Kentucky-Wochenende als Start für goldene NASCAR-Zukunft?

Im Anschluss ans erste von vier Rennen mit einem experimentellen Aero-Paket sind die Fahrer und auch NASCAR größtenteils begeistert, aber es gibt noch Arbeit

(Motorsport-Total.com) - Für ein NASCAR-Rennen auf einem 1,5-Meilen-Oval bot das Quaker State 400 auf dem Kentucky Speedway am vergangenen Wochenende ausgesprochen munteres Racing. Grund war das erstmals eingesetzte Aero-Paket mit kleinerem Frontsplitter sowie kleinerem Heckspoiler und damit deutlich reduziertem Abtrieb. Allein unter Grün wechselte in Sparta, Kentucky die Führung 22 Mal, wobei nicht nur die offiziellen Führungswechsel bei Start/Ziel, sondern tatsächlich jedes einzelne Manöver im Kampf um Platz eins gezählt wurden.

Titel-Bild zur News: Carl Edwards, Denny Hamlin, Kyle Busch

Three-Wide um den Sieg: Die Gibbs-Piloten brannten in Sparta ein Feuerwerk ab Zoom

Die Fahrer äußersten sich im Anschluss an das Rennen begeistert. "Ich muss sagen, das neue Aero-Paket gefällt mir richtig gut, denn man kann anders als früher Manöver setzen. Man hängt nicht mehr zwangsläufig hinter einem anderen Fahrzeug fest", sagte Sieger Kyle Busch und präzisierte: "Als Logano nach oben zog, um die Linie zu blocken, habe ich ihn halt auf der Innenbahn überholt."

Auch der Zweitplatzierte Carl Edwards zeigte sich angetan. "Ich fühlte mich endlich wieder wie ein Rennfahrer. Am Lenkrad musste ich richtig arbeiten und wäre das eine oder andere Mal beinahe abgeflogen. Man hätte das Gefühl, wirklich etwas geleistet zu haben, anstatt nur auf einer Perlenschnur aufgereiht hintereinander her zu fahren."

NASCAR noch nicht hundertprozentig zufrieden

NASCAR-Chef Brian France gefällt ebenfalls, was er in der Nacht von Samstag auf Sonntag zu sehen bekam. "Keine Frage, es gab mehr Überholmanöver und die Autos waren schwieriger zu fahren", urteilt France gegenüber 'SiriusXM NASCAR Radio'. Hundertprozentig zufrieden war der NASCAR-Boss aber noch nicht.

"Was wir gerne sehen würden, wir aber kaum gesehen haben, ist mehr Windschattenfahren", so France. Um dieses Ziel zu erreichen, geht man beim Brickyard 400 auf dem Indianapolis Motor Speedway (26. Juli) und dem Pure Michigan 400 auf dem Michigan International Speedway (16. August) den umgekehrten Weg und setzt ein Aero-Paket mit mehr Abtrieb und mehr Luftwiderstand ein.

Race-Action auf dem Michigan Speedway

Auf dem Michigan Speedway wird wie in Indianapolis mit größerem Spoiler gefahren Zoom

Für das Southern 500 auf dem Darlington Raceway (6. September) kehrt man zum Kentucky-Paket zurück, setzt allerdings zudem eine weichere Reifenmischung von Goodyear ein. Diese war am vergangenen Wochenende aufgrund der Kürze der Zeit noch nicht verfügbar.

Im Anschluss an das Darlington-Wochenende werden es die NASCAR-Offiziellen mit den Aero-Experimenten gut sein lassen. Die zehn Chase-Rennen werden allesamt mit der 2015er-Standardkonfiguration bestritten. Auf welchen Weg oder auch welche Wege man sich für die Saison 2016 einigt, bleibt abzuwarten.

Tony Stewart wünscht sich Entgegenkommen von NASCAR

Der dreimalige NASCAR-Champion Tony Stewart erkennt bei all den Experimenten einen guten Ansatz, sieht aber auch einen Punkt, der ihn Kritik anbringen lässt: "Es liegt im Interesse aller von uns, die Fans glücklicher zu machen und bessere Rennen zu zeigen. Was für die Teams aber wirklich schwierig ist, sind die ständigen Änderungen. Schließlich müssen diese aus eigener Tasche bezahlt werden."

"Die Leute bei NASCAR entscheiden, dass sie etwas ändern wollen, aber wir sind diejenigen, die dafür aufkommen müssen. Deshalb fände ich es gut, wenn NASCAR einen Teil der Kosten übernimmt", so Stewart. France versucht zu beruhigen. "Wir werden das Paket weiter bewerten und dabei sicherstellen, dass wir nicht die Konten der Teams sprengen."

"Ich fände es gut, wenn NASCAR einen Teil der Kosten übernimmt." Tony Stewart

Ausgangspunkt für die kurzfristigen Veränderungen an der Aerodynamik mitten in der Saison waren nicht zuletzt die Fahrer. Im Rahmen der seit wenigen Wochen regelmäßig stattfindenden Meetings mit Fahrern, Crewchiefs, Renningenieuren, Reifentechnikern von Goodyear und NASCAR-Vertretern wurden zahlreiche Argumente auf den Tisch gebracht. Anschließend wurde abgestimmt und man einigte sich auf den nun eingeschlagenen Weg.

Stewart begrüßt dieses Vorgehen außerordentlich. "Diese Form der Zusammenarbeit zwischen NASCAR, den Teams und den Fahrern ist etwas, was ich in meinen 17 Jahren im Cup (Sprint-Cup, vormals Nextel-Cup, vormals Winston-Cup; Anm. d. Red.) nie erlebt habe. Jahrelang lief es so ab, dass man mal vorbeischaute und NASCAR einen Hinweis gab. Das war dann aber auch alles. Jetzt gibt es echte Meetings und man arbeitet Hand in Hand. Das ist für mich als Fahrer wie als Teambesitzer eine gleichermaßen aufregende Sache", bekennt "Smoke".

Konstruktive Meetings zählen zu Highlights in Gordons Karriere

Jeff Gordon, der genau wie Tony Stewart, Dale Earnhardt Jr., Kevin Harvick, Denny Hamlin, Greg Biffle und andere, zur Fraktion der regelmäßig mit den NASCAR-Oberen zusammensitzenden Fahrer gehört, stimmt zu: "Die zwei Meetings, die wir bisher hatten, zählen zu den Highlights meiner Karriere."

"Die Kommunikationskanäle auf diese Art und Weise zu öffnen, ist einfach großartig. Jeder Hersteller und zahlreiche Teams sind vertreten. Wenn man den Raum betritt, wird einem sofort klar, dass es allen darum geht, den Sport als Ganzes voranzubringen", so Gordon.

Dale Earnhardt Jun., Jeff Gordon, Kevin Harvick, Tony Stewart

Earnhardt Jr., Gordon, Stewart, Harvick und Co.: Seit Mai gibt es Meetings mit NASCAR Zoom

Verdachtsmomente, wonach der eine oder andere die Meetings nutzen könnte, um einen Weg in Richtung eines persönlichen Vorteils einzuschlagen, weist Gordon zurück: "Das spielt überhaupt keine Rolle, denn es gibt einfach zu viele andere Leute, die dich überstimmen. Das Entscheide ist, dass jeder seine Ideen auf den Tisch bringen kann. Das ist einfach phänomenal, denn man hat das Gefühl, gehört zu werden."

Stewart wünscht sich auf dem Weg zum perfekten Meeting lediglich noch einen Schritt. "Ich fände es gut, wenn Brian France selbst bei diesen Meetings dabei wäre", sagt "Smoke", um anzufügen: "Ich kann mir aber schon vorstellen, dass er viel um die Ohren hat."