• 18.11.2014 17:03

Rossi im Interview: "Ich musste all meine Siege vergessen"

Valentino Rossi will 2015 noch stärker werden und um den WM-Titel mitkämpfen - Der Italiener spricht im Interview über seine Ziele und sein Rückkehr an die Weltspitze

(Motorsport-Total.com) - Die Saison 2014 ist vorbei und Valentino Rossi blickt stolz auf das vergangene Jahr zurück, richtet seinen Blick allerdings auch bereits nach vorne. Im Interview spricht der Vizeweltmeister der abgelaufenen Saison über seine Ziele, seine Pläne für die Zukunft, aber auch über seine Zweifel, die er nach drei schwierigen Jahren hatte. Außerdem verrät der Italiener, wie er sich die Zeit während der Winterpause vertreibt.

Titel-Bild zur News: Valentino Rossi

Valentino Rossi verrät, wie er die schwierigen Jahre hinter sich lassen konnte Zoom

Frage: "Die Saison 2014 ist vorbei. Wie beurteilst du deine eigene Performance?"
Valentino Rossi: "Ich bin mit meiner Performance in dieser Saison sehr zufrieden. Die Balance war sehr positiv. Für mich war es im Hinblick auf meine Zukunft die Schlüsselsaison. Im vergangenen Jahr war ich nicht sehr glücklich und ich musste mich entscheiden, ob ich weitermachen will oder nicht. Mein Ziel war es, vorne mit dabei zu sein, mit den drei Top-Piloten zu kämpfen und in jedem Rennen das Podium anzugreifen."

"Vergangenes Jahr war das nicht immer möglich. Ich bin sehr glücklich, dass es dieses Jahr geklappt hat. Ich habe zu Beginn der Saison einige große Veränderungen vorgenommen, aber sie haben funktioniert und darum bin ich glücklich. Während der ganzen Saison war ich in den Rennen immer stark. Ich hatte gute Rennen und gute Kämpfe."

Frage: "Was denkst du über die M1 in diesem Jahr? Zu Beginn der Meisterschaft fehlte dir ein bisschen Performance, aber im zweiten Saisonabschnitt hat die M1 mit dir und Jorge Rennen gewonnen."
Rossi: "Unsere M1 hat sich während der Saison stark verbessert, ganz besonders dank der guten Arbeit der beiden Crews. Silvano (Galbusera; Anm. d. Red.), Ramon (Forcada) und all die Ingenieure und Techniker haben sehr gut gearbeitet. Zusammen konnten wir das Motorrad verbessern, es konkurrenzfähig machen und gewinnen."

"Es ist schade, dass wir die Performance nicht schon früher verbessern konnten, denn die größte Lücke fuhr Marc zu Beginn der Saison heraus. Dann wurde es schwierig, sich davon zu erholen. Wenn wir die Saison noch einmal von vorne beginnen könnten, dann würden die Dinge anders laufen. Aber das ist okay. Es ist wichtiger, dass sich das Motorrad stark verbessert hat und jetzt konkurrenzfähig ist."


Fotostrecke: Das MotoGP-Fahrerfeld 2015

Sieg in Misano ein besonderes Highlight

Frage: "Die Resultate waren in dieser Saison fantastisch, die Zahlen sprechen für sich. Was bedeutet es dir als Fahrer und als Mensch, wieder zurück auf so einem hohen Level zu sein?"
Rossi: "Es ist für mich als Fahrer und Mensch eine große Genugtuung, denn in den vergangenen Jahren liefen die Dinge nicht gut. Die zwei Jahre bei Ducati waren sehr schwierig. Im vergangenen Jahr war es viel besser, aber es war noch nicht genug, um alles zu geben. Also traf ich einige harte Entscheidungen."

"Sie waren mutig, sogar riskant, aber jetzt ist es eine große Genugtuung, hier nach so vielen Podien und sogar einigen Siegen in Valencia zu stehen. Dadurch fühle ich mich noch motivierter und ich hatte eine Menge Spaß. Ich war konkurrenzfähig genug, um zwei Rennen zu gewinnen, und ich habe in fast jedem Rennen mit Lorenzo und Marquez um den Sieg gekämpft, was mein Ziel war."

Frage: "Was war während der Saison dein glücklichster Moment?"
Rossi: "Der beste Moment war der Sieg in Misano vor all meinen Fans. Ich konnte mir nach fünf Jahren wieder den Sieg in Italien holen und das war großartig. Ich habe das Rennen geliebt. Ich habe es genossen und habe die Emotionen gespürt. Trotzdem konnte ich den zweiten Sieg etwas mehr genießen, denn in Misano war ich etwas zu aufgeregt. Auf Phillip Island wusste ich den Sieg sogar noch mehr zu schätzen. Ich habe es wirklich genossen!"


Fotostrecke: GP San Marino, Highlights

Frage: "Du bist jetzt seit zwei Saisons wieder bei Yamaha. Was bedeutet es dir, ein Yamaha-Fahrer zu sein?"
Rossi: "In meinem Herzen fühle ich mich zu 100 Prozent wie ein Yamaha-Fahrer. Ich hatte eine lange Karriere und bin viele Werks-Motorräder gefahren. Aber das Highlight meiner Karriere ist ohne Frage Yamaha. Ich liebe es, mit dem Team zu arbeiten, und ich mag die M1 wirklich."

"Deshalb bin ich glücklich, zwei weitere Jahre bei ihnen zu bleiben. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um mich bei all den Jungs zu bedanken, die an Yamahas MotoGP-Programm mitarbeiten und mir diese exzellenten Resultate ermöglichen. Ich möchte allen danken, denn es ist wirklich eine Freude, mit ihnen allen zusammenzuarbeiten."

Rossi hinterfragte sich selbst

Frage: "Wir wissen, dass du dich nach drei schwierigen Jahren physisch und mental gut vorbereitet hattest. Wie ist dir so ein starkes Comeback gelungen?"
Rossi: "Ich denke, das Geheimnis liegt darin zu verstehen, dass du noch immer ein Teil des Spiels sein möchtest. Damit dir das gelingt, musst du all die Siege vergessen, die du in den vergangenen Jahren geholt hast. Du musst große Demut zeigen."

"Außerdem musst du begreifen, dass du hart arbeiten musst, wenn du weitermachen möchtest. Wenn du dich zu sehr auf deinen Erfolgen der Vergangenheit ausruhst und dir sagst 'na ja, ich habe neun Weltmeisterschaften und mehr als 100 Rennen gewonnen', dann kannst du gleich zuhause bleiben. Der Sport, deine Rivalen, die Reifen, dein Motorrad, alles verändert sich. Also musst du arbeiten, um stärker zu werden. Wenn du das nicht machst, dann bist du erledigt."

Valentino Rossi

In seinen beiden Jahren bei Ducati lief es für Valentino Rossi überhaupt nicht rund Zoom

Frage: "Die Geschichte des Sports zeigt uns, dass es solche Fahrer gegeben hat..."
Rossi: "Die Frage lautet: 'Warum fahre ich noch?' Ich bin noch hier, weil ich mich selbst beweisen möchte. Ich fahre noch immer gerne und genieße die Rennen. Ich habe noch immer gute Gründe, um auch nach so vielen Jahren noch immer hier zu sein."

Frage: "Im vergangenen Jahr hast du gesagt, dass du dich selbst im Auge behalten musst. Wie sehr konntest du dich da entspannen?"
Rossi: "na ja, sich selbst zu beurteilen heißt meiner Meinung nach nicht, dass man nicht an sich selbst glaubt. Ich war mir nicht zu 100 Prozent sicher, aber ich war ziemlich überzeugt, dass ich besser sein konnte."

"Ich bin noch hier, weil ich mich selbst beweisen möchte." Valentino Rossi

"Während all den Jahren habe ich mit all diesen Fahrern gekämpft und manchmal wurde ich besiegt. Aber andere Male habe ich auch gewonnen. Ich fuhr noch immer, aber wenn du 35 Jahre alt wirst, dann sind deine Gegner zehn Jahre jünger als du. Wenn du in drei schwierigen Jahren gegen sie kämpfen musst, dann musst du die Situation in deinem Kopf überdenken und stellst fest, dass vielleicht du das echte Problem bist."

Sind Honda und Marquez zu weit weg?

Frage: "In der zweiten Saisonhälfte hast du deinen Hauptgegnern eine klare Botschaft geschickt. Wie kannst du sie noch mehr unter Druck setzen und wie kann Yamaha dir dabei helfen, deinen zehnten WM-Titel zu holen?"
Rossi: "Ich glaube noch immer daran, das habe ich immer gesagt. Nach diesem Jahr sogar noch mehr, denn wir sind vorne dabei. Wir sind wirklich nah an unseren Rivalen dran, aber es wird schwierig werden. Lorenzo wird nächstes Jahr stärker sein und Marquez hat den Titel mit 13 Siegen geholt, ich gewann dagegen nur zweimal."

"Das heißt, dass er elf Rennen mehr als ich gewonnen hat. Der Unterschied ist groß. Um diese Lücke zu schließen, müssen wir besser mit dem Team und Silvano arbeiten. Außerdem müssen wir hart mit Yamaha arbeiten, damit sie uns helfen. Ich denke, dieses Jahr, ganz besonders zu Beginn, war Honda viel kompetitiver als unser Motorrad. In der ersten Hälfte der Saison war es zu einfach für Marc. Wenn wir ihm das Leben schwer machen wollen, dann müssen wir näher an ihm dran sein."

Frage: "Wo wir gerade bei den Siegen von Marquez sind: Als du mit einer Honda gewonnen hast, haben alle gesagt, dass das nur am Motorrad liegt..."
Rossi: "Das fand ich traurig, denn wenn du so viele Rennen gewinnst, dann werden dein Motorrad und du zu einer Einheit. Es ist eine wachsende Symbiose zwischen Fahrer und Motorrad."


Fotostrecke: Der Triumphzug von Marc Marquez

"Das Motorrad war eine Honda und zu diesem Zeitpunkt das schnellste von allen. Vor zehn Jahren hatte ich eine Menge Erfolge, aber der Pilot trägt auch seinen Teil dazu bei und macht den Unterschied. Als mir das vor zehn Jahren gelang, sagten alle: 'Ach, er gewinnt nur wegen der Honda.' Aber ich muss ihnen danken, denn wegen ihnen wechselte ich zu Yamaha und es war großartig zu beweisen, dass ich auch auf einem anderen Motorrad gewinnen kann."

Was bringt die Zukunft?

Frage: "Viele Jahre sind vergangen und du gibst noch immer jederzeit das Maximum. Wenn du auf die Vergangenheit zurückblickst, was siehst du dann?"
Rossi: "na ja... Ich bin sehr glücklich, denn ich habe eine Menge gewonnen. Ich habe Rennen gewonnen und in einer Welt gelebt, die mir nur Freude gegeben hat. Also sind meine Erinnerungen sehr positiv."

Frage: "Und wenn du mit all den attraktiven Projekten und der Akademie nach vorne blickst, nicht in die nächsten Jahre sondern noch weiter, was siehst du dann?"
Rossi: "Alle Projekte sind wunderbar. Ich bin glücklich, aber leider werde ich irgendwann aufhören müssen, Rennen zu fahren. Das Team und die Akademie werden mir helfen, aber es wird nicht dasselbe sein."

Frage: "In der Pressekonferenz in Valencia haben dich alle gelobt: Du bist eine Legende, ein außergewöhnlicher Fahrer. Wie erlebst du so etwas?"
Rossi: "Mit Stolz! Natürlich wäre ich lieber 25 als 35, aber ich bin sehr stolz. Ich habe so viel Respekt vor meinen Gegnern. Viele von ihnen haben die Rennen als kleine Kinder gesehen und mich unterstützt."


Fotostrecke: GP Phillip Island, Highlights 2014

Frage: "Nach dem Test in Valencia hast du etwas Zeit, um dich zu entspannen. Was wirst du mit deiner Zeit anfangen?"
Rossi: "Nach den Tests können wir uns zuhause entspannen. Am 30. November steht als nächstes die Monza-Rallye-Show an. Danach sind der Dezember und Januar die Monate, in denen wir wirklich Urlaub machen können. Ich würde gerne mit meinen Freunden Snowboard fahren. Nichts Besonderes."