KTM-Technikchef gesteht: Feinheiten müssen warten

Noch arbeitet KTM an einer stabilen Basis für die MotoGP-Karriere - Technikchef Sebastian Risse hat die technischen Innovationen der Konkurrenz dennoch im Blick

(Motorsport-Total.com) - In einer Woche wird es ernst für KTM: Dann wird der MotoGP-Einsteiger die RC16 erstmals in ein Rennen schicken und wissen, wo er damit wirklich steht. Klar ist: Wunder darf man nicht erwarten. Denn noch sind die Baustellen der neuen Maschine zu zahlreich, weshalb auch Bradley Smith und Pol Espargaro für ihren ersten Renneinsatz für KTM in der Wüste von Katar wohl wissend etwas tiefer stapeln.

Titel-Bild zur News: KTM

Die KTM RC16 erlebt beim Großen Preis von Katar am 26. März ihre Feuertaufe Zoom

Gerade der letzte Test auf dem Losail International Circuit hat gezeigt, dass der Abstand zum Mittelfeld noch zu groß ist, um sicher in die Punkteränge vorzudringen. Nicht umsonst gab Espargaro zu, dass er am liebsten noch ein Jahr Zeit hätte, um das Motorrad weiter zu testen und zu entwickeln. Das braucht Zeit, wie man im Jahr 2015 bei Suzuki und Aprilia gesehen hat. Und KTM will sich diese Zeit geben.

Noch befinde man sich in der Aufbauarbeit, arbeite an einer soliden Basis, erklärt Technikchef Sebastian Risse. Der Raum für Experimente sei dabei begrenzt: "Wir haben eigentlich zwei Aspekte an unserem Fahrzeug, die heraustechen. Das sind der Stahlrahmen und die WP-Suspension - beides Dinge, die sich bisher im Fahrerlager der MotoGP nicht durchgesetzt haben, die wir für uns aber durchsetzen wollen."

Risse spekuliert über Ducatis "Salat-Box"

Dafür gehe KTM in anderen Bereichen möglichst konservativ vor, "um das gesamte Risiko zu reduzieren", so Risse weiter. Die technischen Kreationen der Konkurrenz beobachtet er aber trotzdem mit Spannung - und rätselt, was sich zum Beispiel hinter Ducatis ominöser "Salat-Box" verbergen könnte, die beim Katar-Test erneut zum Einsatz kam. "Es gibt sicherlich viele Ansätze, was sie dort unterbringen wollten", mutmaßt Risse.

"Sie haben ein sehr aerodynamisches Motorrad, was durch Leistung und Topspeed getrieben ist und was dadurch ein sehr enges Package hat. Platz ist bei solchen Motorrädern letztendlich Mangelware", weiß der Technikchef. Tatsächlich wurde im Zuge von Ducatis neuer Verkleidung spekuliert, dass in der Box jene Elektronikbauteile untergebracht werden, die in der neuen Frontpartie keinen Platz mehr haben.

"Ob das nun so wunderbar aussieht da hinten oder nicht, darüber kann man sich streiten. Aber wenn es von der Gewichtsverteilung und der Aerodynamik vertretbar ist, dann spricht technisch eigentlich nichts dagegen, dort Dinge unterzubringen, um in anderen Bereichen Platz zu sparen", urteilt Risse, will aber nicht ausschließen, dass Ducati im Heck "auch irgendein anderes Aggregat" versteckt, das weniger konventionell ist.


KTM präsentiert das MotoGP-Bike RC16

Technische Innovationen nicht immer ein Gewinn

Für sich und sein Team stehen derlei Spielereien aktuell nicht zur Debatte. "Wir sind eigentlich nicht in der Position, solche Feinheiten und innovativen Dinge in diesem Moment rauszubringen", gesteht Risse. So verzichtete KTM bisher auch auf Aero-Experimente, wie sie die Konkurrenz bei den Wintertests zeigte. Das heißt nicht, dass man auf lange Sicht nicht auch daran arbeite, nur sei es derzeit nicht prioritär.

Technikchef Risse zieht den Vergleich zur Moto3: "Dort sind wir auf einem Level, wo wir wirklich eine stabile Basis haben und wissen, wir können damit gewinnen. Und dann lohnt es sich, die Feinheiten alle anzuschauen, Risiken abzuwägen und auch mal andere Lösungsansätze zu finden." Allerdings nicht um jeden Preis. Denn die Gefahr, sich zu verzetteln, sei mitunter groß, warnt Risse.


Fotos: KTM, MotoGP-Test in Katar


"Das ist eine Gratwanderung: Konservative Ansätze wirklich auszureizen und dann zu realisieren, okay, in dem Bereich lohnt es sich, aus dieser Komfortzone rauszugehen und ich gewinne wirklich Performance. Und in einem anderen Bereich kann ich das zwar machen, aber es wäre eine Spielerei, die ein ähnliches Performance-Level nur anders erreicht und die Komplexität erhöht." Hier brauche es Fingerspitzengefühl.