• 30.12.2008 11:37

  • von Pete Fink

Was ein Detroit-Rückzug für NASCAR bedeuten würde

Das weitere Schicksal der drei US-Autobauer steht auf der Kippe - welche Auswirkungen hätte ein Hersteller-Rückzug für die NASCAR?

(Motorsport-Total.com) - Als Bill France am 14. Dezember 1947 die National Association for Stock Car Auto Racing gründete, lächelten die mächtigen Auto-Bosse in Detroit über die neue NASCAR-Organisation im Süden. StockCar-Racing war in "Corporate America" nicht salonfähig, sondern wurde als eine regionale Randerscheinung behandelt.

Titel-Bild zur News:

Ist Toyota der lachende Vierte aus den Problemen der Detroit-Three?

Das änderte sich schnell. Das Konzept der rennfahrenden Ladenautos ging auf, die Zuschauerzahlen explodierten. Plötzlich wurde der Begriff "Win on Sunday, sell on Monday" geboren, denn wenn das aktuelle Chevrolet-Modell dauerhaft die Oberhand über die Fords, Chryslers oder Pontiacs behielt, spürten das auch die Autohändler: Deren Absätze stiegen oder - im Misserfolgsfall - sanken.#w1#

Seit dieser Zeit mischten die US-Autokonzerne kräftig im so lukrativen NASCAR-Geschehen mit. Weder die Sicherheitsfragen Ende der 1950er Jahre, noch einige Ölkrisen in den 1970er Jahren konnten eine dauerhafte Absenz der "Detroit Three" rechtfertigen. Zu Recht, denn aus einem wilden Haufen von Whiskyschmugglern wuchs gleichzeitig ein milliardenschweres Motorsport-Business heran, das heute nach wie vor die Nummer-Zwei-Sportart der USA darstellt.

In diesem historischen Kontext ist auch die Aussage von NASCAR-Chef Brian France, dem Enkel von NASCAR-Gründer Bill France, zu verstehen, der angesichts der Finanzkrise eine klare Stellung bezog: Wenn sich die Autokonzerne aus der NASCAR verabschieden würden, dann, so France, sei "dies für uns keine Frage von Überleben oder Sterben" mehr.

Überleben auch ohne Hersteller

Jeff Gordon Rick Hendrick

Auch Jeff Gordon und Teambesitzer Rick Hendrick sind nicht unbeeindruckt Zoom

Wie sich die Zeiten doch ändern: Die Organisation NASCAR hat im Gegensatz zu Detroit für Krisenzeiten gut vorgesorgt. Langfristige TV-Verträge sind genauso sattelfest unter Dach und Fach, wie ein auf 70 Millionen US-Dollar pro Saison geschätztes Titelsponsoring. Auch fast alle der involvierten Top-Konzerne halten dem Sprint-Cup als Sponsoren die Treue.

Das wollen auch die drei schwer angeschlagenen US-Autobauer. Deren Überleben hängt momentan am seidenen Faden, und dies wiederum betrifft die Teams der NASCAR in drei wichtigen Bereichen: Direkte Zahlungen an die Teams und deren Top-Piloten, fast der gesamte Bereich der Weiterentwicklung rund um die Motoren und natürlich die Ingenieursunterstützung, etwa in Sachen Aerodynamik.

Genaue Zahlen über den Gesamtumfang des Herstellerengagements gibt es keine. Schätzungen gehen von einem Gegenwert weit über der 100-Millionen-US-Dollar-Grenze aus. Herunter gebrochen auf ein NASCAR-Team vermutet man einen Budgetanteil zwischen 10 und 20 Prozent. Der Rest des Jahresetats stammt aus der Kasse der jeweiligen Sponsoren.

Daher sieht etwa Jeff Gordon keinen Grund für Untergangsszenarios - selbst im Fall eines kompletten Rückzuges der Hersteller: "Es ist NASCAR zu verdanken, dass sie eine Serie geschaffen haben, die auch ohne Hersteller operieren kann. Ich will das zwar niemals mit ansehen müssen, aber dieser Sport könnte überleben", zitierte die 'USA Today' den Hendrick-Piloten.

Vorteil Toyota?

Jeff Burton

Jeff Burton hat ein genaues Auge auf die Geschehnisse bei Toyota Zoom

Denn die große Frage ist, ob und wie viel Geld aus dem Rettungstopf der US-Regierung für die diversen NASCAR-Engagements übrig bleiben wird. Vor allem General Motors und Chrysler hängen eng am Infusionstropf Washingtons, deren 14 Milliarden US-Dollar umfassendes Soforthilfepaket mit strengen Auflagen verbunden ist.

Das Geld stammt aus den Töpfen der Steuerzahler und es kann davon ausgegangen werden, dass sich das Verständnis der Bevölkerung für eine potenzielle weitere NASCAR-Unterstützung nicht überall zeigen wird. Ein Überleben der Konzerne und der Jobs genießt - nicht zu Unrecht - absolute Priorität.

Wenn Chrysler und Chevrolet also darben, bedeutet dies dann einen Vorteil für die Teams von Ford und Toyota? Möglich, wie etwa Jeff Burton befürchtet: "Wenn alle Hersteller ihr Engagement zum Beispiel um 30 Prozent herunterfahren, dann macht das nicht viel Unterschied", so der Childress-Pilot.

"Wenn Toyota aber auch in Zukunft genauso viel Geld ausgeben wird und die amerikanischen Hersteller um 30 Prozent reduzieren müssen, dann wird das gewaltige Auswirkungen haben. Wenn Chevrolet bei Childress anrufen würde und sagen würde, 'wir können nicht mehr mitmachen', dann hätte dies einen ganz massiven Effekt."

Auch Toyota macht Verluste

Kyle Busch

Kyle Busch und Toyota - wer kann das ungeliebte Duo 2009 stoppen? Zoom

Dieser würde natürlich nicht über Nacht eintreten. Aber Kyle Busch gewann in einem Gibbs-Toyota 2008 bereits acht Saisonrennen. Seine beiden Teamkollegen Denny Hamlin und Tony Stewart steuerten je einen Erfolg bei. Macht zehn Toyota-Erfolge in 36 Saisonrennen.

Sollte sich Chevrolet zu Saisonbeginn wirklich komplett aus der NASCAR zurückziehen müssen, wäre es denkbar, dass sich die ersten Auswirkungen in den Playoffs 2009 zeigen. Und ein totaler Toyota-Durchmarsch wäre natürlich ein Stich mitten ins Herz des amerikanischen Vorzeigemotorsports.

Möglicherweise haben die Japaner aber die Zeichen der Zeit erkannt. Im März 2009 läuft das Toyota-Geschäftsjahr ab. Zum ersten Mal seit 1938 erwartet die Konzernführung in Tokio einen operativen Verlust von etwa 1,2 Milliarden Euro. Eine ganze Menge Geld, aber angesichts gut gefüllter Kassen keine existenzielle Gefahr wie im Fall Detroit.

Ein sensibler Umgang ist also gefragt, denn zum Jahreswechsel 2008/2009 ist in diesem hochspekulativen Puzzlespiel nur eine Binsenweisheit sicher: Änderungen hat es in der NASCAR immer gegeben und die France-Familie war mit ihrem Regelbuch 60 Jahre lang ein Weltmeister in der Anpassung an strukturelle Umstände.