• 10.06.2008 12:02

  • von Pete Fink

Das große Interview mit Red-Bull-Pilot Brian Vickers

Brian Vickers rückt dem ersten NASCAR-Sieg von Red Bull immer näher - 'Motorsport-Total.com' sprach ausführlich mit dem Zweitplatzierten von Pocono

(Motorsport-Total.com) - Red Bull ist das einzige NASCAR-Team mit einem europäischen, genauer gesagt österreichischen Besitzer. Dietrich Mateschitz taucht in der Ownerliste neben Leuten wie Richard Childress, Rick Hendrick, Joe Gibbs oder auch Jack Roush auf, obwohl sich Mateschitz so gut wie nie in der NASCAR-Boxengasse blicken lässt - im Gegensatz zu den oben genannten Herren.

Titel-Bild zur News: Brian Vickers Red Bull

Brian Vickers ist ein NASCAR-Pilot mit vielen ungewöhnlichen Facetten

Brian Vickers wiederum ist der große Hoffnungsträger von Mateschitz und Red Bull, der mit seinem zweiten Platz von Pocono das bislang beste Resultat der Bullen holte. "Er ist halt ein sehr zurückhaltender Mensch, beinahe schüchtern", versuchte Vickers das andauernde und für NASCAR-Verhältnisse eher ungewöhnliche Fernbleiben von Mateschitz in der Pressekonferenz von Pocono zu erklären.#w1#

Vielleicht muss man in Fuschl in Zukunft diesbezüglich etwas umdenken, denn Vickers hat durchaus vor, in nächster Zukunft des öfteren in die Top 3 hineinzufahren, die der amerikanischen Presse im Anschluss Rede und Antwort stehen. Der erste Red-Bull-Sieg im Sprint-Cup rückt immer näher.

Vickers selbst hat dieses Glücksgefühl in Talladega 2006 bereits einmal genossen, damals allerdings noch in Diensten von Hendrick-Chevrolet. Der Pocono-Zweite in einem großen Exklusivinterview mit 'Motorsport-Total.com' über das Car of Tomorrow, die NASCAR allgemein, aber auch über seine große Leidenschaft - den Umweltschutz.

Über den zweiten ersten Sieg

Talladega Bump Drafting

Talladega 2006: Brian Vickers (re.) auf dem Weg zu seinem ersten Sieg Zoom

Frage: "Brian, ist es für einen Fahrer schwieriger, sein erstes Rennen zu gewinnen, oder, nachdem das geschehen ist, irgendwann seinen zweiten Sieg zu holen?"
Brian Vickers: (lacht; Anm. d. Red.) "Normalerweise ist der erste Sieg der schwierigste Teil. Ich kann froh darüber sein, dass ich diesen Sieg schon habe. Bei Red Bull ist es beinahe so, als würde ich um diesen ersten Sieg noch einmal kämpfen. Das wäre der erste Sieg für das Team. Es ist noch ein neues Team, es wird schwierig werden, aber das habe ich gewusst, als ich hierher gewechselt bin. Aber wir haben bewiesen, dass wir es schaffen können, und wir werden Woche für Woche einen neuen Versuch starten."

Frage: "Du hast immer zu denen gehört, die das Car of Tomorrow kritisiert haben. Was braucht es, um die Handlingsprobleme des CoT zu kurieren. Muss noch mehr getestet werden?"
Vickers: "Nein, auf keinen Fall. Aber es hilft ein wenig. Jeder hat zu diesem Thema seine eigene Meinung, aber vermutlich hat derzeit auch keiner die Lösung. Meine Logik ist folgende. Wenn zwei Autos um eine Position kämpfen, dann fahren sie zumeist direkt hintereinander. Je mehr mechanischen Grip, je mehr Abtrieb ein Auto nun besitzt, also durch Reifen oder Setup, desto schneller kann man in eine Kurve hineinfahren."

"Wenn man nun ein Auto baut, das so groß und so klobig ist, dass es ein riesiges Loch in die Luft schlägt, dann verringert das den Abtrieb von Auto Nummer zwei umso mehr. Das macht es für den Verfolger noch schwieriger auf Speed zu kommen um den Vordermann zu überholen. Genau das haben sie mit dem CoT gemacht, und solange sie dieses Problem nicht lösen, wird es immer schwierig bleiben."

"Das zweite Auto braucht mehr Grip, aber wie sie das schaffen, das weiß ich nicht. Möglichkeiten gibt es viele. Entweder man greift in die Außenhülle ein, oder man modifiziert den Unterboden. Aber da muss man vorsichtig sein, denn wenn man unter dem Auto zuviel Grip produziert und dieser Saugeffekt dann plötzlich abreißt, dann geht es direkt in die Mauer."

"Lösungsansätze gibt es also einige, man braucht dabei nur eine ganz feine Balance. Aber ich bin mir sicher, dass wir früher oder später eine Lösung finden werden. NASCAR-Racing ist nach wie vor unglaublich. Mit 200 Meilen pro Stunde zu dritt oder gar zu viert nebeneinander her zu fahren ist für die Leute sehr unterhaltsam, aber ich glaube, wir alle wissen auch, dass es noch besser sein kann, als es momentan ist."

Chase-Chancen sind durchaus da

Brian Vickers Red Bull

Platz zwei in Pocono war bisher der größte NASCAR-Erfolg von Red Bull Zoom

Frage: "Du hast 2007 immer gesagt, dass der Vorstoß in die Top 35 und der garantierte Startplatz dazu führen, dass das Spiel erst so richtig losgehen würde. Ist das nun der Fall?"
Vickers: "Ja. Denn zu dem Zeitpunkt, als wir in die Top 35 vorgestoßen sind, haben wir zwei Vorteile auf einmal bekommen. Denn seit dem konnten wir uns das ganze Wochenende über auf das Rennsetup konzentrieren, und mussten nicht mehr - wie früher - im ersten Freien Training ein Qualifyingsetup erarbeiten. Das hat uns sehr weh getan, denn wir mussten uns den ganzen Freitag über praktisch mit der Qualifikation beschäftigen."

Frage: "Aber bislang erinnerte deine Saison mehr an eine Achterbahnfahrt. Würdest du dem im Rückblick zustimmen?"
Vickers: "Bestimmt. Aber trotz allem nicht so schlecht, wie in der vergangenen Saison. Vergangene Saison haben wir teilweise Rennen angeführt, und uns andererseits überhaupt nicht für einige andere Rennen qualifizieren können. Jetzt sind wir wesentlich konstanter unterwegs und das zeigt all die Mühen, die Red Bull und Toyota investiert haben."

Frage: "Gab es in der Saison einen bestimmten Zeitpunkt, der eine Art positiven und vorentscheidenden Charakter hatte? Zum Beispiel die geglückte Qualifikation für Daytona gleich zum Saisonauftakt?"
Vickers: "Daytona hat uns garantiert einen richtigen Schwung gegeben. Aber alleine ausschlaggebend war das nicht, denn wir hätten ja auch Daytona verpassen können und dann im Saisonverlauf zurückschlagen können."

"Aber nun haben wir auch mental zugelegt und das ist sehr wichtig. Wir haben bewiesen, dass wir vorne mitspielen können und das gibt uns viel Selbstvertrauen. Vergangene Saison haben wir alle noch eine Menge Fehler gemacht."

Frage: "Nun bist du plötzlich auf Platz 17 in der Gesamtwertung. Wie denkst du über deine Chase-Chancen?"
Vickers: "Eine Chance haben wir. Es ist zwar schwer, denn sowohl das Team, als auch der Hersteller befinden sich erst in ihrem jeweils zweiten Jahr. Aber hier wächst etwas zusammen. Wir haben bewiesen, dass wir dort hingehören, wo wir stehen, denn wir stehen da ja schon länger. Ich denke schon, dass wir das erreichen können. Aber dazu braucht es harte Arbeit, denn in diesem Sport darf es keinen Stillstand geben. In dem Moment, in dem du stillstehst, geht es sofort nach hinten."

Frage: "Wie sehr profitierst du von einem wieder erstarkten Teamkollegen? Kannst du in irgendeiner Form auch von A.J. Allmendinger profitieren oder ist das eher weniger wichtig?"
Vickers: "Ein starker und erfahrener Teamkollege ist in diesem Sport sehr wichtig. A.J. steckt noch in einem Lernprozess. Er hat jede Menge Talent, aber diese Autos und auch diese Strecken sind extrem unterschiedlich, von dem was er gewohnt war."

"Ich denke, dass vor allem das Engagement von Mike Skinner dem Team und der ganzen Organisation weitergeholfen hat, denn Mike hat ja auch viel mehr Erfahrung als ich sie besitze. A.J. wächst da jetzt hinein und das hilft uns allen mit Sicherheit."

Ein Motorsportler mit grüner Einstellung

Brian Vickers Red Bull

Kann Brian Vickers seinen Red-Bull-Toyota in den Chase fahren? Zoom

Frage: "Eine etwas persönlichere Frage. Abseits von dem ganzen Renngeschehen engagierst du dich sehr für Umweltthemen. Dieses Thema ist in Deutschland ein sehr großes. Kannst du uns deinen Standpunkt darlegen?"
Vickers: "Ja, das ist definitiv etwas, an dem ich mit Leidenschaft hänge. Ich glaube, dass wir unserer Welt in vielerlei Hinsicht schaden, nicht nur durch den Ausstoß an Kohlendioxid. Ich glaube, die ganze Menschheit muss dringend lernen, ein umweltverträgliches Leben zu führen. Viele Leute sind der Meinung, dass es beim Thema Umwelt darum geht, den Planeten zu retten und das ist meiner Meinung nach ein ganz falscher Ansatz."

"Ich glaube, es geht darum, die Menschheit zu retten, denn der Planet wird das alles überleben. Die Erde gibt es bereits seit vier Milliarden Jahren und sie wird noch einige Milliarden Jahre länger da sein, zumindest solange, bis die Sonne als Energiebringer wegfallen wird."

"Die Erde hat viele Lebensformen gesehen und sie wird noch viele Lebensformen und Spezies sehen. Die Frage ist nur, ob die Menschheit ein Stück dieses Puzzles bleiben kann oder nicht. Was viele Leute nicht verstehen: Wir müssen versuchen unsere Zukunft zu schützen, und die Art und Weise, wie wir als Menschen auf diesem Planeten ein tragfähiges Leben führen können."

"Das geht mit aber nur durch Nachhaltigkeit, denn mit sechs Milliarden Menschen geht das nicht anders. Wie das in Zukunft funktionieren kann, geht nur dann, wenn alle Menschen auf dieser Welt das erkennen und sich darüber Gedanken machen, wie wir Lösungen in dieser Hinsicht herbeiführen können."

Frage: "Aber dein Motto ist nicht zurück zu den Wurzeln?"
Vickers: "Nein. Ich denke nicht, dass es realistisch ist, dass alle Menschen wieder in Wäldern hausen werden, das ist nicht akzeptabel. Was wir herausfinden müssen, ist wie wir unser Leben dahingehend verändern, damit es zukunftsfähig wird. Das berührt Themen wie das weltweite Transportieren von Gütern, oder auch die globalen Märkte."

"Wir müssen herausfinden, wie wir diese Güter nachhaltig transportieren können, oder wie wir die Emission der Schadstoffe nach unten bringen. Ich persönlich fahre zum Beispiel ein Hybridauto und das sind Themen, über die ich mich gerne unterhalte. Aber leider ist im großen Bild deren Menge noch extrem klein. Aber ich bin auch schon zufrieden darüber, dass über dieses Thema diskutiert wird, dass die Leute damit beginnen, sich Mühe zu geben."

"Denn genau darum geht es. Wenn jeder seinen kleinen Beitrag dazu liefert, dann wird die Menschheit als Ganzes bereits davon profitieren. Wir als Gesellschaft müssen in realistische Technologien investieren. Ethanol zum Beispiel ist eine schreckliche Lösung. Wer immer sich überlegt hat, Nahrung in Treibstoff zu verwandeln, war sehr dumm. Ethanol wird Menschen auf dem Globus hungern lassen und löst auch das Emissionsproblem nicht."

Gespräche auch unter den Piloten

Brian Vickers Red Bull

Brian Vickers macht keinen Hehl aus seiner grünen Einstellung Zoom

Frage: "Hast du über diese Themen jemals mit anderen Fahrern oder anderen Leuten in der Boxengasse gesprochen? Gab es Reaktionen?"
Vickers: "Ja, es gab Reaktionen und ich habe auch mit einer Menge Menschen darüber gesprochen. Ich denke, dass die meisten Leute bei mir sind, und dass viele Leute das tun wollen, was notwendig ist, solange es sie nicht selbst betrifft."

"Das ist so der Schluss, zu dem ich mittlerweile gekommen bin. Das ist natürlich sehr schade. Wenn wir Geld investieren würden, um Technologien zu entwickeln, die es uns erlauben würden, so weiter zu leben, unsere Lebensweise also nicht zu verändern, dann wäre beides möglich. Aber in der Zwischenzeit muss jeder tun, was er kann."

"Was mich aber am meisten frustriert: Ich glaube an Amerika, ich bin Patriot. Ich glaube auch, dass mein Land wirklich tolle Dinge auf der ganzen Welt macht und gemacht hat. Es ist zwar nicht immer alles perfekt, was ich auch ohne Probleme anerkennen kann. Aber momentan haben wir ein echtes und ziemlich substantielles Problem im Kongress."

"Denn der Kongress hat in letzter Zeit mehr Fortschritte beim Thema Baseball-Streik gemacht, als er sich mit der globalen Erwärmung, der Wirtschaft oder mit dem Krieg beschäftigt hat. Das ist ein echtes Problem, denn Baseball ist nun einmal überhaupt nicht von Interesse. Das ist auch nicht das Problem des Kongresses, das ist das Problem der Major League Baseball."

"Der Kongress sollte also tunlichst und schleunigst seine Prioritäten ändern. Das ganze Land müsste sich auf das konzentrieren, was wirklich wichtig ist. Wir haben ja bewiesen, dass wir tolle Dinge erreichen können, wenn wir unsere Köpfe damit beschäftigen."