• 17.08.2013 11:40

  • von Pete Fink

Kolumne: Was macht Montoya jetzt?

Juan Pablo Montoya wird 2014 in der NASCAR nicht mehr für Chip Ganassi fahren - Pete Fink schreibt in seiner Kolumne über die Hintergründe und Konsequenzen

Liebe NASCAR-Fans,

Titel-Bild zur News: Juan Pablo Montoya

Juan Pablo Montoya: Was wird der Kolumbianer nun machen? Zoom

es ist irgendwie nur sehr schwer vorstellbar, aber offensichtlich eine Tatsache. Juan Pablo Montoya und Chip Ganassi gehen getrennte Wege. Die beiden verbindet seit der Saison 1999 eine enge Männerfreundschaft, als der damals 24-jährige Kolumbianer den CART-Titel holte und ein Jahr später das Indy 500 gewann. Für Chip Ganassi Racing bedeutete dies den ersten Triumph beim Indy 500 und so ist es leicht nachvollziehbar, dass Ganassi seinen Star-Piloten anschließend mit mehr als nur einem tränenden Auge in Richtung Formel 1 ziehen ließ.

Wie eng die Freundschaft wirklich ist, verdeutlicht das Montoya-Comeback: Anfang Juli 2006 kommt es in Indianapolis zur Startkollision mit McLaren-Teamkollege Kimi Räikkönen, es folgt ein frustrierter Montoya-Anruf bei Ganassi und eine spontane Einladung nur eine Woche später zum NASCAR-Rennen auf dem Chicagoland Speedway. Dort staunt der Noch-Formel-1-Pilot Montoya über die gewaltige NASCAR-Atmosphäre und unterschreibt kurz danach seinen zweiten Ganassi-Vertrag.

Ich kann mich noch gut an die Reaktionen von damals erinnern. Große Teile der Formel-1-Welt schüttelten mit dem Kopf und fragten sich: Was will er denn bei den Cowboys, die nur im Kreis herum fahren? Die NASCAR-Leute freuten sich diebisch, denn quasi über Nacht kam plötzlich ein weltweit bekannter Top-Star in die Stock-Car-Szene. Ganassi und sein damaliger Hauptsponsor ließen es sich nicht nehmen und produzierten damals sogar ein eigenes "Welcome-Video" für Montoya, die NASCAR-Chefetage kommunizierte ihn als neues Promo-Flagschiff, um Lateinamerika für den NASCAR-Sport zu begeistern.

Hinter den Kulissen herrschte eher eine Art Neugierde. Wie wird sich ein absoluter Top-Mann der Formel-1-Welt auf den US-amerkanischen Speedways verkaufen können? Tausche ein High-Tech-Gerät gegen einen schweren V8 ohne Downforce. Rechtskurven ade, viermal links herum und Vollgas. Bremsen braucht kein Mensch, so schwer kann das doch nicht sein. Pustekuchen. Von wegen. 239 Sprint-Cup-Rennen später hat Montoya auf dem Oval immer noch nicht gewonnen.

Disziplinjahr 2009 als Ausreißersaison

Dabei ist er aber nicht der einzige, denn er war zwar der wohl unfreiwillige Anführer einer wahren Open-Wheel-Welle, aber auch ein Jacques Villeneuve oder ein Dario Franchitti mussten erkennen, wie hoch die Trauben in der NASCAR hängen. Was jedoch passierte: Plötzlich interessierte sich eine internationale Fan-Schar für die NASCAR. Plötzlich gaben auch Top-Leute wie ein Mattias Ekström oder Montoyas ehemaliger McLaren-Teamkollege Kimi Räikkönen Gastspiele in der NASCAR. Das Resultat ist bekannt: Die Oval-Profis aus den USA zeigten den neugierigen Europäern, wo der Hammer hängt.

Juan Pablo Montoya

Kein Glück in der 42: Chip Ganassi hat die Reißleine gezogen Zoom

Formulieren wir es mal so: So ernsthaft wie Montoya hat sich noch nie ein außenstehender Top-Star mit dem Thema NASCAR beschäftigt. Und trotzdem kam er bei und mit seinem Kumpel Ganassi nicht auf einen grünen Zweig. Allerdings kann auch Ganassi nicht von sich behaupten, dass er sich in der NASCAR bisher gegen die Hendricks, Gibbs, Roush oder Childress dieser Welt durchsetzen konnte. Selbst ein Roger Penske, der große Name im US-amerikanischen Motorsport, holte erst 2012 mit Brad Keselowski seinen ersten Sprint-Cup-Titel.

Es heißt immer, dass man in der NASCAR drei bis vier Jahre brauchen würde, um sich wirklich mit den ganz speziellen Anforderungen anzufreunden. Insofern lag Montoya in der Saison 2009 auf Kurs, als er sich zum ersten und bisher einzigen Mal in den Chase fahren konnte. Es war eine knallharte Disziplinübung, denn sein damaliger Crewchief Brian Pattie setzte Montoya zu Saisonbeginn 2009 eine simple Rechnung vor: Komme im Schnitt auf Rang 14 ins Ziel und du stehst im Chase. Montoya hat an ihn geglaubt, fuhr 18 Mal in die Top 10 und wurde am Jahresende Achter.

Ein Jahr später hatte er dann in Indianapolis seinen ersten Oval-Sieg quasi schon in der Tasche, als er klar in Führung liegend beim letzten Boxenstopp zu schnell in der Boxengasse erwischt wurde. Ein dummer Fehler und anstelle von Montoya gewann sein Teamkollege Jamie McMurray. Natürlich schob er kurze Zeit später den Sieg in Watkins Glen hinterher, aber das ist nun einmal eine Rundstrecke und ein Montoya-Triumph dort ist völlig anders zu bewerten als auf einem Oval. Gleiches gilt natürlich für Sonoma 2007.

Wo ist das Siegerauto?

Rückblickend betrachtet, kommt es mir so vor, als wäre dieser verpasste Oval-Erfolg von Indianapolis 2010 eine Art Wendepunkt in der NASCAR-Karriere Montoyas. 2011 ging gar nichts mehr, Ganassi krempelte das Team mit der Startnummer 42 wieder einmal komplett um, aber der Schuss ging völlig nach hinten los. 2012 war noch schlechter als 2011 und offenbar half auch der zarte Aufwärtstrend 2013 nichts mehr. Ganassi hatte genug und zog nun die Reißleine. Eine völlig logische Entwicklung, die wohl ohne die Kumpelei der beiden schon viel früher passiert wäre.

Pete Fink Kolumne

Pete Fink vermutet einen bevorstehenden Montoya-Abschied aus der NASCAR Zoom

Montoya sagte am Freitag in Michigan, dass er den Braten schon gerochen habe. Es ist sehr auffällig und bezeichnend, wie oft er auf seiner Pressekonferenz davon sprach, dass er wieder in einem Siegerauto sitzen wolle. Der Umkehrschluss: Auch er traut Ganassi (in der NASCAR!) nicht zu, ihm ein solches Siegerauto zur Verfügung zu stellen. Dieser Wunsch hat beim bald 38-Jährigen Prio 1 und das ist genau der Grund, warum ich persönlich für eine NASCAR-Zukunft Montoyas schwarz sehe.

Erstens gibt es einfach keine freien Sieger-Cockpits und zweitens stellt sich die Frage, ob die in Frage kommenden prominenten NASCAR-Owner den Kolumbianer auch als einen Sieger-Piloten ansehen, wenn es denn freie Sieger-Cockpits geben würde. Ganz ehrlich: Bis auf den Childress-Chevrolet mit der Startnummer 29, den Kevin Harvick zurück lässt, ist weit und breit nichts da. Und genau dafür interessieren sich Kaliber wie Kurt Busch oder Ryan Newman, falls Childress nicht sowieso seinem Enkelsohn Austin Dillon den Vorzug geben wird.

Freilich könnte ein Joe Gibbs oder auch ein Jack Roush ein viertes Auto einsetzen, aber dazu müsste Montoya einen potenten, wirklich millionenschweren Sponsor mitbringen, der in der Lage ist, bis zu 20 Millionen US-Dollar pro Saison auf den Tisch zu legen. Ganz ehrlich: Solche Investoren oder Mäzene wachsen auch in der NASCAR nicht mehr auf den Bäumen. Vielleicht gibt es noch einen Funken Hoffnung, wenn sich die NASCAR-Oberen dazu entschließen, ihr für den lateinamerikanischen Markt so wichtiges Aushängeschild quasi von höchster Stelle aus zu unterstützen. Das ist aus meiner Sicht aber der einzige Montoya-Strohhalm.

Mein Tipp: IndyCars

Umgekehrt hat Ganassi nun ein Luxusproblem. Die angesprochenen Newman und Kurt Busch sind genauso eine denkbare Alternative wie Youngster Kyle Larson. Das Ganassi-Supertalent aus der Nationwide-Serie könnte sich ohne weiteres das Cockpit der Startnummer 42 mit NASCAR-Oldie Mark Martin teilen, der 2014 eine ähnliche Teilzeitsaison wie bisher fahren möchte. Wer den Aufschwung bei Michael Waltrip Racing verfolgt hat, der weiß, wie sehr ein Mark Martin einem mittelmäßigen NASCAR-Team weiterhelfen kann. Was natürlich genauso für den gerade 21 Jahre alt gewordenen Larson gilt.

Juan Pablo Montoya Chip Ganassi

Juan Pablo Montoya und Chip Ganassi: Das Ende einer langen Zusammenarbeit Zoom

Und was wird Montoya nun machen? Ich vermute, er weiß es tatsächlich selber noch nicht, wie er am Freitag in Michigan mehrmals zu verstehen gab. Aber seine Aussage, dass sein Herz immer am Formelsport gehangen sei, ist für mich ein sehr deutliches Rauchzeichen. Meine Vermutung: Wenn es bei den IndyCar jemanden gibt, der ihn bezahlen kann und ihm das geforderte Siegerauto hinstellt, dann wird Montoya 2014 wieder IndyCars fahren. Falls nicht, dann geht es wohl in Richtung Sportwagen und Le Mans.

Für die NASCAR wäre eine solche Entwicklung natürlich extrem schade, denn das wäre auch gleichbedeutend mit dem endgültigen Scheitern der Open-Wheel-Welle. Selbst einem A.J. Allmendinger oder einem Sam Hornish Jr. ist es nicht gelungen, in der Top-Liga der NASCAR dauerhaft Fuß zu fassen. Bleibt eigentlich nur noch Danica Patrick übrig, die ihre Lehrjahre aber noch vor sich hat. Für die IndyCars wäre dies natürlich ein Mega-Coup, aber: Gibt es dort wirklich ein den Montoya-Vorstellungen entsprechendes Budget?

Die kommenden Wochen und Monate werden es zeigen und eines ist auch sicher: Für die nach wie vor vielen Montoya-Fans weltweit wird es wohl eine sehr spannende Zeit werden. Mich haben in den letzten Tagen eine wirklich große Anzahl von Emails erreicht, die alle wissen wollten, wie es mit Montoya nun weitergeht. Leider kann auch ich zum jetzigen Zeitpunkt nur spekulieren und meine persönliche Meinung kundtun. Ich hoffe aber, wenigstens ein paar Hintergründe zusammengeführt zu haben.

In diesem Sinne und mit den besten Grüßen,
Euer Pete Fink