Umstrittene Reifendruckregel: MotoGP-Fahrer wollen keine Strafen

Bisher wurde das System zur Echtzeitkontrolle der Reifendrücke nur getestet - Fahrer sind gegen diese Regel, denn sie ist sicherheitsrelevant und schlecht für die Show

(Motorsport-Total.com) - Für die MotoGP-Saison 2023 wurde ein einheitliches Mess- und Überwachungssystem für den Reifendruck eingeführt. Damit kann die Rennleitung in Echtzeit die Werte von allen Fahrern im Auge behalten. Sollten Fahrer nicht im von Michelin vorgegebenen Druckbereich bleiben, können Strafen bis hin zur Disqualifikation drohen (zur Vorgeschichte).

Titel-Bild zur News: Michelin Reifen

Bei zu hohem Druck im Vorderreifen sehen die Fahrer hohe Sturzgefahr Zoom

Bei den ersten drei Rennwochenenden wurde diese Regel ausgesetzt, um das System in der Praxis zu testen. Auch in Jerez gab es keine Strafen. In Le Mans wird die Testphase ebenso fortgesetzt. Möglicherweise wird diese Regel beim sechsten Saisonrennen in Mugello aktiv werden.

"Das wurde etwas verzögert, weil es technische Probleme gegeben hat", sagt Michelin-Manager Piero Taramasso gegenüber 'Canal+'. "Wir mussten die Software und den Algorithmus programmieren, denn nun sind alle Daten in Echtzeit verfügbar."

"Das ist etwas kompliziert. Aber das System funktioniert, es ist zu 100 Prozent funktional. Ich sage immer, dass es die Arbeitsweise nicht verändert, aber es gibt nun echte Kontrollen, wodurch es auch Strafen geben kann."

Die Meinung der MotoGP-Fahrer ist eindeutig. Sie wollen nicht, dass diese Regel (ab Mugello?) eingeführt wird. Denn der Druck im Vorderreifen ist schwierig zu managen. Fährt man mit zu hohen Drücken, dann kann es zu vielen Stürzen, aber auch zu weniger Überholmanövern kommen.

"Ich denke, es ist schwierig zu kontrollieren", findet Maverick Vinales. "Welchen Druck stellt man ein, wenn man vorne oder von hinten startet? Für die Teams ist es sehr schwierig. Der Bereich kann sich in einem Rennen um 0,5 bar verändern, wenn man hinter jemandem ist."

Der Aprilia-Fahrer nennt ein Beispiel: "In Austin habe ich im ersten Rennen einen sehr hohen Reifendruck erreicht. Im zweiten Rennen war es bei komplett gleich eingestelltem Startdruck ein komplett anderer Wert. Ich denke, diese Regel wäre sehr kompliziert."

Maverick Vinales, Luca Marini, Fabio Quartararo

Die Fahrer sind entschieden gegen Strafen bei Druckabweichungen Zoom

Das Problem ist, dass sich der Vorderreifen erhitzt, wenn man direkt hinter anderen Fahrern ist. Deshalb wollen die Teams mit einem relativ niedrigen Druck starten, der dann im Rennen steigt. Startet man mit zu hohem Druck, steigt der Druck im Rennen in einen kritischen Bereich.

"Man muss sich das so vorstellen", beschreibt Miguel Oliveira. "Man startet im normalen Druckbereich. Dann erhitzt sich der Reifen. Dabei passiert, dass die Karkasse sehr hart wird und die Lauffläche wellig wird. Das Vorderrad kann ohne Vorwarnung einklappen."

"0,1 bar kann schon der entscheidende Unterschied sein. Das ist das Problem mit diesen Reifen. Sie sind sehr gut, aber sehr sensibel für den Druck." Auch für Oliveira ist klar, dass es für die Fahrer gefährlicher wird, wenn sie mit zu hohem Startdruck fahren müssen.

Mit zu niedrigem Druck darf man aber auch nicht fahren, denn dann "wird der Reifen weich und die Performance wird schlechter", wie Luca Marini sagt. "Es ist kein Problem, wenn man mit niedrigerem Druck fährt. Der Reifen verhält sich gut und das Motorrad macht nichts Seltsames."

"Es geht um die Sicherheit. Wenn der Druck im Reifen über 2,1 bar steigt, kann man stürzen und das macht es für uns gefährlich. Auch für die Show ist es nicht gut, denn mit 2,0 oder 2,1 bar Druck kann man nicht überholen."

Michelin lässt die Kritik der Fahrer nicht gelten

Auch für Marini ist diese Regel "falsch", denn man wird "nicht schneller", wenn man mit niedrigerem Druck fährt. Es ist in erster Linie ein Sicherheitsthema, denn die Fahrer wollen nicht in einen Bereich kommen, in dem es Stürze ohne Vorwarnung geben kann.

Aleix Espargaro ergänzt: "Ich glaube nicht, dass davon jemand einen Vorteil hätte. Will man jemanden disqualifizieren, weil er 0,005 bar unter dem Mindestdruck ist? Davon hat man keinen Vorteil. Für mich ist das Problem, dass eine Regel verkündet wurde, bevor etwas dafür bereit war."

Piero Taramasso

Laut Piero Taramasso ändert sich mit dem neuen System nichts für die Teams Zoom

Ob an den ersten vier Wochenenden jemand disqualifiziert worden wäre, weil er den Mindestdruck zu oft im Rennen unterschritten hat, ist nicht im Detail bekannt. Es soll soweit aber alles im Rahmen gewesen sein. Sollte die Regel ab Mugello aktiv werden, könnte es Strafen geben.

Das findet Franco Morbidelli Wettbewerbsverzerrung: "Ich würde die ganze WM so durchführen, wie man sie begonnen hat. Was ist der Punkt, wenn man niemanden zu Beginn bestraft, dann die Regeln ändert und es Strafen gibt? Das ändert die Balance der Meisterschaft."

Und was sagt Taramasso zur zahlreichen Kritik der Fahrer? "Der Mindestdruck ist vorgegeben, sie kennen ihn sehr gut. Man muss ihn respektieren, weil es eine Frage der Sicherheit ist. Dieser Mindestdruck garantiert die Haltbarkeit und das Verhalten des Reifens über die ganze Distanz."

"Man muss ihn respektieren. Wir verlangen, dass sie ihn für die Hälfte des Rennens respektieren. Das ist keine unmögliche Sache. Wie gesagt, wir arbeiten so schon seit fünf, sechs oder sieben Jahren. Es ändert sich für die Teams und die Fahrer gar nichts."