Weitere Meinungen: Jerez-Vorfall geht in die Nachspielzeit

Sicherheitsberater Loris Capirossi und die Ex-Piloten Alex Criville und Sete Gibernau sprechen über den Vorfall zwischen Marc Marquez und Jorge Lorenzo

(Motorsport-Total.com) - Ob Jorge Lorenzo und Marc Marquez nach dem Rennen in Jerez noch richtig gute Freunde werden, darf trotz der öffentlichen Handschläge sicher angezweifelt werden - zu sehr wird das freche Manöver des Rookies den amtierenden Weltmeister wurmen. Dass Marquez nicht viel Zeit braucht, um sich in der Königsklasse zurechtzufinden, wurde bereits in Austin klar. Sowohl beim Test als auch im Rennen fuhr der MotoGP-Neuling Kreise um die Konkurrenz. Respekt? Fehlanzeige!

Titel-Bild zur News: Jorge Lorenzo, Marc Marquez

Rookie Marc Marquez erhielt für sein aggressives Manöver in Jerez keine Strafe Zoom

Das Manöver in Jerez setzte dem Ganzen die Krone auf. Dass der junge Himmelsstürmer unbestraft davonkam, schmeckte vielen Fans nicht. Doch die Experten waren sich einig: Das Manöver war mit Sicherheit grenzwertig, aber fair. Diese Meinung teilt auch Ex-Weltmeister Alex Criville, der mit Mick Doohan in besagter Kurve ebenfalls schon Geschichte schrieb, als er nach einem harten Zweikampf per Highsider von seiner 500er-Honda abflog.

"Marc fuhr zu schnell in die Kurve hinein und berührte Lorenzo. Meiner Meinung nach war niemand schuld", erklärt Criville, der beide Piloten für den Vorfall verantwortlich macht, den Kollegen von 'MotoGP.com': "Marc war zu schnell, Lorenzo war sich zu sicher. Er wusste nicht, dass Marc so nah war." Besonders in Jerez ist die Verteidigung in der letzten Kurve von großer Bedeutung. Das weiß auch Criville: "Ich gewann drei Mal in Jerez und weiß, dass man die Tür in dieser Kurve richtig schließen muss."

Capirossi: "Jedes Überholmanöver ist anders

Sicherheitsberater Loris Capirossi betont, wie schwierig es war, den Vorfall zu bewerten und erklärt, warum man das neue Punktestrafsystem in der Praxis nicht immer anwenden kann: "Es ist schwierig, das zu 100 Prozent zu erklären. Zuerst einmal ist jedes Überholmanöver anders - deswegen ist es schwierig, eine Liste zu führen und zu sagen 'bei diesem Überholmanöver muss man einen Punkt vergeben - für dieses Überholmanöver zwei Punkte'."

Loris Capirossi

Sicherheitsberater Loris Capirossi sah sich die Bilder in Jerez recht lange an Zoom

"Im Fall von Marquez und Jorge ist es einfach zu sagen, dass der Zug von Marc ein bisschen zu aggressiv war. Das ist einfach nachzuvollziehen. Doch er machte dieses Manöver in der letzten Kurve und diese ist mit 60 bis 70 km/h ziemlich langsam. Wenn dieses Manöver in einer sehr schnellen Kurve stattgefunden hätte, wäre alles deutlich schlimmer gewesen", ist sich Capirossi sicher. "Wir sahen uns zusammen die Bilder an und wollten es zu 100 Prozent verstehen. Wir entschieden uns dazu, zu sagen, 'okay, es ist ein Rennvorfall, ein normales Überholmanöver'. Nicht mehr."

Bereits 2011 und 2012 fiel Marquez durch seine aggressive Fahrweise auf. Dadurch haben einige Leute Probleme, die Aktionen des Spaniers neutral zu bewerten. Doch in der Vergangenheit leistete sich das Ausnahmetalent vor allem in den Trainings unnötige Fehler. Hier ging es aber um Platz zwei im Rennen. "Wir wollen sicheren Rennsport. Das steht fest. Das ist unser Ziel", hält Sicherheitsberater Capirossi fest. "Mein Ziel ist es, eine gute Beziehung zu den Fahrern zu halten und ihnen zuzuhören, um alles zu verbessern."

Gibernau bleibt diplomatisch

Sete Gibernau hatte in der letzten Kurve, die seit dem diesjährigen Rennen Jorge-Lorenzo-Kurve heißt, auch schon seine Erfahrungen gemacht. 2005 bog der Spanier siegessicher in die Kurve ein und wurde von einem stark motivierten Valentino Rossi in den Kies geschickt. Rossi gewann, Gibernau war gebrochen und konnte nie wieder ein MotoGP-Rennen als Sieger beenden.


Fotos: MotoGP in Le Mans


Entsprechend diplomatisch äußert sich der ehemalige Honda-Pilot zum Vorfall in dieser Saison: "Ich kann meine Meinung nicht in eine knappe Antwort packen. Es ist abhängig vom Regelwerk der Meisterschaft. Wenn man die Frage stellt, ob es legal ist oder nicht, dann kann ich die Antwort nur dann geben, wenn ich mir das Regelwerk ansehe. Dann kann ich das bewerten", hält Gibernau fest, der sich in den vergangenen Jahren die Rennen der MotoGP nicht mehr ansah.

"Ich habe dazu meine eigene Meinung, die ich aber nicht in eine Minute packen kann", betont er. "Ich kenne die Regeln nicht. Wenn es keine Regel dazu gibt, dann müssen die Verantwortlichen entscheiden, ob es legal ist oder nicht. So läuft es momentan ab. Es gibt offensichtlich keine Regel und deswegen scheint es okay zu sein."