, um mit den Kawasaki-Verantwortlichen bei einem Essen über die Möglichkeiten für 2015 zu sprechen. "Ich musste damals ziemlich stark für mich selbst Werbung machen, um Kawasaki und Guim (Rosa, Teamchef; Anm. d. Red.) zu überzeugen. Doch als ich ein Teil des Teams war, wurde ich wie ein Sohn behandelt."

Jonathan Rea harmoniert sofort mit dem Kawasaki-Superbike

Wie gut die Kawasaki ist, wurde Rea schnell bewusst. Bei einem Test in Aragon war der Neuzugang schnell und fuhr auf dem Niveau von Teamkollege Tom Sykes. Crewchief Pere Riba erinnert sich: "Ich war beeindruckt von den ersten Runden. Er kam sehr schnell auf gute Rundenzeiten. Mir war klar, dass Johnny über ein sehr hohes natürliches Talent verfügt."

Bereits in seiner Kawasaki-Debütsaison gewann Rea die Meisterschaft und ließ fünf weitere Titel folgen. "Von 2015 bis 2020 waren wir die Benchmark. Wir waren das Team, das es zu schlagen galt", blickt der Nordire zurück.

Jonathan Rea

Jonathan Rea trug beim ersten Kawasaki-Test noch die Red-Bull-Werbung Zoom

"Ich würde nicht sagen, dass wir unbesiegbar waren. Aber wenn wir an einem Wochenende alles richtig gemacht haben, dann waren wir in der Lage, zu gewinnen", erklärt Rea. Doch ab 2021 wurde es immer schwieriger. Rea konnte immer seltener aus eigener Kraft gewinnen.

Jonathan Rea, Chaz Davies

Jonathan Rea entschied viele Duelle mit Langzeit-Rivale Chaz Davies für sich Zoom

Kawasaki ab der Saison 2022 nicht mehr aus eigener Kraft siegfähig

"Es gab viele schwierige Momente. Diese traten dann immer häufiger auf", bemerkt Rea, der 2021 Vizeweltmeister wurde und 2022 und 2023 nur noch WM-Dritter. Bereits zu Beginn der Saison 2023 spielte Rea mit dem Gedanken, seine Karriere am Saisonende zu beenden.

"Ich habe von Beginn der Saison klar gestellt, dass das meine finale Saison in der Superbike-WM sein könnte. Ein Rücktritt zählte zu den möglichen Optionen. Doch beim Fahren erkannte ich, dass ich nach wie vor sehr viel Potenzial habe und mich sehr stark fühle. Es war aber eine Veränderung nötig, ich benötigte eine neue Motivation", beschreibt er.

Jonathan Rea

Jonathan Rea ging immer öfter über das Limit der Kawasaki Zoom

Neue Motivation: Wechsel zu Yamaha statt Rücktritt

Im Sommer signalisierte Rea den Verantwortlichen von Yamaha, dass er bereit ist für einen Wechsel. Im Mai wurde bekannt, dass Toprak Razgatlioglu von Yamaha zu BMW wechselt. Yamaha war auf der Suche nach einem neuen Spitzenfahrer.

Yamaha-Projektleiter Andrea Dosoli erinnert sich: "Wir erkannten im Sommer, dass ein gewisses Interesse besteht. Es war die Zeit um Donington herum. Für uns war es eine großartige Gelegenheit." Diese Chance ließ sich Yamaha nicht entgehen und verpflichtete Rea für die WSBK-Saison 2024.

Jonathan Rea

Jonathan Rea lotete das Limit der Yamaha R1 bereits aus Zoom

Langzeit-Rivale Chaz Davies war zuerst überrascht, dass Rea die Ehe mit Kawasaki beendet, obwohl er bis Ende 2024 unter Vertrag stand. "Einerseits geht es um die Loyalität. Er befand sich mitten in einem Vertrag. Es ist eine Überraschung, dass er diesen auflöste. Doch es zeigt andererseits, wer Jonathan Rea ist und wie hungrig er nach Erfolg ist", bemerkt der langjährige Ducati-Pilot.

Jonathan Rea, Chaz Davies

Chaz Davies ist überrascht, dass Jonathan Rea Kawasaki verlässt Zoom

Weggang von Kawasaki sorgt für neue Zuversicht

Für Rea ist der Wechsel eine neue Motivation. "So schwierig wie diese Entscheidung war, doch ich freute mich auf etwas Neues", bemerkt er und gesteht: "Es fühlte sich seltsam an, als ob man seine Frau betrügt. Aber so ist es im Rennsport. Man muss sich weiterentwickeln."

Für eine weitere Saison bei Kawasaki hätte sich Rea vermutlich nicht motivieren können. "Mein Rücktritt war wirklich eine Option und wir haben uns darüber unterhalten. Doch der Rennsport ist mein Leben. Ich habe das Gefühl, dass das Beste noch kommt", erklärt der 36-Jährige.


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"Gewinnen ist wie eine Droge. Es macht süchtig", gesteht Rea, der mit Yamaha weitere Siege feiern möchte, bevor er eines Tages zurücktritt. Die Zeit mit Kawasaki wird der sechsmalige Weltmeister aber nicht vergessen. "Ein Teil meines Bluts wird aber immer grün sein", stellt Rea klar.