Scott Speed: Die Bilanz nach einem Jahr NASCAR
Ex-Formel-1-Pilot Scott Speed erlebte 2009 eine unauffällige Debütsaison im Sprint-Cup und weiß nun: In Motorsport-Europa ist nicht alles besser
(Motorsport-Total.com) - Neben Juan Pablo Montoya hat die Formel 1 seit einiger Zeit einen zweiten ehemaligen Piloten in der NASCAR. Wenn auch relativ unbemerkt, denn Scott Speed erlebte 2009 eine sehr durchwachsene und eher unauffällige Debütsaison im Sprint-Cup. In der Fahrerwertung holte der 26-jährige Kalifornier Rang 35, in der Ownerwertung landete sein Red-Bull-Toyota mit der Startnummer 82 auf Platz 36.

© Red Bull
Scott Speed hat nun eine Sprint-Cup-Saison auf seinem NASCAR-Buckel
Das liegt übrigens daran, dass Speed zweimal (Darlington und Sonoma) im privaten Toyota Camry von NASCAR-Veteran Joe Nemechek saß, als er sein eigenes Auto nicht qualifizieren konnte. So kam er insgesamt auf 35 der 36 Punkterennen, während sein Auto nur 33mal in Erscheinung trat. Deshalb hat Speed - Stand heute - auch kein automatisches Startrecht für das Daytona 500.#w1#
Das könnte sich aber noch ändern, falls ein Team aus den Top 35 der Ownerwertung (zum Beispiel die vermutlich stillgelegte Startnummer 44 von Richard Petty Motorsports) in der Saison 2010 nicht mehr antritt, und die Ownerpunkte auch nicht weiterveräußern sollte. Speed und die Startnummer 82 von Team Red Bull würden in diesem Fall nachrücken.
Das Frühjahrsrennen von Talladega blieb sein persönlicher Höhepunkt, als er einen ausgezeichneten fünften Rang holte. Dieser einzigen Top-10-Platzierung 2009 standen jedoch sieben Crashes und zwei Motorenschäden gegenüber. Parallel sammelte Speed in der Nationwide-Serie weitere NASCAR-Fahrpraxis, wo er immerhin achtmal in 13 Starts unter die Top 10 fuhr.
Im Cup herrschen noch einmal andere Regeln

© Red Bull
Ohne Kaltverformung geht es nicht: Sieben Crashes erlitt Scott Speed 2009 Zoom
So kann Speed ein gemischtes Fazit ziehen: "Einige Dinge waren schwieriger als ich dachte, aber viele Dinge waren auch leichter als ich erwartete", urteilte der Kalifornier. "Härter als vermutet war ganz sicher das Racing im Sprint-Cup. Ich war in diesen Autos beim Testen auf Anhieb sehr schnell, weshalb wir uns dazu entschlossen haben, das Cup-Programm ein Jahr vorzuziehen."
"Aber ich hatte auch relativ wenig Vergleichsmöglichkeiten, denn ich fuhr zuvor ja nur in der ARCA-Serie und bei den Trucks. Beides zwar recht erfolgreich, aber wenn du das nächste Level erreichst, dann wird das Racing mit einem Schlag sofort um ein vielfaches härter." Eine Erfahrung, die sich mit den Beobachtungen Montoyas deckt. "Im Cup hängen die Trauben viel höher", stellte der Kolumbianer Ende 2007 fest, nachdem er seine erste volle Saison absolviert hatte.
Montoya bekam übrigens Ende 2007 im zarten Alter von 32 Jahren und mit immerhin sieben Grand-Prix-Siegen in 94 Formel-1-Starts den NASCAR-Titel "Rookie of the Year" überreicht, was ihn damals ziemlich amüsierte. An Speed ging dieser Kelch vorüber, denn er unterlag 2009 im Rookie-Duell gegen das 19-jährige NASCAR-Wunderkind Joey Logano (Gibbs-Toyota).
Keine Tests als schweres Manko

© Red Bull
Der silberne Red-Bull-Toyota hielt sich 2009 bevorzugt im Mittelfeld auf Zoom
Der Ex-Toro-Rosso-Pilot weiß, wo die Gründe liegen: "Im Cup hast du nur 90 Minuten Trainingszeit, bevor du in die Qualifikation gehst. Danach gibt es vor dem Rennen nur zwei weitere Trainingsstunden. Du hast also sehr wenig Zeit, um zu lernen. Und genau deswegen ist die Erfahrung in diesem Sport so wertvoll, vor allem auch wegen des Testverbotes. Das macht die Sache für uns Neulinge noch einmal härter."
Zumindest in der reinen Praxis, denn abseits der Strecke kann der Pilot Speed "rein aus der Fahrersicht jeden der Topjungs der NASCAR anrufen. Sie würden mir alle nach besten Kräften helfen. Ich kann also unter richtig guten Leuten auswählen, die mir Tipps und Hilfe geben würden. Das liegt meiner Meinung nach vor allem daran, dass ich in meiner ersten Saison viel Respekt gezeigt habe und keine Dummheiten veranstaltet habe."
Vor allem dieser Zusammenhalt unter den Piloten ist einer der größten Unterschiede zwischen NASCAR und Formel 1. "Das ist eine so unterschiedliche Kultur, dass es sehr schwer zu beschreiben ist. Es ist um 180 Grad verschieden und es gibt viele Dinge, die ich sehr mag. Es ist wie eine große Familie, jeder kümmert sich um diejenigen, denen es gerade nicht gut geht."
In Motorsport-Europa ist nicht alles besser

© Red Bull
Besuch aus Europa: Sebastian Vettel (mi.) mit Brian Vickers (li.) und Scott Speed Zoom
Für den Europa-erfahrenen Speed eine "typisch Amerikanische Mentalität. Aber ich glaube nicht, dass sie das überhaupt bemerken, denn die meisten kennen es ja gar nicht anders. Aber ich kenne Europa und die Formel 1. Dort ist alles ganz anders und es ist bei weitem nicht so, dass dort alles besser ist. Diesen NASCAR-Lifestyle zu erleben, diese Kultur zu leben, und das meine ich nicht nur als Rennfahrer, war für mich, der schon viel gesehen hat, auch persönlich ein großes Plus."
Einen großen Beitrag dazu lieferte auch Speeds Dauersponsor Red Bull. "Jeder kann in der Öffentlichkeit ein Fake-Image abgeben und die meisten machen das sicherlich auch. Ich versuche aber, so ehrlich wie möglich rüberzukommen, was für meine Karriere nicht immer das Beste war. Aber glücklicherweise habe ich mit Red Bull einen Sponsor, der mich dazu ermutigt."
Diese Unterstützung war "wahrscheinlich auch der einzige Grund, warum ich im Motorsport soviel Erfolg hatte. Ich habe einen Sponsor, der sich um mich kümmert und mich so sein lässt, wie ich bin. Ich muss niemals solche Standardfloskeln von mir geben wie: 'Ich danke meinen fünf unterschiedlichen Sponsoren und natürlich ist mein Auto gut'. Solche Dinge muss ich nicht von mir geben, wenn eine Fernsehkamera auf mich gerichtet ist."
Team Red Bull wird das Jahr 2010 mit unveränderter Mannschaft angehen. Scott Speed und Brian Vickers werden wieder mit den Startnummern 82 und 83 antreten. Für Speed wird es darum gehen, seinen Toyota Camry dauerhaft in den Top 35 der Ownerwertung platzieren zu können. Die Siegerkohlen soll Vickers aus dem Feuer holen, denn nach NASCAR-Maßstäben ist Speed immer noch ein Greenhorn. Das Beispiel Montoya zeigt deutlich, dass mindestens zwei Sprint-Cup-Jahre der Umgewöhnung notwendig sind. Red Bull wird ihm diese Zeit geben.

