• 24.08.2017 21:34

  • von Juliane Ziegengeist & David Emmett

Tom Lüthi: "Habe meinen Zenit noch lange nicht erreicht"

Mit über 30 schafft Tom Lüthi doch noch den Aufstieg in die MotoGP - So denkt er über den späten Wechsel, Marc-VDS-Honda und den künftigen Teamkollegen

(Motorsport-Total.com) - An diesem Donnerstag ließ Marc-VDS-Honda die Katze aus dem Sack und bestätigte, dass man neben Moto2-Pilot Franco Morbidelli in der MotoGP-Saison 2018 auf einen weiteren Rookie setzt: Der Schweizer Tom Lüthi wird das Satellitenteam im kommenden Jahr verstärken und schafft damit nach elf Jahren in der mittleren Klasse doch noch den langersehnten Aufstieg in die Königsklasse. Die Freude über die späte Chance ist riesengroß.

Titel-Bild zur News: Thomas Lüthi

Tom Lüthi wird 2018 bei Marc-VDS-Honda sein MotoGP-Debüt feiern Zoom

"Es hat viele Jahre gebraucht, um das zu schaffen. Ich habe die Chance bekommen und wollte sie natürlich unbedingt nutzen. Ich habe immer gesagt, wenn ich den Aufstieg mal noch machen sollte, dann auf jeden Fall mit einem konkurrenzfähigen Team, das eine gute Struktur hat und professionell ist. Das habe ich jetzt geschafft", erklärt der Lüthi seine Entscheidung zum Aufstieg. Zwar hatte es in den Vorjahren öfter Gespräche gegeben, nie aber ein konkretes Angebot.

Nachdem sich das MotoGP-Team von Marc van der Straten jedoch von Jack Miller trennen musste, weil sich dieser für Pramac-Ducati entschied, war ein Platz vakant - und Lüthi der Favorit auf die Nachfolge. "Die Wahl traf einstimmig auf ihn, obwohl er ein MotoGP-Rookie ist. Er ist ein ehemaliger 125er-Weltmeister und hat über sieben Jahre in der Moto2 unglaublich konstante Leistungen gezeigt", begründet der Teambesitzer die Fahrerwahl.

Morbidelli als Teamkollege: Laut Lüthi ein Vorteil

Lüthi musste nicht lange zögern, um zuzusagen: "Bei Marc-VDS machen sie einen Topjob. Alles ist professionell und durchorganisiert. Das ermöglicht dann auch den Fahrern, ihren Job zu machen." Das Team kennt der Schweizer auch aus der Moto2-Klasse. Sein aktueller Konkurrent in der WM und künftiger MotoGP-Kollege Morbidelli fährt dort. Lüthi scherzt: "In der Moto2-Klasse sind sie sehr hartnäckig. Da dürften sie ruhig mal ein bisschen langsamer werden."

Dass er 2018 die Garage mit seinem aktuell ärgsten Rivalen teilen wird, sieht der 30-Jährige positiv. "Wir sind jetzt auf dem gleichen Niveau, wir kämpfen zusammen ganz vorne in der Moto2. Danach mit gleich viel Erfahrung aufzusteigen in die MotoGP, in der gleichen Box zu stehen mit dem gleichen Material, das ist sicher ein Vorteil. Vielleicht können wir uns dann auch anstacheln, wenn mal der eine und dann der andere schneller ist", blickt Lüthi voraus.

Das könne einen gegenseitigen Lernprozess anstoßen, wie er in ähnlicher Weise bei Tech-3-Yamaha stattfindet. Dort startete man bereits in diese Saison mit zwei Rookies - und das überaus erfolgreich. Meinungen, die die Moto2 als schlechte Vorbereitung auf die MotoGP-Klasse kritisieren, sieht Lüthi damit widerlegt: "Jonas (Folger) und (Johann) Zarco zeigen genau das Gegenteil. Ich glaube schon, dass die Moto2 eine gute Klasse ist, um zu lernen."

Dani Pedrosa: "Tom war ein starker Konkurrent"

Doch darüber macht sich Lüthi noch keine Gedanken: "Ich kenne die Honda nicht und sehe das momentan auch nur von außen. Schlussendlich muss ich die Moto2-Geschichte erst einmal abschließen und dann das neue Kapitel anfangen. Dann heißt es, möglichst schnell zu lernen. Die Honda gewinnt auch Rennen. Aber die Umstellung ist vielleicht schwieriger. Das ist das, was alle sagen." Bisher testete der 30-Jährige nur die MotoGP-KTM.

Thomas Lüthi

Im vergangenen Jahr testete Lüthi die MotoGP-KTM in Spielberg Zoom

Rat kann er sich künftig vielleicht bei Honda-Werksfahrer Dani Pedrosa holen, der Lüthi noch aus der früheren 125er-Klasse kennt und dem Schweizer zum MotoGP-Vertrag gratuliert. "Es ist dieser Tage nicht so einfach, in die MotoGP aufzusteigen", weiß der Spanier. "Aber die Satellitenteams machen einen tollen Job, um mehr Fahrern die Möglichkeit zu geben. Tom war lange Zeit in der Moto2. Ich habe ihn als starken Konkurrenten in Erinnerung."

Seinen ersten und bisher einzigen WM-Titel fuhr Lüthi im Jahr 2005 in der 125er-Klasse ein. Zwei Jahre darauf stieg er in die 250er-Klasse, die heutige Moto2, auf. In dieser Saison kämpft er zum zweiten Jahr in Folge um den WM-Titel. Darauf will er sich nun auch wieder konzentrieren. Noch fehlen ihm auf den Gesamtführenden Morbidelli 26 Punkte. Sieben Rennen stehen noch aus. Erst nach dem Saisonfinale in Valenica wird er voraussichtlich erstmals die Honda testen.

Dass er diese Chance im Alter von dann 31 Jahren noch einmal bekommen würde, daran hatten viele ihre Zweifel, auch er selbst. Doch Lüthi sieht eine Art Umdenken: "Es wurde erkannt, dass andere vielleicht ein bisschen länger brauchen, um Dinge zu lernen als ein Riesentalent wie (Marc) Marquez. Für mich ist es gut, dass dieser Jugendwahn ein bisschen vorbei ist. Weil ich glaube, dass ich meinen Zenit noch lange nicht erreicht habe."


Fotos: Moto2 in Spielberg