• 21.11.2011 17:11

  • von Michael Noir Trawniczek

Wurz gibt Einblicke in die FIA Akademie

Lokalaugenschein beim zweiten Shootout der FIA Akademie in Melk - Instruktor Alexander Wurz spricht über das erste Jahr als "Lehrer" seiner Jungtalente

(Motorsport-Total.com) - Nicht einmal ein Jahr ist es her, als im Februar auf dem Melker Wachauring das erste Shootout der neuen FIA-Akademie stattfand - mit Alexander Wurz als Initiator des Projekts, der dieses aber auch als Instruktor von Anfang an begleitet hat. Im Vorjahr wurden aus 18 BewerberInnen zehn Kandidaten ausgewählt - an Erfolgen mangelt es nicht. Allen voran Andreas Mikkelsen, der sich in seinem Akademiejahr zum IRC-Meister krönen konnte.

Titel-Bild zur News: Alexander Wurz

Le-Mans-Sieger Alexander Wurz hat ein wachsames Auge auf seine Schützlinge

Aber auch Egon Kaur war einer der erfolgreichen im Kader - auch wenn er das Finale der WRC-Academy in Wales knapp gegen Craig Breen verloren hat, der übrigens im neuen Jahrgang mit dabei ist. Hinzu kommen Richie Stanaway als Gewinner des deutschen Formel 3-Cups, Robin Frijns als Sieger der Formel Renault 2.0 und Alexander Rossi, der in der Formel Renault 3.5 den dritten Gesamtrang belegen konnte.

Erfolgreicher erster Kader

Wurz freut es sehr, dass sein erster Jahrgang zugleich derart erfolgreich im internationalen Motorsport mitmischen konnte. Mikkelsen steht da natürlich ganz vorne in der Auslage - auch wenn Wurz einräumt: "Der Andreas war vom Alter her schon deutlich am anderen Ende der Altersgrenze - da war in seinem Kopf schon sehr viel festgesetzt."

Mikkelsen war bislang bekannt als einer, der sein Auto gerne "wegwirft" - doch dann konnte er die beiden letzten IRC-Rallyes souverän gewinnen. Wurz sagt: "Es hat länger gedauert, ihn davon zu überzeugen, dass die Rallye nicht auf der ersten Sonderprüfung entschieden wird - aber irgendwann hat er verstanden: Wenn du mit so viel Talent ausgestattet bist wie er, dann brauchst du es nicht mit der Brechstange zu machen."

Wenn das Geld ausgeht...

Nicht alle seiner Schützlinge hatten ein derart erfolgreiches, problemloses Jahr. Philipp Eng, der österreichische Teilnehmer, kam ins Straucheln. Wurz erzählt: "Der Philipp hatte das Pech, dass er nach seinem Formel-2-Jahr keinen Geldgeber mehr gefunden hat, um in der Formelszene zu bleiben. Er kam dann auch in eine schwierige Phase in der Tourenwagenszene, weil er einfach zu spät dran war."

Immerhin konnte Eng in der GT-Masters unterkommen - Wurz lobt: "Was er heuer mit der Corvette gemacht hat, war sehr gut, denn sein Team hatte recht limitierte finanzielle Mittel. Ob es reicht, dass er als Profimotorsportler in der GT-Szene sein Geld verdienen kann, das weiß ich nicht, das wird die Zukunft zeigen."

Auffangbecken für die, die es nicht schaffen

Wurz fügt hinzu: "Wenn es nicht reichen sollte, dann sind wir genau bei dem Punkt angelangt - wo unsere Ausbildung eben reichen sollte, wo er Fahrtechnikinstruktor oder Safety Ambassador werden kann. Wo er dann halt im Motorsport nichts verdient, aber eben im Sicherheitsbereich, mit Fahrtechniktrainings und so weiter." Das ist Wurz ein besonderes Anliegen - gerade heutzutage, wo das Budget über Aufstieg oder Karriereende entscheidet: "Wir wollen auch etwas machen für die, die es nicht schaffen. So bleibt er im Metier, im Motorbereich und kann so sein Geld verdienen."

In diesem Jahr wurde der Kader aufgestockt - von 28 Kandidaten werden 18 im kommenden Jahr die Betreuung durch die Akademie genießen können, die Teilnehmer verbringen gemeinsame Workshops, in punkto Autoabstimmung, Fahrtechnik, Training, Umgang mit den Medien und so weiter - eine Rundum-Ausbildung quasi, hinzu kommt die Ausbildung zum Fahrsicherheitsinstruktor.

Klaus Bachler ist dabei

Es hat sich diesmal aus Österreich Klaus Bachler beworben - und schaffte es auch in den Kader. Wurz sagt, er wisse noch nicht allzu viel über den Steirer (das Interview fand am ersten Tag des dreitägigen Shootouts statt, Anm. d. Red.), folgendes habe er aber bereits feststellen können: "Er war alleine in seinem Formel-3-Team - solche Ein-Wagen-Teams sind immer schlecht, denn du brauchst einen zweiten Piloten, um einander zu puschen. Er ist ein Fahrer, wo man sieht, dass ein Grundtalent da ist, zum Beispiel bei Regenrennen, aber in anderen Bereichen noch zu arbeiten ist."

Auch körperlich wurde Bachler bereits umfassend getestet: "Wir wissen, dass er einen schweren Unfall hatte - beim Laufen knickt ihm die rechte Hüfte weg, daher müssen wir seine Kern-Muskeln unbedingt stärken. Nicht nur für das Rennauto, sondern auch für seine Lebensvorsorge. Beim Kardio-Vasco war er gut, denn er war beim Peep-Test einer der letzten - er trainiert also, aber ist noch nicht optimiert."

Wurz fügt hinzu: "Wir versuchen ihm Selbstvertrauen zu geben, wie er mit den Medien spricht und sich darstellen kann, wie er eine Gruppe leitet. Ob das dann eine Gruppe beim Fahrtechniktraining sein wird oder eine Gruppe von Mechanikern und Ingenieuren in einem Rennteam sei einstweilen dahingestellt - aber er muss die Leute lesen können, er muss auf sie zugehen können."

Und: "Dann gibt es den Bereich der Fahrzeugdynamik - die meisten fahren in diesem Stadium noch aus dem Talent heraus. Wenn du ihnen erklärst, was dahinter steckt, dann machen sie es nicht mehr nur intuitiv, sondern können es auch bewusst machen. Wenn ich etwas bewusst mache, kann ich es viel leichter analysieren - dann weiß ich auch, was ich dem Ingenieur sagen kann."

"Das hat auch schöne Effekte: Wenn dann ein Teamkollege sieht, dass sich der andere Fahrer ganz anders mit der Fahrzeugdynamik beschäftigt, dass er über Lastwechsel nachdenkt und so weiter, dann wird der ja auch mitgezogen, und so profitiert letztendlich der ganze Sport."

Trickkiste ist offen

Wurz gilt seit seiner Zeit als McLaren-Tester als Edeltestpilot, auch über die Formel 1 hinaus - erst unlängst überraschte er mit seiner Unterschrift im neuen Langstreckenteam von Toyota, wo man beim Entwickeln des brandneuen LMP1-Boliden auf die Abstimmungskenntnisse von Wurz baut.

Wie tief lässt sich Wurz von seinen Schülern in die persönliche Trickkiste schauen? Wurz sagt ohne nachzudenken: "So tief die Fahrer wollen." Er räumt jedoch ein: "Nur musst du ja zuvor ein gewisses Grundwissen über Jahre hinweg aufbauen, um davon wirklich profitieren zu können oder überhaupt die richtigen Fragen stellen zu können."

Doch Wurz erinnert sich: "Der Kevin Abbring hat mich ausgesaugt, der würde mir auch 24 Stunden am Tag Fragen stellen - und das obwohl er Rallyefahrer ist, denn die Fahrzeugdynamik ist im Grunde bei allen Autos gleich." Abbring war es auch, dessen Aussage Wurz anführt, wenn es darum geht, was ihn an dieser Arbeit fasziniert: "Der Kevin hat etwas sehr Schönes gesagt, nämlich: 'Wenn du etwas lernen willst, dann kannst du in der Akademie so viel lernen, dass es unglaublich ist!' Und das ist für mich ungemein erfüllend."