• 19.08.2023 19:55

  • von M.Fritzsche, Co-Autoren: G.Dirnbeck, G. Garcia Casanova

MotoGP-Startunfall Spielberg: Bestrafter Jorge Martin sieht sich unschuldig

Jorge Martin hat für seine Beteiligung am Startcrash im Spielberg-Sprint eine Strafe kassiert, sieht die Schuld aber bei einem anderen - Die Stimmen der Beteiligten

(Motorsport-Total.com) - Jorge Martin sorgte im MotoGP-Sprint am Samstag auf dem Red-Bull-Ring in Spielberg (Österreich) gleich zweimal für Aufreger. Auf der Strecke ist der Pramac-Ducati-Pilot in beiden Fällen davongekommen und hat, nachdem er nur von P12 gestartet war, sogar die Bronzemedaille für den dritten Platz in Empfang genommen.

Titel-Bild zur News: Jorge Martin

Jorge Martin sieht sich nicht als Schuldigen für den Startcrash am Spielberg-Samstag Zoom

Der zweite der beiden Aufreger rund um Martin war die Kollision in der siebten Runde mit Luca Marini, wobei der VR46-Pilot stürzte und ausschied. Den ersten Aufreger rund um Martin hatte es direkt in der ersten Kurve nach dem Start gegeben.

Martin war aus der vierten Reihe gut von der Linie weggekommen. Beim Anbremsen der ersten Kurve fuhr er ganz innen und versuchte, eine ganze Reihe von Konkurrenten zu überholen. Auf der Außenbahn fuhr Maverick Vinales. Der Aprilia-Pilot war aus der ersten Reihe losgefahren, im Gegensatz zu Martin aber denkbar schlecht weggekommen.

Zwischen Martin und Vinales wurde Yamaha-Pilot Fabio Quartararo in der ersten Kurve eingeklemmt. Während Martin auf der Strecke direkt weiterfuhr und sofort die Top 5 ins Visier nahm, kam in der Kettenreaktion allen voran Marco Bezzecchi (VR46-Ducati) zu Sturz.

Abgesehen von Bezzecchi gingen auch Miguel Oliveira (RNF-Aprilia) und Martins Pramac-Teamkollege Johann Zarco zu Boden. Zarco konnte zwar weiterfahren, gab aber kurz vor Schluss auf. Fabio Quartararo (Yamaha), Enea Bastianini (Ducati) und auch Vinales fuhren einen weiten Bogen und fielen zurück. Hingegen war der Renntag für Oliveira und Bezzecchi früh zu Ende.

Bezzecchi, dessen Rückstand auf WM-Spitzenreiter Francesco Bagnaia mit seiner eigenen Nullnummer beim gleichzeitigen Sieg von "Pecco" auf nun 59 Punkte angewachsen ist, sagt: "Unmittelbar nach dem Crash wusste ich nicht, was passiert war. Als ich mir dann aber das Video angesehen habe, habe ich verstanden. Ich denke, das Video zeigt es ziemlich klar."

Auf Nachfrage, ob er sauer gewesen sei, antwortet Bezzecchi: "Sauer war ich ein bisschen, vor allem aber ist es traurig. Es wäre wichtig gewesen, heute ins Ziel zu kommen, nicht zuletzt deshalb, um etwas für morgen zu lernen. Aber so ist es nun mal."

Nach "50 mal Video": Jorge Martin weist Schuld von sich

Derweil weist Jorge Martin, der letztlich als Dritter ins Ziel gekommen ist, jede Schuld am Startunfall von sich. "Ich habe mir das Video jetzt ungefähr 50 mal angesehen", sagt der Pramac-Pilot, nachdem er gut eine Stunde nach dem Sprint noch von der Rennkommissaren vorgeladen wurde und deshalb zehn Minuten zu spät zur Pressekonferenz erschienen ist.

"Es ist kompliziert, keine Frage", meint Martin und schildert den Startunfall aus seiner Sicht: "Ich fuhr eine gerade Linie, habe keine Richtungswechsel gemacht. Ich wollte die Kurve ganz innen fahren. Dann aber wurde es ein bisschen eng, weil außen andere Fahrer waren und die Linie dichtgemacht haben. Es kam zur Berührung zwischen Fabio und mir, wobei er ein bisschen die Kontrolle verloren hat."

"Ich denke, es war eine Kombination mehrerer Dinge. Ich finde aber nicht, dass es meine Schuld war", so Martin, der bekräftigt: "Ich hatte innen eine gute Linie."

Jorge Martin

Für den Grand Prix am Sonntag hat Martin eine Long-Lap-Penalty erhalten Zoom

Auf Nachfrage, bei wem er die Schuld sehen würde, wenn nicht bei sich selber, antwortet Martin unausgesprochen mit Vinales: "Ich will keine Namen nennen, aber von außen hat ein Fahrer die Kurve ziemlich geschnitten. Er hat seine Linie dabei komplett geändert. Das war wohl der Grund, weshalb mir Fabio zu nahe kam und ein bisschen die Kontrolle verloren hat."

Und auf Nachfrage, ob denn abgesehen von seiner Linie auch seine Geschwindigkeit für Kurve 1 "gut" gewesen sei, antwortet Martin: "Ich glaube, der Speed war zu 100 Prozent korrekt. Ich war in voller Schräglage und habe sogar die weiße Linie auf der Innenseite der Kurve berührt. Das kann man den Aufnahmen aus dem Hubschrauber entnehmen. Ich habe innen die Linie berührt. Ich habe niemanden nach außen gedrückt."

Die Meinungen von Quartararo, Vinales, Oliveira

Während Jorge Martin insistiert, nichts falsch gemacht zu haben, äußert sich Fabio Quartararo, mit dem Martin die Berührung hatte, diplomatisch. "Ich glaube, man konnte ziemlich gut sehen, was in Kurve 1 vorgefallen ist. Was passiert ist, ist passiert", sagt der Yamaha-Pilot und fügt hinzu: "Ganz besonders in der ersten Runde ist diese Kurve für die MotoGP-Bikes eine knifflige."

Startunfall im MotoGP-Sprint in Spielberg 2023

Kurve 1 nach Berührung von Martin (verdeckt hinter Alex Marquez) mit Quartararo Zoom

Wird Quartararo in der Startphase des Hauptrennens am Sonntag etwas anders machen? "Nein, ich werde die erste Kurve wieder genauso anfahren", sagt er und merkt an: "Heute ist mir mein bester Rennstart überhaupt gelungen. Ich kam richtig gut weg, aber im zweiten Gang haben die anderen Bikes mehr Power und wir verlieren wieder. Ich hatte meinen besten Start und habe ziemlich spät gebremst. Mehr hätte ich nicht tun können. Genauso will ich es auch morgen machen."

Und was sagt Maverick Vinales, dem von Jorge Martin anhand dessen Beschreibung die Schuld für den Zwischenfall gegeben wurde, wenngleich Martin "keine Namen nennen will"? "Ich habe mir die Szene noch nicht angeschaut. Ich weiß nur, dass ich von allen möglichen Seiten getroffen wurde", so Vinales.

Ganz ähnlich äußert sich auch Miguel Oliveira, der im Unterschied zu Vinales zu Sturz gekommen ist: "Aus meiner Sicht ist es sehr schwer zu verstehen. Ich wurde von beiden Seiten getroffen."

Bagnaia: Startcrash "hätte vermieden werden können"

Francesco Bagnaia, der den Startunfall aufgrund seines souveränen Start/Ziel-Sieges erst in der Wiederholung gesehen hat, hat ungeachtet dessen eine klare Meinung dazu.

Francesco Bagnaia

Sprint-Sieger Francesco Bagnaia sieht die Schuld bei Jorge Martin Zoom

"Wenn ein von weit hinten startender Fahrer versucht, viele Fahrer auf einmal zu überholen, dann ist das meiner Meinung nach schon sehr riskant. Auf manchen Strecken mag das gehen, aber auf anderen Strecken wie dieser hier, oder auch Jerez oder Mugello, ist es schwieriger, weil die [erste] Kurve sehr eng ist", sagt Bagnaia.

"Daher finde ich, dass es etwas ist, was hätte vermieden werden können, nämlich indem man nicht versucht, direkt sieben Fahrer zu überholen", sagt Bagnaia zum Startunfall im Spielberg-Sprint. Mit dieser Aussage bezieht er sich klar auf seinen Ducati-Markenkollegen Jorge Martin.

Stunden später: Martin kassiert Strafe für Sonntag

Martin wurde von den Rennkommissaren vorgeladen. Und mehr als zwei Stunden nach diesem Treffen und seinen Aussagen in der Pressekonferenz wurde seitens der Kommissare doch noch eine Strafe verkündet.

Martin erhält für den Grand Prix von Österreich am Sonntag eine Long-Lap-Penalty. Die dafür vorgesehene Penalty-Spur befindet sich in Spielberg ausgerechnet in Kurve 1. Weitere Strafen gibt es nicht, auch nicht für Martins Kollision mit Luca Marini in der Schikane.

"Vielleicht müsste man für den Start einen Fahrer bestrafen, aber ich denke nicht, dass ich derjenige bin", sagte Martin unmittelbar nach seinem Gespräch mit den Kommissaren, um hinzufügen: "Sie hatten ja 15 Runden lang Zeit, eine Strafe auszusprechen. Wenn, dann sollte es auch in diesem Zeitraum eine Strafe geben, nicht nach dem Rennen."

Zumindest in diesem Punkt erhält Martin Zustimmung von Marco Bezzecchi. "Das nach dem Rennen zu entscheiden, war falsch. So etwas muss während des Rennens entschieden werden", sagt der VR46-Pilot und weiter: "Wenn die Kommissare glauben, dass es so in Ordnung ist, dann ist das ihre Entscheidung. Ich stimme aber nicht zu." Zum Zeitpunkt dieser Aussage wusste Bezzecchi noch nichts von Martins Long-Lap-Penalty.

Fakt ist: In der aktuellen MotoGP-Gesamtwertung 2023 hat Martin vor dem Österreich-Grand-Prix am Sonntag als Tabellenzweiter nun 46 Punkte Rückstand auf WM-Spitzenreiter Francesco Bagnaia. Derweil ist der Rückstand für den Tabellendritten Bezzecchi mit dessen Nullnummer nach dem Startunfall vom Samstag auf wie bereits erwähnt 59 Punkte angewachsen.