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  • 19.01.2008 13:36

  • von David Pergler

Warum Franchitti in die NASCAR wechselte

Am Geld lag es nicht, warum Dario Franchitti die IndyCars verließ - unterdessen schildert sein Spotter Mike Calinoff, wie der Schotte zurecht kommt

(Motorsport-Total.com) - Dario Franchitti hätte die IndyCars so oder so aufgegeben, selbst wenn Chip Ganassi ihn nicht in sein NASCAR-Team gelockt hätte. Man sollte eigentlich meinen, dass ihm der Abschied von dort nach 2007, dem Jahr seines endgültigen Durchbruchs als Champion von dort schwer fiel. Doch der Schotte hatte sich gedanklich längst von den Einsitzern losgelöst und fieberte den Stock-Cars schon lange entgegen.

Titel-Bild zur News: Dario Franchitti

Dario Franchtti wehrt sich gegen Gerüchte, er hätte nur des Geldes wegen gewechselt

Dabei war es nicht das Geld, welches ihn vom Sprint-Cup träumen ließ. Er war der IndyCar-Serie schlicht und ergreifend überdrüssig, wie er selber sagt: "Ich war mit den IndyCars an einem Punkt, wo ich mich selber fragte: 'Möchte ich das weitermachen?' Ich hätte diese Frage stets mit 'Ja' beantwortet. Als mein Freund Greg (Moore, Anm. d. Red.) ums Leben kam, habe ich mir diese Frage auch gestellt und selbst da habe ich mit 'Ja' geantwortet."#w1#

Die Liebe zu den IndyCars war erloschen

Doch vergangenes Jahr sackte seine Motivation plötzlich auf null herab: "Mitte vergangener Saison entgegnete ich mir selbst auf diese Frage: 'Ich bin nicht sicher.' Es war eine seltsame Situation. Einerseits habe ich diesen großartigen Erfolg, dass ich alle diese Rennen gewonnen habe. Ich habe es geliebt. Zur selben Zeit wusste ich aber, dass nicht mehr die Motivation haben würde nächstes Jahr weiter zu machen", beschreibt der 34-Jährige, wie der Abwanderungsgedanke in seinem Kopf immer größer wurde.

"Ich war nicht sehr glücklich mit den dichten Rennen auf den 1, 5-Meilen-Ovalen. Ich liebe es nach wie vor, das Auto in Indianapolis, auf Straßenkursen und kurzen Ovalen zu fahren", fährt Franchitti fort. "Aber irgendetwas in meinem Kopf sagte mir 'Ich möchte das hier nicht mehr machen.' In Gedanken habe ich mich von den IndyCars verabschiedet. Ich wollte Sportwagen fahren, aber mein Ziel Nummer eins war die NASCAR."

Geld spielte keine Rolle

"Die letzten paar oder drei Jahre habe ich die NASCAR im Kopf gehabt. Ich war fasziniert von dem Gedanken, etwas neues zu probieren, um meine Motivation aufrecht zu erhalten" erklärt der Dodge-Pilot mit der Startnummer 40. Dabei sei es ihm aber auf keinen Fall ums Geld gegangen, wie ihm und dem Rest der "Open-Wheel-Gang" oft vorgeworfen wird.

Dario Franchitti

Dario Franchitti verließ die IndyCars aufgrund nachlassender Motivation Zoom

"Ich habe gehört 'Diese Jungs sind nur hinter dem Geld her', also ich, Hornish, Villeneuve, Carpentier, Juan (Pablo Montoya; Anm. d. Red.). In meinem Fall ist das nicht wahr. Ja, das Geld ist ganz nett, aber ich wurde auch schon in der IndyCar gut bezahlt und habe dort einige Jahre viel Geld verdient", betont der IndyCar-Champion von 2007.

Cainoff - ein neuer Partner an Franchittis Seite

Neu an seiner Seite ist Mike Calinoff. Dieser ist in Franchittis Premierensaison im Sprint-Cup dessen Spotter. Das bedeutet, er informiert seinen Fahrer über alles, was der Pilot selbst sicht sehen kann. Dazu gehört primär, dem Fahrer mitzuteilen, was sich rechts und links neben dessen Auto tut. Dies ist von dem Piloten vom Wageninneren aus schlecht einsehbar, außerdem kann es sich kein Mensch leisten, bei dichtesten Rennverkehr und Höchstgeschwindigkeit den Kopf zur Seite zu drehen, um zu realisieren, ob sich neben dem eigenen Auto noch ein Fahrzeug befindet.

Darüber hinaus informiert der Spotter seinen Fahrer über Unfälle, nachdem der Fahrer zwar gelbe Flaggen sieht, aber keine Ahnung darüber hat, wo sich die havarierten Fahrzeuge befinden. Den Piloten wissen zu lassen, wie er sich zeitenmäßig im Feld bewegt, ist ebenfalls eine der Aufgaben eines Spotters. Calinoff ist schon lange im Geschäft und arbeitete bereits mit imposanten Gestalten wie Matt Kenseth zusammen.

Durchbruch mit Matt Kenseth

"Ich bin seit 15 Jahren dabei", erzählt Calinoff seine Geschichte. "1999 habe ich mit meinem guten Freund Ricky Craven gearbeitet. Als sein Team die Pforten geschlossen hat, war ich ohne Job. Das war die schlechte Neuigkeit. Die Gute war, dass dieser Kerl namens Matt Kenseth aus Wisconsin gerade jemanden mit Erfahrung gesucht hat, als er sein Rookie-Jahr bestritt."

Mit Kenseth kam der Erfolg: "Der Rest ist Geschichte. Ich habe mit Kenseth sechs meiner besten Jahre des Lebens und meiner Karriere verbracht, inklusive einem bezahlten Trip nach New York City, um unsere Sprint-Cup-Meisterschaft von 2003 zu feiern."

Doch jetzt hat Calinoff einen neuen Partner an seiner Seite: "Die vergangenen beiden Saisons habe ich mit David Stremme gearbeitet. Diese Saison betreue ich mit einen weiteren Rookie, den Champion des 2007er Indy500 und der IndyCar-Meisterschaft, Dario Franchitti."

Franchitti ist lernbegierig

"Dieser Kerl ist ein echter Rookie. Mit nur ein paar Nationwide-Rennen in der Tasche findet sich der Open-Wheeler Tür an Tür mit Stock-Car-Meistern wie Jimmie Johnson, Tony Stewart und Kevin Harvick wieder. Dazu kommt, dass er es nicht gewöhnt ist, über eine lange Distanz Seite an Seite mit jemanden zu fahren. Alleine mit drei Jungs an seiner Seite im Draft an einem Ort wie Talladega - das wird spaßig", lacht der Franchitti-Spotter.

"Aber es wird alles gut werden. Zu aller erst: Der Kerl kann fahren. Das ist recht augenscheinlich in einem Sport, der einen für schlechte Resultate bestraft. Zweitens ist er ein ausgemachter Schwamm. Er möchte so viel lernen, wie es geht, er nimmt gerne Ratschläge an und hat realistische Erwartungen. Diese Elemente werden uns helfen, wenn wir einen Saisonkalender von 36 Rennen gegen die Besten der Besten des Motorsports in Angriff nehmen", zeigt sich Calinoff zuversichtlich, dass Franchitti seine erste Saison gut überstehen wird.

"Der Kerl kann fahren." Mike Calinoff

Bei den IndyCars gibt es zwar auch einen Spotter, insofern ist Franchitti mit diesem System bestens vertraut, dennoch gibt es vieles, was der Schotte neu dazulernen muss: "Spotting im Windschatten ist eine Frage des Timings und der Kommunikation. Ich meine das so: Wenn etwas auf der Strecke passiert, geht das immer sehr schnell. Die Jungs verlassen blitzartig die Linie, schießen in die Mitte oder springen nach außen, das alles mit einem einzigen Wimpernschlag", erklärt Calinoff das Prinzip des Spottings.

Beeindruckende Testergebnisse

"Sobald ich das Bild sehe, verarbeite ich es in meinem Gehirn, dann drücke ich den Knopf und funke meinen Fahrer an. Von dort geht es in die Ohren des Fahrers und dann erreicht es sein Gehirn, wo er es verarbeitet und entsprechend reagiert. Das klappt noch alles auf Strecken wie Michigan oder Fontana. Diese Pisten verzeihen Fehler. Aber wenn man Rennen mit Restrictor Plates bestreitet, bleibt diese Großzügigkeit in der Garage", schildert der Franchitti-Spotter.

Während der Daytona-Windschatten-Tests am Dienstag zeigte Franchitti bereits, dass er auch mit Stock-Cars gut zurechtkommt und ließ Größen wie Tony Stewart und Dale Earnhardt Jr. hinter sich. Das beeindruckte auch seinen Spotter: "Wir fuhren 15 Runden lang wie alte Veteranen. Dario hat einen unglaublichen Job erledigt. Er sah entspannt aus und wenn er entspannt ist, ist es jeder andere im Team auch. Wir haben verschiedene Drafting-Läufe absolviert mit exzellenten Resultaten: Insgesamt Platz fünf und der zweitschnellste Dodge des Tages."

"Er sah entspannt aus und wenn er entspannt ist, ist es jeder andere im Team auch." Mike Calinoff

"Auch am letzten Tag gab es keine Ruhe, als drohender Regen NASCAR zwang, die Mittagspause zu streichen und die Tests fortzusetzen. Wieder haben wir einige Läufe absolviert und Dario hat viel gelernt. Wir haben an einigen Draft-Techniken gearbeitet und dem richtigen Timing zum Überholen. Auch auf unsere Kommunikation haben wir uns konzentriert. Mit anderen Worten: 'Wenn ich dies sage, dann meine ich jenes'. Es wird für uns sehr wichtig sein, auf einem Dampfer zu sein, wenn das Spektakel losgeht. Für Schule ist nicht mehr viel Zeit", erklärt Calinoff, dass auch die banalsten Dinge geklärt werden müssen.