• 24.09.2008 14:30

  • von Pete Fink

Ist Scott Speed ein NASCAR-Phänomen?

Scott Speed steht ganz offensichtlich unmittelbar vor seinem Sprint-Cup-Debüt bei Red Bull, aber kommt dieser Einsatz auch zum richtigen Zeitpunkt?

(Motorsport-Total.com) - Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz hat mit der NASCAR-Verpflichtung von Scott Speed scheinbar ein gutes Näschen bewiesen. Im Gegensatz zu nahezu allen Wechselkandidaten aus der Formelszene - vielleicht abgesehen von Juan Pablo Montoya - sorgt der 25-jährige ehemalige Formel-1-Pilot für jede Menge Furore.

Titel-Bild zur News: Scott Speed

Geht es nun los? Scott Speed bei den Sprint-Cup-Tests in Charlotte

Gestern trat Speed zum ersten Mal im Sprint-Cup in Erscheinung, als 51 Piloten auf dem Lowe's Motor Speedway testeten, und am Ende des Tages war der NASCAR-Rookie Zweiter. Obwohl es in Charlotte im Prinzip um nichts geht - außer der notwendigen 1,5 Meilen-Lizenz und Streckenpraxis im Car of Tomorrow (CoT) - passt dieses Resultat perfekt ins Bild seiner bisherigen StockCar-Leistungen.#w1#

Diese sind durchwegs beeindruckend: Die ARCA-Serie ist eine StockCar-Serie, die nicht unter dem NASCAR-Dach organisiert ist, in der jedoch viele Sprint-Cup-Chassis aus der Saison 2007 fahren, und sich einige Haudegen, sowie junge Talente tummeln. Speed liegt dort drei Saisonrennen vor dem Ende mit insgesamt vier Erfolgen in der Gesamtwertung vorne.

Was aber fast noch wertvoller ist, sind seine Leistungen in der Truck-Serie der NASCAR. Dort trat Speed 2008 bisher zehnmal an, holte einen Sieg und zwei dritte Plätze, sowie eine Pole Position. Kyle Busch und Jimmie Johnson lauteten unter anderem seine dortigen Gegner, die in der NASCAR natürlich zu den absoluten Spitzenleuten zählen.

Vollstes Vetrauen in Red Bull

Nun also Platz zwei bei den Charlotte-Tests im Sprint-Cup, was wiederum nichts anderes bedeutet, als dass Speed damit unterstrich, für einen geplanten Sprint-Cup-Einsatz gut vorbereitet zu sein. Er selbst wiegelte jedoch ab. "Es geht vor allem um Praxis", erklärte Speed im Vorfeld und ergänzte gestern: "Ich denke schon, dass ich alles ziemlich schnell gelernt habe, aber was mir noch fehlt ist Erfahrung. Das kann man nicht lernen."

Scott Speed

In Dover gewann Scott Speed ein Rennen der Craftsman Truck Series Zoom

Er habe vollstes Vertrauen in Red Bull: "Jede ihrer Entscheidungen waren für meine Karriere richtig. Wenn sie denken, dass ich bereit dafür bin, im Cup zu fahren, dann werden sie wahrscheinlich recht haben", erklärte er vor einigen Wochen gegenüber 'ESPN'.

Die langjährigen NASCAR-Experten hatten in den vergangenen Monaten immer wieder davor gewarnt, dass die Piloten aus dem Formelsport zu schnell und zu wenig vorbereitet im Sprint-Cup verheizt werden. Allmendinger, Franchitti, Hornish, Carpentier - die Liste derer, die im hinteren Mittelfeld herumfuhren ist lang.

Selbst ein ehemaliger Formel-1-Weltmeister vom Schlage eines Jacques Villeneuve musste die bittere Erkenntnis machen, wie hoch die Trauben in der NASCAR hängen. Nach zwei blassen Cup-Rennen und einer verpassten Qualifikation zum Daytona 500 war vorläufig Schluss mit seinem NASCAR-Abenteuer.

Beispiel Allmendinger

Im Hause Red Bull besitzt man ähnliche Erfahrungswerte. Denn der mittlerweile entlassene A.J. Allmendinger war genau ein solches Opfer, der sich viel zu schnell gegen die StockCar-Elite behaupten musste. Die Folge war ein frustierendes Jahr 2007 und erst in der zweiten Saisonhälfte ging es langsam und stetig bergauf.

A.J. Allmendinger Red Bull

Zu spät? Bei A.J. Allmendinger ging es erst Ende Mai stetig bergauf Zoom

Penske-Präsident Tim Cindric beschrieb das NASCAR-Problem der Open-Wheeler in Detroit gegenüber 'Motorsport-Total.com' anschaulich, denn auch Penske hat mit dem dreifachen IRL-Champion und Indy-500-Gewinner Sam Hornish Jr. einen solchen Fall in seinen Reihen.

"Wir haben das mit Sam gesehen, als er gleich die ersten sechs Cup-Rennen alle verpasst hat", so Cindric. "Wenn man nur etwa 15 Runden auf einer Strecke fahren kann, bevor man in die Qualifikation muss, dann ist das einfach verrückt. Man hat 15 Runden Vorbereitung und tritt dann gegen die Jungs an, die das schon ihr ganzes Leben lang machen."

Hinter vorgehaltener Hand hört man immer wieder die Faustregel, dass ein kompletter Umstieg in die NASCAR drei, vielleicht sogar vier komplette Jahre dauern werde. Im Fall Speed hat er nun etwa die Hälfte davon abgeleistet. "Definitiv, je länger ich warte, desto besser werde ich sein", lautete die Speedsche Situationsanalyse kurz und bündig.

Keine Nationwide-Serie?

Sein Vorteil: Er kennt bereits viele Cup-Strecken, wie Charlotte, Dover, Talladega, Daytona, Kansas, Pocono, Michigan, Atlanta, Martinsville, Bristol, Texas oder Las Vegas, denn überall ist er in der Zwischenzeit entweder in der ARCA-Serie oder eben bei den Trucks gefahren. Nun geht es darum, wie er im direkten Vergleich "gegen die Jeff Gordons und Jimmie Johnsons dieser Welt aussieht."

Scott Speed

Scott Speed steht 2008 dicht vor dem Gewinn der ARCA-Serie Zoom

Denn eines darf man bei allem bisherigen StockCar-Erfolg nicht vergessen: Mit Eddie Sharp Racing (ARCA) und Bill Davis Racing (Trucks) fuhr Speed bislang immer in einem Auto aus einem Team, das jeweils den Klassenprimus darstellt. Das würde im Sprint-Cup nicht der Fall sein, bei allem Aufschwung, den die Bullen 2008 bisher zeigten.

Doch zu den Platzhirschen Hendrick, Roush, Gibbs oder auch Childress ist nach wie vor ein Abstand, was übrigens auch für alle anderen ehemaligen Open-Wheeler gilt. Denn Ganassi (Montoya und Franchitti), Penske (Hornish Jr.), Evernham (Carpentier) oder Bill Davis Racing (Villeneuve) sind, und daran kann es keinen Zweifel geben, höchstens als zweitklassig einzustufen.

Klar ist, dass Speed früher oder später im zweiten Red Bull Platz nehmen wird. Nach der Entlassung Allmendingers deutet alles spätestens auf 2009 hin, obwohl man durchaus die Alternative hätte, Speed in der kommenden Saison noch ein komplettes Jahr in der Nationwide-Serie zu gönnen.

Viel Lob für das CoT

Doch dieses scheint man auslassen zu wollen. "Als wir bei den Trucks Erfolg hatten, haben wir uns in Richtung Sprint-Cup-Tests orientiert", verriet Speed am Dienstag in Charlotte. "Bin ich schon bereit für den Cup? Vielleicht. Wir versuchen uns so viel Zeit wie möglich zu gönnen und warten mit einem Einstieg auf die richtige Gelegenheit."

Scott Speed

Sprint-Cup-Tests: Scott Speed im Red-Bull-Toyota mit der Startnummer 82 Zoom

Eines kommt dem ehemaligen Toro-Rosso-Piloten entgegen, denn er scheint keine Probleme mit dem CoT zu haben. "Ich kann dieses Auto viel besser fühlen, denn alles ist sehr präzise. Das macht es mir viel leichter, auch die Veränderungen zu spüren. Bis jetzt ist dieses ein leichter Übergang."

Der Kalifornier Scott Speed entstammt der Red-Bull-Driversearch, die er 2002 gewann, als die Bullen auf der Suche nach einem US-amerikanischen Formel-1-Piloten waren. Damals setzte er sich unter anderem gegen A.J. Allmendinger, Ryan Hunter-Reay oder auch Patrick Long durch.

Über die Formel Renault und die GP2 landete Speed in 28 Formel-1-Grands-Prix, wo er jedoch keinen einzigen WM-Punkt holte. Nun steht er also kurz vor einer vermutlich erfolgreichen NASCAR-Karriere - wenn man bei den Bullen nun nicht zu ungeduldig wird. Dietrich Mateschitz wird sich wohl seinen Speed-Traum erfüllen können.