• 20.09.2023 12:26

  • von J.Ziegengeist, Co-Autoren: G.Dirnbeck, L.Duncan

MotoGP-Stürze im TV: "Auch ein Grund, warum die Leute einschalten"

In Barcelona lief der Highsider von Francesco Bagnaia in Dauerschleife, für einige Fahrer "inakzeptabel" - Andere argumentieren mit dem Zuschauerinteresse

(Motorsport-Total.com) - Es ist immer wieder ein Diskussionsthema in der MotoGP und erhielt nach dem Grand Prix von Katalonien neuen Aufwind: Wie oft sollten Stürze im TV gezeigt werden? Der schwere Highsider von Francesco Bagnaia in Barcelona wurde ganze 19 Mal wiederholt, bevor klar war, ob er sich verletzt hat.

Titel-Bild zur News: Francesco Bagnaia

Francesco Bagnaia wurde in Barcelona kurz nach dem Start von Brad Binder überrollt Zoom

Die einzige Information vor seiner Untersuchung im Medical Centre war, dass der Ducati-Pilot am Ort des Geschehens bei Bewusstsein war. Nicht nur für die Angehörigen und sein Team eine belastende Situation, sondern auch seine Fahrerkollegen. Schließlich mussten sie nur kurze Zeit später zurück auf die Strecke.

Yamaha-Pilot Fabio Quartararo findet für die ständigen Replays deshalb auch klare Worte. "Für mich ist das inakzeptabel", sagt er. "Man kann es einmal zeigen, aber man muss bedenken, dass es 20 andere Fahrer gibt, die neu starten müssen."

Dabei sei allen nach einem solchen Zwischenfall umso bewusster: "Das kann auch einem selbst passieren. Mental ist es also schwierig, wenn man einen so großen Crash sieht."

"Am Ende geht es dem Fahrer zwar gut, aber es kann auch viel schlimmer sein. Bei der Meldung 'Fahrer ok' weiß man nicht, ob er sich einen Arm und zwei Beine gebrochen hat, oder gar nichts. Für mich ist es in Ordnung, es einmal zu zeigen. Aber es vor unserem Rennen ständig zu wiederholen, ist nicht schön."

MotoGP-Fahrer beklagen zu viele Sturz-Replays

Ähnlich äußern sich auch viele seiner Kollegen im MotoGP-Paddock. Jorge Martin sagt: "Ich habe versucht, mir das nicht anzusehen. Natürlich schaut man erst einmal hin, um zu sehen, ob es Pecco gut geht. Man weiß ja nicht genau, was passiert ist."

"Aber die ständigen Wiederholungen, auch wie er da lag und abtransportiert wurde, waren zu viel. Zu diesem Zeitpunkt hätte man Pecco etwas mehr Respekt erweisen sollen", findet der Pramac-Pilot und findet Zuspruch bei Marco Bezzecchi.

"Ich stimme Jorge zu. In einer solchen Situation sind wir ohnehin alle nervös. Pecco befand sich im Medical Centre und wir wussten nicht, wie es ihm geht. Aber vor uns lag der Neustart, deshalb war es nicht sehr schön, den Sturz immer wieder zu sehen. Unsere Boxen sind voller Monitore. Es ist also schwer, nicht hinzusehen."


Fotostrecke: Barcelona: Massencrash in Kurve 1 und heftiger Highsider von Bagnaia

Auch Brad Binder betont: "Für mich als Fahrer ist es nie schön, so etwas zu sehen, vor allem, weil man ja selbst noch einen Job zu machen hat. Gleichzeitig ist es aber auch gut zu sehen, ob alle okay sind. Wenn der Monitor leer bleibt, ist es also fast noch schlimmer. Es ist eine schwierige Situation und ich bin da kein Experte."

Marc Marquez stimmt zwar zu, dass es für die Fahrer schwierig sei, und hält 19 Wiederholungen für übertrieben. Er verweist aber auch darauf, dass es nun mal zum normalen Übertragungsprozesses gehöre und Stürze oft mehr Engagement erzeugten.

"Es stimmt, dass es für die Fahrer sehr schwierig ist, den Sturz viele, viele Male zu sehen, vor allem, wenn man wieder rausmuss", sagt der Honda-Fahrer. "Aber 'Pecco' war okay. Die Dorna hatte die Information von der Ambulanz, dass es ihm gut geht."

Marquez: Das interessiert die Zuschauer nunmal

Die Wiederholung des Zwischenfalls sei "Teil der Show", erklärt der Spanier weiter. "Es ist wahr, dass es vielleicht nicht notwendig ist, es so viel Male zu zeigen. Aber das ist nicht meine Entscheidung. In meinem Fall habe ich den Fernseher einfach ausgeschaltet und mich voll auf meine Arbeit konzentriert."

"Aber es stimmt, wenn man sich im Internet die Aufrufe des Unfalls und des Rennsiegs anschaut, gibt es mehr Aufrufe für den Unfall. Wenn die Leute das sehen wollen, müssen die Leute, die das Bild produzieren, das auch zeigen", findet Marquez.

Marc Marquez

Marc Marquez hat, was Replays von Stürzen angeht, eine geteilte Meinung Zoom

Gleichwohl bekräftigt er: "Es stimmt, für die Fahrer ist es sehr schwierig. Als ich mir das Rennen zu Hause noch einmal ansah, habe ich den Moment übersprungen, weil ich ihn als Fahrer nicht sehen wollte. Wenn es wirklich 19 Replays waren, dann sage ich, das ist zu viel. Fünf sind genug, oder sogar weniger."

Marquez' Markenkollege Johann Zarco ist zwar auch kein Fan ständiger Sturzwiederholungen. "Aber das ist auch ein Grund, warum die Leute den Fernseher einschalten", sagt er. "Wenn es um tödliche Gefahr geht, dann interessiert das die Leute."

"Aber was ich von der TV-Übertragung mitbekommen habe, ist es zumindest so, dass sie den Crash nur zeigen, sobald man weiß, dass die Fahrer am Leben sind", ergänzt Zarco.

Espargaro wütend über TV-Aufnahmen der Familie

In Barcelona wurde aber nicht nur der Sturz immer wieder eingespielt. Während Bagnaia im Medical Centre untersucht wurde, zeigte man auch Live-Bilder von seiner besorgten Familie und seinem Team. Aus Sicht von Pol Espargaro, der im März selbst einen schweren Sturz hatte, ist man damit klar übers Ziel hinausgeschossen.

"Das ist nicht richtig und ich bin wirklich sauer darüber", sagt er. "Okay, den Unfall zu zeigen, ist schlimm, besonders weil wir nicht wussten, wie es 'Pecco' ging. Aber die Familie zu zeigen ... Ich zeige meine Familie nicht auf Instagram oder in den sozialen Medien. Ich hasse es, weil ich versuche, sie zu schützen."

"Ich bin derjenige, der all die Kritik und die Verletzungen oder was auch immer einstecken muss. Aber ich akzeptiere nicht, dass meine Familie im Fernsehen gezeigt wird."

Dabei fühlt sich der GasGas-Pilot vor allem an seinen eigenen schweren Unfall beim Saisonauftakt in Portugal erinnert, bei dem er sich mehrere Knochenbrüche zuzog. "Eines der Dinge, mit denen meine Frau sehr zu kämpfen hatte, war, dass vor dem Krankenhaus Kameras waren, als sie auf mich wartete", erzählt er.

"Im Fall von 'Pecco' sagten sie ihnen, dass er in Ordnung sei. Aber in meinem Fall war ich im Arsch, mir ging es schlecht - wirklich, wirklich schlecht. Meine Frau hat schon sehr gelitten, und dann auch noch im Fernsehen und vor den Kameras zu sein, das ist wirklich schlimm. Das ist etwas, das sich radikal ändern muss."