Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Jorge Viegas

FIM-Präsident Jorge Viegas wollte aus ökonomischen Gründen an Valencia festhalten, weil ein Rennen den Flutopfern "hilft" - Die Verantwortlichen blieben zu lange stur

(Motorsport-Total.com) - Liebe MotoGP-Fans,

Titel-Bild zur News: Jorge Viegas

Auch FIM-Präsident Jorge Viegas wollte am Saisonfinale in Valencia festhalten Zoom

Jorge Martin und Francesco Bagnaia haben uns in Malaysia ein atemberaubendes Duell gezeigt. An diese ersten Runden im Grand Prix werden wir uns bestimmt noch lange erinnern. Beeindruckend daran finde ich, dass sie zwar hart gegeneinander fahren, aber immer fair sind.

Der gegenseitige Respekt ist auf und neben der Strecke weiterhin vorhanden. Es gibt keine schmutzigen Manöver, keine extremen Psychospiele. Die Rivalität ist auf Augenhöhe und man gratuliert sich nach einem Rennen.

Andererseits kann man das durchaus "langweilig" finden, wenn wir im Vergleich an andere Rivalitäten in der Vergangenheit denken. Ja, die aktuellen MotoGP-Fahrer sind vielleicht nicht die schillerndsten Persönlichkeiten.

Viele sind im Alter von Mitte bis Ende 20 schon verheiratet. Einige haben bereits Kinder. Der Typ "Playboy", der auch für uns Fans das Bild eines heroischen Rennfahrers geprägt hat, ist praktisch kaum noch vorhanden. Die Welt hat sich verändert.

Aber mit dem familiären Hintergrund haben die Fahrer angesichts der Flutkatastrophe und der vielen Toten in Valencia sofort die Situation verstanden. Alle haben sich am Donnerstag aus moralischen Gründen dafür ausgesprochen, das Rennen dort abzusagen.

Am Freitag wiederholten sie ihren Standpunkt. Bagnaia drohte sogar mit Boykott, falls man wirklich die Veranstaltung in Valencia durchziehen will. Dass die Fahrer ihre Meinung ganz klar gesagt haben, fand ich sehr, sehr gut!

Die Verantwortlichen beharrten lange auf Valencia

Denn sie haben verstanden, was in Valencia los ist. Ganz anders als einige der "alten Herren". Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta bekräftigte am Donnerstag und am Freitag, dass man am geplanten Valencia-Termin festhalten will.

Gut, ich kenne jetzt nicht die ganzen Vertragsdetails. Vielleicht muss er aus vertraglichen Gründen so handeln. Wir erinnern uns an den Frühling 2020, als wegen Corona reihenweise Rennen abgesagt wurden. Ständig gab es einen neuen Kalender mit Ersatzterminen, der so eh nie passiert ist.

Jorge Viegas, Carmelo Ezpeleta

FIM-Präsident Jorge Viegas und Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta Zoom

Die Dorna muss mit der Austragung von Rennen und den TV-Verträgen Geld verdienen. Das ist klar. Aber wenn die Dorna auch bei so einer Ausnahmesituation die Euro-Zeichen vor Augen hat, dann sollte doch zumindest der FIM-Präsident einschreiten und zur Vernunft aufrufen.

Am späten Freitagnachmittag, nach den Trainings, hat Jorge Viegas Folgendes gesagt: "Meine Idee ist, dass es besser ist, einen Grand Prix in Valencia zu machen als keinen zu machen, weil das ökonomische Auswirkungen für die Region und kleine Unternehmen hat."

"Es gibt natürlich auch die moralische Frage. Ich weiß, dass viele Leute sagen, dass man dort nicht fahren kann. Dass es ein Affront wäre. Ich denke, was passiert ist, ist passiert. Das müssen wir respektieren."

"Aber wir müssen den Menschen dort helfen. Ich wiederhole, für die Ökonomie ist es für die Region besser, einen Grand Prix zu machen. Aber das kann nur passieren, wenn die Hilfe für die Opfer nicht beeinträchtigt wird."

Späte Einsicht der Verantwortlichen am Freitagabend

Mich haben diese Worte schockiert. Es geht vorrangig um den eigenen Profit. Und dann verpasst man sich vielleicht mit Spendenaktionen eine Masche, dass man alles nur für die vielen Opfer der Naturkatastrophe macht.

Freitagabend ist den "alten Herren" nach der Besprechung mit den Fahrern in der Sicherheitskommission doch gedämmert, dass sie sich mit ihrer Einstellung in die Bredouille gesetzt haben.

Am späten Freitagabend kam schließlich die Meldung, dass das Rennen nicht in Valencia stattfinden wird. Aber der Schaden war bereits angerichtet. Tagelang wurde nur über Valencia gesprochen und nicht über die sportliche Entscheidung in Sepang.

Francesco Bagnaia

Francesco Bagnaia sprach sich für ein Boykott des Valencia-Rennens aus Zoom

Die Kommunikation der Dorna und der FIM war beschämend. Am Mittwoch gab es auf Social Media ein kurzes Posting, dass man Anteil an den Betroffenen der Flutkatastrophe nimmt. Freitagabend gab es das Statement, dass das Rennen nicht stattfinden wird.

Auf MotoGP.com wurde das Thema tagelang komplett totgeschwiegen. Die Bedenken der Fahrer wurden nirgendwo erwähnt. Man versteifte sich auf das WM-Duell und ignorierte das eigentlich wichtigere Thema.

Ist der Ersatzort Barcelona richtig?

Das hat sehr gut verdeutlicht, wie wichtig es ist, dass es unabhängige Medien wie uns gibt. Meiner persönlichen Ansicht nach hätte man spätestens Freitag zu Mittag in einer Pressekonferenz Valencia ersatzlos absagen und Sepang zum WM-Finale machen sollen.

Man hätte zum Beispiel Valencia als Ersatzrennen für nächstes Jahr in den Kalender aufnehmen können. Müsste aus welchen Gründen auch immer ein anderes Rennen abgesagt werden, könnte Valencia ein zweites Rennen erhalten und dann auch wieder ökonomisch davon profitieren.

Jorge Martin, Francesco Bagnaia

Die Dorna kann nun das WM-Finale in Barcelona vermarkten Zoom

Schließlich gibt es in zwei Wochen in Barcelona doch eine Ersatzveranstaltung. Die Dorna kann wie geplant ein WM-Finale vermarkten. Aber ich kann mir angesichts der Folgen der Flutkatastrophe in Spanien nicht vorstellen, dass es eine schöne Party wird.

Pedro Acosta hat am Freitag Folgendes gemeint: "Ich finde nicht, dass wir nach Valencia, Jerez, MotorLand oder Barcelona gehen sollten. Denn wir nehmen die Show von einem Ort weg und machen sie woanders."

"Ich finde, wir sollten außerhalb von Spanien fahren. Entweder in Portugal oder wo auch immer, aber ich finde nicht, dass es Sinn macht, in Spanien zu fahren." Das ist der Unterschied in der Einschätzung der jungen Fahrer im Vergleich zu den "alten Herren".

Ihr,


Gerald Dirnbeck

Wer war aus Ihrer Sicht der Verlierer des MotoGP-Wochenendes? Teilen Sie mir Ihre Meinung auf Facebook unter "Racing inside mit Gerald Dirnbeck" mit. Dort gibt es meine Texte, Insiderinfos, Meinungen und Einschätzungen zu aktuellen Themen. Und natürlich die Möglichkeit, diese Kolumne zu diskutieren!