Marquez im Interview: "Habe ich keinen Spaß, muss ich neue Rolle akzeptieren"

Marc Marquez spricht über seine Beweggründe für den Wechsel von Honda zu Gresini - Er hat auch Selbstzweifel, ob er persönlich noch so gut ist wie vor Jerez 2020

(Motorsport-Total.com) - Der Wechsel von MotoGP-Superstar Marc Marquez von Honda zu Gresini ist eine der größten Schlagzeilen der vergangenen Jahre. Einfach war diese Entscheidung für den achtmaligen Motorrad-Weltmeister nicht, wie er im ausführlichen Interview mit der spanischen Edition von Motorsport.com schildert. Auch bezüglich seiner persönlichen Zukunft hat er weiterhin Zweifel.

Titel-Bild zur News: Marc Marquez

Nach elf Jahren und sechs WM-Titeln verlässt Marc Marquez Honda Zoom

Frage: "Wie waren die vergangenen Tage seit klar ist, wie die Zukunft 2024 konkret aussehen wird?"

Marc Marquez: "Das war mental eine große Erleichterung. Wenn man eine wichtige Entscheidung treffen muss, dann hat man Zweifel, bis man sich zu diesem Schritt entschließt. Aber selbst nach dieser Entscheidung habe ich noch Fragen. Diese Fragen wird die Zeit beantworten. Zum Beispiel, wenn ich das erste Mal die Ducati fahren werde."

Frage: "Wenn Sie diesen kompletten Prozess noch einmal durchmachen müssten, hätten Sie etwas anders gemacht?"

Marquez: "Nein, überhaupt nicht. Es hat so lange gedauert, weil ich gedanklich bei Honda bleiben wollte. Aber meine Priorität war der sportliche Aspekt. Das war in meiner Karriere immer die treibende Kraft. Mehr als das Gehalt oder alles Andere, das hier vor sich geht."

Frage: "Als Sie an jenem Mittwochmorgen in Japan angerufen haben, um mitzuteilen, dass Sie gehen werden, welche Reaktion gab es am anderen Ende der Leitung?"

Marquez: "Sie hatten es erwartet. Bei Honda war man sich die ganze Zeit bewusst, dass diese Möglichkeit besteht. Das ist die gute Sache an so einer vertrauten Beziehung, die so erfolgreich war. Man kann jederzeit direkt über alles sprechen. Ich hatte nie etwas verborgen. Sie wussten, dass diese Möglichkeit auf dem Tisch lag."

Frage: "War es einfach, mit Honda zu einer Übereinstimmung bezüglich der Vertragsauflösung zu kommen?"

Marquez: "Unsere Beziehung war immer gesund und sehr konstruktiv. Wir haben haben beide Ansichten besprochen und kamen zu dem Schluss, dass es für das Projekt aus jeglicher Sicht der richtige Schritt ist."

Marc Marquez

Seit Herbst 2021 hat Marc Marquez kein Rennen mehr gewonnen Zoom

Frage: "In den vergangenen Tagen haben Sie zugegeben, dass sie im Gegensatz zu dem, was man gesehen hat, keine gute Zeit hatten. Hatten Sie ein schlechtes Gefühl, weil sie wussten, dass sie Honda verlassen werden?"

Marquez: "Ich hatte eine schwierige Zeit, weil es ein Kampf zwischen meinem Kopf und meinem Herz war. Mein Herz sagte mir, dass ich bei Honda bleiben muss. Anhand meiner Erziehung versuche ich immer, sehr dankbar denjenigen gegenüber zu sein, die mir geholfen haben und gut zu mir waren."

"Ich werde dort viele Leute verlassen. Auch viele Sponsoren, die mir viel gegeben haben. Aber wenn man darüber nachdenkt, dann vergeht ein Jahr. In der Karriere eines Athleten ist es ein Jahr, das man nie zurückbekommt. Ein Projekt kann dauern, aber die Karriere eines Athleten dauert nur so lange, wie sie eben dauert."

Wechsel ohne seiner kompletten Crew

Frage: "Sie werden nur mit einer Person zu Gresini gehen, die sie praktisch schon seit immer begleitet. In welchem Ausmaß ist es eine Priorität, 2025 wieder mit Ihrem gesamten Team vereinigt zu sein?"

Marquez: "Wenn ich mehr Gas gebe, dann werde ich bezüglich allem mehr Möglichkeiten haben - um an den einen oder anderen Ort zu gehen, mit ihnen wieder zusammenzuarbeiten oder nicht. Wenn man auf der Strecke nicht stark ist, hat man auch sonst nicht."

"Wenn man keinen Speed hat, gibt es nichts zu tun. Die Zeit wird zeigen, was passieren wird. Aber ich habe die Gewissheit, dass sie nicht nur Mitarbeiter sind, sondern Freunde. Wir werden nicht in der gleichen Box sein, aber wir können uns zum Essen treffen."

"Ich hoffe, dass wir in Zukunft wieder zusammenarbeiten können. Ich bestreite nicht, dass ich das gerne wieder machen würde. Aber das hängt nicht nur von meinem Wunsch ab. Es hängt auch von meinem Speed und den Optionen ab, die für mich verfügbar wären."

Marc Marquez, Santi Hernandez

Santi Hernandez und Co. betreuen im nächsten Jahr einen anderen Fahrer Zoom

Frage: "Sind Sie dafür bereit, wenn in wenigen Monaten der Zirkus um Ihre weitere Zukunft wieder von vorne losgeht?"

Marquez: "Egal ob ich bei Honda geblieben wäre oder nicht, das hätte in der neuen Saison ohnehin schon nach dem ersten oder zweiten Rennen begonnen. Das wäre passiert, egal wie ich mich jetzt entschieden hätte."

"Ich suche nach der Freude auf der Strecke. Ich bin ein positiver, glücklicher Kerl. Mein persönliches Leben läuft sehr gut. Ich bin sehr glücklich. Aber mir fehlt dieses Gefühl auf der Strecke. Ich habe die Motivation. Ich stürze und steige wieder aufs Bike. Niemand schlägt mich bei dieser Hartnäckigkeit."

Marc Marquez hat sich mehr verändert als die Honda

Frage: "Was hat sich seit der Verletzung in Jerez 2020 mehr verändert? Der dominante Marc Marquez oder sein Motorrad?"

Marquez: "Die Person hat sich mehr verändert als das Motorrad. Weil ich eine lange Phase mit Verletzungen hatte und gelitten habe. Man wird viel reifer. Dadurch priorisiert man im Leben andere Dinge. Das erklärt die Entscheidung, die ich für nächstes Jahr getroffen habe."

Frage: "Sie haben zugegeben, dass die ausbleibenden Erfolge auch am Selbstvertrauen nagen. Haben Sie sich je gefragt, was sie heute mit der Honda von 2017, 2018 oder 2019 machen könnten?"

Marquez: "Ja, natürlich habe ich mich das gefragt. Aber zu diesem Zeitpunkt hatte ich gerade vier WM-Titel hintereinander gewonnen. Mein Selbstvertrauen war extrem hoch. In schlechten Momenten muss man dieses Selbstvertrauen wieder aufbauen. Genau das probiere ich in dieser zweiten Saisonhälfte."

"Seit Silverstone halte ich den Ball flach, obwohl viele Leute nicht verstanden haben, wie ich an diese Rennen herangehe. Das hatte ich zu diesem Zeitpunkt gebraucht. Dann kamen Resultate. Ich wurde aufgeregt und die Liste an Stürzen wurde wieder länger. Es ist wieder Zeit für einen Schritt zurück. Der Fehler in Mandalika lag daran, dass mir nicht klar war, dass ich noch nicht bereit dafür war, Risiken einzugehen."

Marc Marquez

Kein Fahrer ist in dieser Saison bisher so oft gestürzt wie Marc Marquez (25 Mal) Zoom

Frage: "Ist diese neue Herangehensweise, Risiken zu minimieren, nur vorübergehend, oder bleibt das als Konsequenz des schwierigen Motorrads in diesem Jahr?"

Marquez: "Es ist eine Kette. Wenn du schnell fährst, steigt dein Selbstvertrauen. Dann kann man noch schneller fahren. Das ist in Mandalika passiert. Ich bin im Qualifying gestürzt, als ich attackieren musste und auf meiner persönlich schnellsten Runde war. Dann bin ich im Sprint in der ersten Runde gestürzt, als man attackieren musste. Im Rennen bin ich nicht gestürzt, weil ich attackiert habe, sondern weil ich kein Vertrauen mehr hatte."

Marc kontert Bruder Alex: "Kein Gedanke an Rücktritt"

Frage: "Auf dem Papier fahren Sie im nächsten Jahr die Ducati von diesem Jahr. Ist das Anhand der Umstände gut oder schlecht?"

Marquez: "Einerseits ist die Verantwortung geringer. Aber es ist eine Verantwortung, die mir immer gefallen hat. Ich habe immer die Rolle akzeptiert, ein Projekt anzuführen. Bis 2020 habe ich das gemacht. Dann habe ich mich verletzt und war praktisch zwei Jahre weg."

"Als ich 2022 zurückkam, habe ich sofort gesagt, dass sich das Motorrad für meinen Fahrstil in die gegenteilige Richtung entwickelt hat. Ob ich mich darauf einstellen konnte? Ja, das konnte ich."

Marc Marquez, Alex Marquez

Im nächsten Jahr sind die beiden Brüder im Gresini-Team vereint Zoom

"Im nächsten Jahr werde ich einfach ein MotoGP-Fahrer sein und versuchen, so schnell wie möglich zu fahren. Ich weiß, wie man das macht. Natürlich werde ich versuchen, mit den mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten die Ducati für mich zu adaptieren. Ich glaube, Gresini wird mir dabei viel helfen können."

Frage: "Laut Ihrem Bruder könnten Sie über ein Karriereende nachdenken, sollten Sie auch im nächsten Jahr keinen Spaß haben."

Marquez: "Ich mache diesen Wechsel, weil ich wieder Spaß haben möchte. Wenn das nicht möglich ist, geht es nicht um einen Rücktritt, sondern ich müsste dann viele Dinge verstehen. Sollte das passieren, muss ich akzeptieren, dass sich meine Rolle geändert hat. Aber den Gedanken an ein Karriereende habe ich nicht im Kopf."

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