Vorschrift für Mindestdruck im Reifen: Fahrer äußern Sicherheitsbedenken

Ab dem vierten MotoGP-Rennen 2023 könnte es Strafen geben, wenn der Mindestdruck im Vorderreifen unterschritten wird - Fahrer sehen das kritisch

(Motorsport-Total.com) - In der MotoGP-Saison 2023 könnte nach den ersten drei Grands Prix eine entscheidende Regeländerung eingeführt werden. Konkret geht es dabei um den Mindestdruck im Vorderreifen. Bisher gab es keine Konsequenzen, wenn er unterschritten wurde. In Zukunft könnte es Strafen bis hin zur Disqualifikation geben.

Titel-Bild zur News: Francesco Bagnaia

Der Druck im Vorderreifen wird 2023 stärker im Fokus stehen Zoom

Im vergangenen Jahr sollen viele Fahrer unter dem von Michelin vorgegebenen Mindestdruck von 1,9 bar im Vorderreifen gewesen sein. Das war offensichtlich ein Performance-Vorteil, wenn die Kontaktfläche des Reifens minimal größer war.

Das Problem ist, dass wenn der Druck steigt, dann erhöht sich auch das Risiko von Stürzen. Ab 2,2 bar soll das Gefühl für den Vorderreifen bereits kritisch sein. Die Teams haben also nur ein schmales Fenster, um den Reifendruck einzustellen.

Für die neue Saison gibt es bei allen Teams ein einheitliches Sensorsystem, um den Reifendruck zu messen. Die Daten werden direkt an die Rennleitung geschickt. Damit hat man ein einheitliches System geschaffen, um die Daten von allen Fahrern fair vergleichen zu können.

Michelin senkt den vorgeschriebenen Mindestdruck im Vorderreifen von 1,9 bar auf 1,88. Inklusive Toleranz dürfen maximal mindestens 1,85 bar gemessen werden. Beim Hinterreifen wird der Wert von 1,7 auf 1,68 bar reduziert. Der Hinterreifen ist bezüglich Druck aber nicht so kritisch.

Um im Bereich der Legalität zu bleiben, muss ein Fahrer 50 Prozent der Grand-Prix-Distanz über dem Mindestdruck bleiben. Bei den neuen Sprintrennen sind es zwischen 30 und 50 Prozent, je nachdem wie viele Runden angesetzt sind.

Sollte jemand im Qualifying unter dem Mindestdruck gemessen werden, kann das die Rennleitung sofort dem Team kommunizieren. Seine Rundenzeit wird gestrichen. In den Rennen könnten bei Vergehen Qualifikationen drohen. Soweit zur Theorie.

In den ersten drei Grands Prix (Portimao, Termas de Rio Hondo, Austin) wird es noch keine Sanktionen geben. Das neue System wird auf die Praxistauglichkeit überprüft. Anschließend wird es ein Meeting geben. Dann wird beschlossen, ob es ab Jerez Strafen geben wird oder nicht.

Fahrer sehen Sicherheitsrisiko

Beim Wintertest in Malaysia haben die Teams mit dem neuen System gearbeitet. Von den Fahrern waren gemischte Meinungen zu hören. Denn im schlimmsten Fall könnte es eine Flut an Strafen und Disqualifikationen geben.

Außerdem könnte sich die Gefahr für Stürze erhöhen, wenn man mit einem höheren Druck im Vorderreifen in einen Grand Prix startet. Denn wenn man in einer Gruppe fährt, steigen die Temperatur und der Druck im Vorderreifen bis in einen kritischen Bereich.

"Beim Vorderreifen macht das keinen Sinn", schüttelt Alex Marquez den Kopf. "Vor allem im Rennen kann das nicht sicher sein. Wenn man hinter jemandem ist und der Druck auf mehr als 2,2 bar steigt, dann wird man stürzen."

Michelin Reifentechniker

Michelin gibt den Mindestdruck vor, die Teams sollten ihn einhalten Zoom

"Wenn man vorne mit niedrigem Druck fährt, dann ist das kein Vorteil. Man kann aber disqualifiziert werden. Ich glaube, in Australien wären ungefähr 13 Fahrer disqualifiziert worden, weil man im Rennen nie weiß, wo man steht."

"Das ist wirklich nicht fair. Wir werden aufs Podium fahren und nicht wissen, ob wir wirklich auf dem Podium sind oder null Punkte haben", schildert Marquez die möglichen Auswirkungen. Er glaubt deshalb: "Ich denke nicht, dass diese Regel kommen wird."

Die Thematik mit dem Vorderreifen hat sich in den vergangenen Jahren verschärft. Durch die Ride-Height-Systeme kommen die Motorräder schneller bei der nächsten Kurve an. Dazu wird die Aerodynamik immer ausgefeilter.

Die Fahrer können später und härter bremsen. Der Druck auf den Vorderreifen steigt. Michelin brachte 2020 einen neuen Hinterreifen. In jenem Jahr wollte man einen neuen Vorderreifen testen und 2021 einführen. Die Coronavirus-Pandemie hat diese Pläne aufgeschoben.

Kann sich jemand einen Vorteil erarbeiten?

Sollte die neue Regel tatsächlich ab Jerez konsequent umgesetzt werden, müssen sich die Teams beim Set-up darauf vorbereiten. Wenn man rein theoretisch mit einem Druck von über 2,2 bar gut fahren kann und die Konkurrenz nicht, hat man einen entscheidenden Vorteil.

Im Vorjahr soll vor allem Ducati tendenziell mit niedrigem Druck im Vorderreifen gefahren sein. "Wenn die Vorschrift kommt, dann wird das für alle ein Problem sein", meint Francesco Bagnaia. "Wenn man hinter jemandem ist, dann wird es gefährlich, weil der Druck zu hoch wird."

GasGas Box

Kann sich ein Team über das Set-up einen Vorteil erarbeiten? Zoom

Der Weltmeister hält fest, dass er beim Malaysia-Test die meiste Zeit mit hohem Reifendruck unterwegs war: "Als ich alleine gefahren bin, war es okay. Es ist natürlich nicht so sicher, wie wenn man mit niedrigerem Druck fährt. Aber klar, wenn man im Rennen hinter jemandem fährt, dann wird es ein Problem."

In die gleiche Kerbe schlägt auch Marco Bezzecchi: "Für mich ist es sehr gefährlich, mit hohem Reifendruck zu fahren. Es ist ein schmaler Grad. Wenn der Druck um 0,02 bar steigt, dann kann man schon Probleme bekommen. Ich hoffe, diese Regel wird nie eingeführt."

"Es geht um die Sicherheit von Michelin, aber auch um unsere Sicherheit. Ich denke, wir müssen versuchen, eine Balance zwischen den Wünschen von Michelin und den Fahrern zu finden. Die ersten drei Rennen werden interessant, bevor es eine Entscheidung gibt. Sollte die Regel kommen, dann müssen wir sie respektieren. Aber ich hoffe, es wird eine andere Lösung gefunden."

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