• 03.02.2024 11:10

  • von Roland Hildebrandt

Wie eine Trabant-Studie zum Seat Ibiza II von 1993 wurde

Wurde ein potenzieller Trabant-Nachfolger in den frühen 1990er-Jahren zum Seat Ibiza umgestrickt? Wir erzählen die Geschichte des Trabant X03

(Motorsport-Total.com/Motor1) - Wie sehr gab es technologischen Austausch im Automobilsektor zwischen der DDR und der Bundesrepublik? Nun, Wartburg 1.3 und Trabant 1.1 mit VW-Motoren sind bekannt, ebenso die mit NSU-Lizenz erfolgte Wankel-Entwicklung in den 1960er-Jahren. Aber kennen sie den Trabant X03? Vielleicht in anderer Form.

Titel-Bild zur News: Trabant X03 Foto im August Horch Museum Zwickau

Trabant X03 Foto im August Horch Museum Zwickau Zoom

Als wir kürzlich über den VW-Prototypen EA 276 berichteten, der Anfang Februar 2024 auf der Bremen Classic Motorshow gezeigt wird, meldeten sich Stimmen: Sei das nicht in Wahrheit der hochmoderne Trabant P 603, dessen Entwicklung 1968 abrupt eingestellt worden sei? Nun, die Legende des Trabant als wahrer Golf-Vorläufer entkräften schon nach kurzer Suche diverse Seiten im Internet.

Fast 8 Milliarden DDR-Mark Kosten für die Serienfertigung, Sturheit auf politischer Ebene (genug Nachfrage nach dem P 601 sei ja da), massive Probleme mit dem angedachten Wankelmotor und die Zulieferer-Problematik stoppten den P 603. Trotz unbestrittenem "Weltniveau". Es folgten noch einige Versuche der Trabant-Macher, ihr Produkt zu modernisieren, zuletzt immer bescheidener, um wenigstens irgendetwas im Politbüro durchsetzen zu können. Nachlesbar im Standardwerk "Plaste, Blech und Planwirtschaft" zur Geschichte der DDR-Automobilindustrie des kürzlich verstorbenen Peter Kirchberg.

Schließlich bekam der Trabant einen teuer erkauften Viertaktmotor von VW (EA 111/BM 820), für den das Auto massiv umkonstruiert werden musste. Nur sah man das dem Trabant 1.1 nicht an, der erst 1990 nach der politischen Wende auf den Markt kam. Nur 38.256 Stück entstanden bis April 1991.

Was kaum jemand weiß: Volkswagen hatte im Rahmen seiner DDR-Kooperation viel weitreichendere Pläne. Im sehenswerten August-Horch-Museum in Zwickau gibt es ein Foto eines eckigen Kleinwagen-Projekts namens X03 (siehe oben). Über dieses Fahrzeug berichtete die Zeitschrift KFT nach der "Wende" und nannte 1995 als Startdatum.

Jens Conrad weiß auf seiner Webseite mehr: "Volkswagen erarbeitete daraufhin einen Vorschlag, der unter dem Arbeitstitel "X03" vorgestellt wurde. Er sollte von der zu dieser Zeit in der Entwicklung befindlichen 3. Generation des VW Polo (A03) abgeleitet werden. Der Vorschlag umfasste Vollheckvarianten mit 3 und 5 Türen ebenso wie ein Stufenheckmodell und einen Kombi.


Fotostrecke: Wie eine Trabant-Studie zum Seat Ibiza II von 1993 wurde

Durch die politischen Ereignisse in Deutschland im Herbst 1989 kam es zu Ende dieses Jahres zu einer Absage seitens Volkswagen für das Projekt. Stattdessen schloss man einen Vertrag zu einer gemeinsamen GmbH, auf dessen Basis bereits im Mai 1990 der erste VW Polo im Zwickauer Fahrzeugwerk als CKD-Fertigung das Band verließ. Ein knappes weiteres Jahr später kam dann das Aus für die Fertigung des Trabant."

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Noch mehr Infos liefert VW-Historiker Eberhard Kittler im Buch "Trabi Love". Demnach war der X03 ursprünglich eine von VW für die Serie angedachte "MPV-artige" Studie von Giugiaro. Ende 1988 habe Volkswagen-Konzernchef Carl H. Hahn einen dreitürigen Entwurf mit Sachsenring-Logos und 1.1-Emblem dem DDR-Außenhandelsminister Gerhard Beil vorgestellt. "Die Studie wirkte sachlich und zeitlos, hätte also lange im Programm der Ostpartner bleiben können", so Kittler. Jedoch sei sie aufgrund der großen Glasflächen schwer zu produzieren gewesen.

Im Februar 1989 gelangte die rund 3,80 Meter lange Studie erstmals nach Ost-Berlin. Mehrfach wurde das Fahrzeug zwecks Überarbeitung streng geheim an Bord eines Lastwagens nach Wolfsburg gebracht. Vereinbart war laut Kittler, das Auto ausschließlich im Ostblock zu vertreiben. 112.000 Einheiten hätten jährlich gebaut werden können, Entwicklungskosten 600 Millionen Mark.

Doch die Ereignisse von 1989/90 beendeten das Projekt abrupt, zudem waren bereits Milliarden im VW-Motorenprojekt versenkt worden. (Zu der Verbindung Volkswagen-DDR erscheint Ende Februar 2024 ein eigenständiges Buch von Eberhard Kittler.)

Ein echter P 603 existiert nicht mehr, man kann ihn aber virtuell im August Horch Museum Zwickau erkunden

Ein echter P 603 existiert nicht mehr, man kann ihn aber virtuell im August Horch Museum Zwickau erkunden Zoom

Betrachtet man sich den Trabant X03 und seine projektierten Ableger Kombi und Limousine genauer, so scheint es, als wären die Entwürfe aber doch verwirklicht worden. Aber nicht in der DDR, sondern in Spanien. Giugiaro hatte bereits seinen Entwurf für den VW Golf II als Seat Ibiza I verwirklichen können. Die zweite Generation des Ibiza entstand komplett unter VW-Regie auf der Plattform der dritten Polo-Generation. Wie also auch theoretisch der X03.

Vergleicht man Ibiza II und X03, so wirkt der Seat zwar runder, doch die ausgestellten Radhäuser hinten und die großen Glasflächen sind geblieben. Offenbar hat Giugiaro seinen Entwurf dem Zeitgeist der 1990er-Jahre angepasst, 1993 kam der Ibiza auf den Markt. Und nicht nur das: Hinzu gesellten sich ein Stufenheck und ein Kombi unter dem Namen Cordoba. Beide liefen später auch als VW Polo Classic und Polo Variant.

Quelle: August Horch Museum Zwickau, JCO Illustrations/Jens Conrad

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