• 05.01.2010 00:05

  • von Pete Fink

Keselowski: Böser Bube - ab sofort ganz zahm?

Brad Keselowski hat die Dauerfehde mit Denny Hamlin hinter sich gelassen - viel Lob von Penske und ein perfekter Jimmie Johnson als Vorbild

(Motorsport-Total.com) - In den vergangenen Jahren erlebte ein Sprint-Cup-Rookie selten eine so außerordentliche Debütsaison wie Brad Keselowski 2009. Zu Beginn des Jahres war eigentlich geplant, dass der Schützling von NASCAR-Superstar Dale Earnhardt Jr. lediglich sieben Sprint-Cup-Auftritte als fünfter Hendrick-Pilot absolvieren würde, um in der Saison 2010 dann um den offiziellen Rookie-Titel mitkämpfen zu können.

Titel-Bild zur News: Brad Keselowski

Die Sternstunde von Brad Keselowski: Sieg beim Talladega-Drama im April

Aus diesen sieben geplanten Rennen wurden am Ende 15, der Rookie-Titel ist damit für immer Geschichte. Aber unter diesen Auftritten befand sich ein spektakulärer Talladega-Sieg im absoluten Außenseiter-Chevrolet von Phoenix Racing, natürlich einem Hendrick-Kundenteam. Dazu Gesamtplatz drei in der Nationwide-Serie mit insgesamt vier Saisonsiegen, eine beinahe handgreifliche Privatfehde mit NASCAR-Ass Denny Hamlin und im Herbst schließlich ein lukrativer Sprint-Cup-Vertrag bei Roger Penske.#w1#

Keselowski ist also ein in fast allen Bereichen untypischer Sprint-Cup-Debütant. Dabei ist der Noch-25-Jährige, dem man sein relativ fortgeschrittenes Alter übrigens keineswegs ansieht, nach alteingesessenen NASCAR-Maßstäben keineswegs ein Spätstarter. Doch gemessen an wirklichen Youngsters vom Schlage eines Kyle Busch oder zuletzt Joey Logano fand sein Debüt durchaus mit Verspätung statt.

Nicht ohne Grund, denn für die gesamte Rennfahrerfamilie Keselowski aus dem US-Bundesstaat Michigan lag das Geld nie auf der Straße. Was ebenso für Vater Ron und Onkel Bob, sowie für Bruder Brian galt. Deshalb musste sich der junge Brad über das Truck-Team seines Vaters und einige Nationwide-Einsätze in der chronisch unterfinanzierten Mannschaft von Keith Coleman hoch arbeiten, bevor im Sommer 2007 der vermeintlich große Wurf in Form eines Engagements bei JR Motorsports kam.

Neustart bei Roger Penske

Brad Keselowski

Erfolg: Brad Keselowski holte zweimal Gesamtplatz drei in der Nationwide-Serie Zoom

Auch im hierzulande spätestens seit der medienwirksamen Promi-Hochzeit mit Danica Patrick bekannten Earnhardt-Team blieben Nationwide-Topergebnisse zunächst aus. Doch Earnhardt und der legendäre Crewchief Tony Eury Sr. hielten an Keselowski fest, der sich 2008 und 2009 prompt bedankte. Der JR-Chevy mit der Startnummer 88 holte sich hinter der Sprint-Cup-Assen bestehend aus Kyle Busch, zweimal Carl Edwards und Clint Bowyer jeweils Platz drei.

Eigentlich schienen damit alle Weichen auf ein Sprint-Cup-Engagement im NASCAR-Dream-Team von Rick Hendrick gestellt. Nur konnte sich Oldie Mark Martin nicht zum endgültigen Ruhestand durchringen, und begründete dies auch eindrucksvoll mit seiner Vizemeisterschaft 2009. Und ob in zwei Jahren dann Danica Patrick den vierten Hendrick-Chevrolet übernehmen wird, und mit Earnhardt, Jimmie Johnson und Jeff Gordon ein spektakuläres Fahrerquartett bilden wird, darf zumindest als nicht gerade unwahrscheinlich angenommen werden.

Zudem hatte Talladega-Sieger Keselowski ganz offenbar wenig Lust darauf, zwei Jahre lang bei einem der Hendrick-Kundenteams geparkt zu werden. Nur um dann - im Fall aller Fälle - mit ansehen zu müssen, dass Patrick dauerhaften Spaß an der NASCAR gefunden hat. Roger Penske hingegen bemühte sich schon Mitte 2008 um das Talent aus Michigan. Ein Jahr später schlug Keselowski ein und ist nun im Besitz eines der sichersten Cockpits in Motorsport-USA. Natürlich nur, wenn die Leistung stimmt.

Bei Penske ersetzt Keselowski den unglücklichen David Stremme. Voraus eilt ihm ein gewisser Ruf, denn zu frisch ist noch die Nationwide-Dauerfehde mit Denny Hamlin, der sich als sehr nachtragender Kontrahent entpuppte. "Natürlich mache ich mir darüber Gedanken", erklärte Keselowski. "Ich wäre dumm, wenn ich das nicht täte. Aber viel kann ich dabei nicht machen."

Kein Heiligenschein

Brad Keselowski

Sieben Mal saß Keselowski 2009 im Sprint-Cup-Chevy von Rick Hendrick Zoom

Er spekuliert darauf, "dass die Zeit die Wunden heilen wird. Ich höre auch von einer Liste von Fahrern, die mich nicht mögen. Mit mir gesprochen hat jedenfalls noch niemand." Neben Hamlin äußerte sich auch dessen Spezi und Gibbs-Teamkollege Kyle Busch nicht gerade positiv über den vermeintlichen Bösewicht Keselowski.

Auffällig in diesem Disput war, dass der Penske-Pilot kein Nachkarteln initiierte. Dies überließ er der Sprint-Cup-Prominenz. "Das ist genauso sein Recht, wie es meines ist, nichts zu sagen", gibt sich Keselowski deutlich. "Ich respektiere das, denn ich will keinen Richter spielen, und einen Heiligenschein trage ich sicher auch nicht."

Der 26-Jährige hat die Nationwide-Vorkommnisse 2009 also "abgehakt. Auf der Strecke werde ich 42 Gegner haben. Ich habe auch keine Scharmützel mit ihnen, für mich ist die ganze Sache vorbei. Außerdem hatte ich noch nie ein gutes Gedächtnis, wenn es darum ging, wer wen abgeräumt hat." Er nennt dies ein "Offensivspiel. Viele versuchen, nur nichts zu verlieren. Das ist nicht mein Stil. Ich konzentriere mich nur auf das, was vor mir liegt."

Das gefällt Penske-Präsident Tim Cindric. "Meiner Meinung nach liegt es an den Fahrern, die Dinge zu regeln, die auf der Strecke passieren", lautet die Einstellung des neuen Keselowski-Chefs. "Dabei Schiedsrichter spielen zu wollen, ist Zeitverschwendung. Uns geht es darum, wie so etwas nach dem Rennen gehandelt wird." Für Cindric "war Brad ehrlich, aber nicht respektlos."

Jimmie Johnson ist perfekt

Brad Keselowski

Die letzten drei Saisonrennen 2009 bestritt Keselowski bereits für Roger Penske Zoom

Bei Penske weiß man also gut, was für ein Kaliber man sich eingekauft hat. "Er ist entschlossen und aufrichtig. Seine Arbeitsauffassung finde ich erfrischend. Er konzentriert sich sehr darauf, Erfolg zu haben, aber man kann ihn führen. Er hat seine Meinung, aber er hört dir zu. Wenn eine Diskussion vorbei ist, dann ist er einer derjenigen, auf die man Einfluss haben kann, wenn man ihm gute Informationen gegeben hat."

Keselowski selbst gibt sich bescheiden. "Natürlich kann ich noch vieles lernen." Vor allem bei Penske. "Ich will wissen, welche Ressourcen dort greifen, und wo die Stärken und Schwächen sind. Denn oft wird übersehen, dass der Fahrer in einem guten Team immer eine Führungsrolle innehat. An ihm liegt es, das Schiff zu steuern und die Richtungen festzulegen. Es ist mehr, als nur das Auto zu fahren."

Ein Top-Pilot "braucht Führungsqualitäten, denn du bist das Gesicht des Teams." Gelernt hat er diese Einstellung offenbar in seiner Zeit im Umfeld von Rick Hendrick. Dies verdeutlicht sein Beispiel: "Auf dem Cup-Level dreht sich alles um Perfektion. Und genau das ist es, was Jimmie Johnson so auszeichnet. Er ist perfekt." Vier NASCAR-Titel in Folge geben ihm wohl recht. Ganz ohne Privatfehden.