Nadia Padovani: Die Frau, die mit Courage das Gresini-Team gerettet hat

Nach dem Tod ihres Mannes Fausto Gresini hat Nadia Padovani sein Vermächtnis übernommen und das MotoGP-Projekt wieder erfolgreich auf die Beine gestellt

(Motorsport-Total.com) - Vor zwei Jahren hat Nadia Padovani den Gresini-Rennstall übernommen. Das Team wurde bis zu seinem Tod von ihrem Ehemann Fausto Gresini geführt. Wir haben sie getroffen, um besser zu verstehen, wer diese Frau ist, von der in der Öffentlichkeit wenig bekannt ist. Und warum sie diese kolossale Aufgabe übernommen hat, ein MotoGP-Team zu leiten.

Titel-Bild zur News: Nadia Padovani

Nadia Padovani ist die einzige Teamchefin in der MotoGP Zoom

Nach einem zweimonatigen Kampf gegen das Coronavirus ist Fausto Gresini am 23. Februar 2021 verstorben. Das war ein großer Schock für das gesamte Fahrerlager. Mit 60 Jahren war der Italiener eine Säule der Motorrad-Weltmeisterschaft.

Er war ein ehemaliger Rennfahrer, zweimal Weltmeister der 125er-Klasse und Chef eines der bedeutendsten Privatteams. Gresini hat alles erlebt. Er hat als Teamchef große Siege gefeiert, aber auch die Tragödien von Daijiro Kato und Marco Simoncelli verkraften müssen.

Als Gresini verstorben ist, stand die große Frage im Raum, wie die Zukunft seines Teams aussehen würde. Nadia Padovani, Gresinis Witwe und Mutter von vier Kindern, hat das sofort verstanden. Noch vor seinem Begräbnis traf sie die Entscheidung, die Arbeit ihres Mannes fortzusetzen.

Padovani hat früher als Krankenschwester gearbeitet und war für die bevorstehenden Aufgaben nicht vorbereitet. Man sagt, dass Courage entscheidend ist, selbst wenn man Bedenken hat. Schließlich wurde sie die erste Frau, die ein MotoGP-Team leitet.

"Es war eine sofortige Entscheidung, von mir und meinen älteren Söhnen", blickt Padovani auf diese Zeit im Gespräch mit der französischen Edition von 'motorsport.com' zurück. "Es war eine impulsive Entscheidung. Es war das Business meines Mannes."

"Er hat das Team über die Jahre aufgebaut und sich sehr darum gekümmert. Wir wären traurig gewesen, wenn wir das Team zugesperrt und alle Mitarbeiter nach Hause geschickt hätten." Sie hätte sich zurückziehen können.

"Es gab verschiedene Probleme. Nicht nur bezogen auf die Firma, sondern auch persönliche, weil ich Kinder habe. Zwei sind noch recht klein. Ich musste mich persönlich um viel kümmern", schildert Padovani.

Fausto Gresini

Fausto Gresini verlor den Kampf gegen das Coronavirus Zoom

Sie ist umgeben von ihren beiden älteren Söhnen Lorenzo und Luca, 22 und 26, sowie den engen Vertrauten ihres Lebenspartners. Allen voran Verkaufs- und Marketingdirektor Carlo Merlini. Sie hat gelernt, den Rennstall und die Firma zu leiten.

"Ich muss mich bei allen bedanken, die schon mit meinem Mann gearbeitet haben. Sie haben mir sehr geholfen. Alleine hätte ich es nicht geschafft. Man kann das nicht alleine und muss von aufrechten Menschen umgeben sein."

Männlich dominiertes Umfeld in der MotoGP

Trotz der Unterstützung hat der Schritt ins Teammanagement ihr Leben komplett verändert. "Vorher war ich die Mutter von vier Kindern. Mein Mann hat sich um das Geschäft gekümmert. Das war die andere Familie, die Gresini-Familie."

"Ich habe natürlich nicht alle Details des Geschäfts gekannt. Er hat mir erzählt was vor sich geht, aber ich wusste nicht die Details und was er tun musste, damit es klappt. Nach seinem Tod bin ich in die Werkstatt gegangen und habe viel mit den Leuten des Teams gesprochen."

Nadia Padovani

Nadia Padovani hat den Gresini-Rennstall nach Faustos Tod übernommen Zoom

"Ich wollte auch verstehen, was sie über mich dachten, denn ich kam in ein Umfeld, wo immer mein Mann war. Würden sie mich akzeptieren? Es war nicht einfach." Padovani ist bewusst, dass sie die Aufgaben von einer wirklichen Führungspersönlichkeit übernommen hat.

"Dieses Umfeld ist männlich dominiert. Ich kam als Frau in ein Umfeld, wo es immer einen Mann gegeben hat. Es gibt keine anderen weiblichen Teammanager in der MotoGP. Ich musste also auch mit den Managern der anderen Teams sprechen."

"Am Anfang war ich etwas zögerlich, weil ich nicht wusste, ob sie mich akzeptieren würden. Es war nicht einfach, weil es immer diese männlich dominierte Mentalität gibt. Aber Schritt für Schritt haben sie begonnen, mich kennenzulernen."

Nach Simoncellis Unfall wollte Gresini aufhören

In den ersten Monaten hat ihr die Erfahrung von Fausto geholfen, wie er nach schweren Schicksalsschlägen wieder auf die Beine gefunden und weitergemacht hat. Die tödlichen Unfälle von Kato 2003 und Simoncelli 2011 waren schwierig zu verkraften.

Marco Simoncelli; Fausto Gresini

Fausto Gresini musste einige Schicksalsschläge verkraften Zoom

"Nach Daijiro hat er sich gesammelt und wollte das Geschäft weiterführen. Nach Marcos Tod wollte er sieben, acht Tage gar nicht aus dem Bett", erinnert sich Padovani. "Er sagte damals: 'Es reicht, ich höre jetzt auf. Es ist schrecklich, diese jungen Menschen so sterben zu sehen.'"

"Er wollte aufhören, aber ich habe ihm gesagt, dass wenn er das Team zusperren würde, dann würden diese junge Leute für ein anderes Team fahren. Du kannst helfen und tun, was du tun musst. Es ist ihr Traum, so wie es Marcos Traum war, in der MotoGP zu fahren."

MotoGP-Projekt in drei Monaten aufgebaut

Schon vor seinem unerwarteten Tod hat Gresini angekündigt, dass die Zusammenarbeit mit Aprilia zu Ende gehen wird und er ab 2022 wieder als eigenständiges Satellitenteam in der Königsklasse an den Start gehen will.

Nach seinem Tod musste im weiteren Jahr 2021 erst alles im Detail geplant werden. Die Finanzierung, die Partnerschaft mit Ducati und so weiter. Das Moto3-Projekt wurde aufgegeben, aber Gresini ist neben der MotoGP weiterhin in der Moto2 und der MotoE engagiert.

"Wir haben nicht aufgegeben. Wir haben versucht, Faustos Projekt fortzusetzen", sagt die neue Teamchefin. "Er hatte sein Projekt noch nicht fertig gebracht, nämlich wieder sein eigenes, unabhängiges MotoGP-Team zu haben."

Carlo Merlini

Carlo Merlini ist im Hintergrund eine wichtige Stürze des Gresini-Teams Zoom

"Wir haben alles getan, um das zu erreichen. Es gab nicht viel Zeit. Ich habe die Firma im März übernommen und die Deadline, ob wir es schaffen oder nicht, war Juni. In drei Monaten haben wir das MotoGP-Projekt aufgestellt."

"Es war verrückt! Niemand hat je so ein großes Projekt in drei Monaten auf die Beine gebracht. Das Budget ist gewaltig. Aber wir haben es geschafft. Das war für uns schon ein großer Sieg" Entscheidend war, wer Motorräder zur Verfügung stellen würde.

"Fausto hatte mit mehreren Herstellern gesprochen, aber er hatte noch nicht entschieden, wer der Partner sein würde. Es gab Aprilia, Suzuki und Ducati. Die Wahl für Ducati habe ich getroffen", sagt Padovani. Bei den Fahrern entschied man sich für eine Paarung aus der "Gresini-Familie".

Emotionaler Sieg im ersten Rennen

Fabio di Giannantonio wurde von der Moto2 befördert und Enea Bastianini kehrte zurück. Für Gresini ist er schon in der Moto3 gefahren. "Wir sahen das als Zeichen von Fausto, denn es waren zwei Fahrer, mit denen er schon in der Moto3 gearbeitet hat."

Aber sie hält auch fest: "Fausto hatte noch gar nichts geplant. Wir haben das gemacht." Und dann passierte das sportliche Wunder. Bastianini gewann 2022 gleich den Saisonauftakt in Katar. Es war der erste MotoGP-Sieg für das Gresini-Team seit Toni Elias 2006 in Portugal.

Enea Bastianini, Nadia Padovani

Enea Bastianini gewann gleich das erste Rennen in Katar 2022 Zoom

"Es waren unglaubliche Emotionen, weil wir wirklich 200 Prozent gegeben haben, um es zum ersten Grand Prix zu schaffen. Wir haben das ganze Jahr 2021 daran gearbeitet, das MotoGP-Team aufzubauen."

"Und am ersten Tag Erster zu sein und ganz oben auf dem Podium zu stehen, war wirklich ... es war unglaublich emotional", erinnert sich Padovani an diese Sternstunde zurück. "In diesen Tränen war alles. Die ganze Anspannung und alle Schmerzen, die ich in mir trug, sind abgefallen. Der Verlust meines Mannes war für mich und meine Kinder sehr bedeutend in unserem Leben."

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