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Honda-Analyse: Warum die Aerodynamik der nächste Schritt ist

Honda hat das Konzept der RC213V geändert und mehr Grip am Hinterrad gefunden - Für die richtige Gesamtbalance muss nun die Aerodynamik verbessert werden

(Motorsport-Total.com) - Honda hat für die MotoGP-Saison 2022 ein komplett neues Motorrad gebaut, aber die RC213V ist nicht konkurrenzfähig und spielt im Spitzenfeld keine Rolle. Bei den Wintertestfahrten und in Katar war die Performance vielversprechend. Pol Espargaro fuhr beim Saisonauftakt als Dritter auf das Podium.

Titel-Bild zur News: Takaaki Nakagami, Pol Espargaro

Honda hat das Konzept der RC213V radikal geändert Zoom

Aber je länger die Saison dauerte, desto weiter fielen die Honda-Fahrer im Feld zurück. Wo ist das Potenzial von Anfang des Jahres verloren gegangen? "Katar ist eine besondere Rennstrecke", sagt LCR-Teamchef Lucio Cecchinello im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'.

"Man hat schon in der Vergangenheit gesehen, dass ein Fahrer in Katar schnell ist und dann während der Saison Probleme hatte. Mandalika war für alle eine neue Strecke und dann hat Michelin für das Rennen die Reifen geändert."

Mit der neuen RC213V hat Honda ein komplett neues Konzept eingeschlagen, das sich radikal von der lange Zeit erfolgreichen Vorgängerversion unterscheidet. Das primäre Ziel lautete, mehr Grip am Hinterrad zu finden.

"Um mehr Grip zu erzeugen, haben die Honda-Ingenieure das Chassis und die Geometrie des Motorrads komplett neu designt. Man hat den Schwerpunkt verändert", erläutert Cecchinello. "Das hat auch funktioniert. Das Motorrad hat guten Grip und eine gute Beschleunigung."

"Aber dadurch ist ein Problem bei der Front entstanden. Wir arbeiten am Set-up, aber trotzdem klagen alle Fahrer, dass das Turning nicht so gut ist wie zuvor. Wir können klar sehen, dass unsere Konkurrenten ein besseres Turningverhalten haben und einen höheren Kurvenspeed fahren."

Lucio Cecchinello

Seit der Saison 2006 betreibt Lucio Cecchinello ein Honda-Satellitenteam Zoom

"Wir fahren die Kurve noch mehr mit einem V-Stil. Man hat über viele Jahre gesehen, dass die Honda-Fahrer den härtesten Vorderreifen verwendet haben. Unser Motorrad wurde von Dani Pedrosa, Casey Stoner und anschließend von Marc Marquez entwickelt."

Alte RC213V noch für Bridgestone-Reifen entwickelt

Die alte RC213V wurde noch für Bridgestone-Reifen designt. Der Vorderreifen der Japaner war extrem gut, weshalb Fahrer wie Stoner, Pedrosa und Co. mehr Gewicht auf dem Vorderreifen haben wollten. Eine Kurve im V-Stil zu fahren, war damals für Bikes mit V4-Motor der richtige Weg.

"Wenn man das macht, hat man eine bessere Stabilität, ein besseres Handling, aber man belastet den Vorderreifen natürlich mehr", erläutert Cecchinello. Bei Michelin ist der Hinterreifen besser als der Vorderreifen. Als Michelin 2016 zurückkehrte, ging die Sturzrate von allen Honda-Fahrern nach oben.

Nachdem der Spanier nach seiner schweren Oberarmverletzung lange pausieren musste, erkannte Honda, dass man das Konzept ändern muss, damit auch andere Fahrer mit dem Motorrad konkurrenzfähig sein können.

Marc Marquez

Marc Marquez konnte trotz vieler Stürze die Probleme kompensieren Zoom

"Die normaleren Fahrer haben verlangt, dass sie das Gas in Schräglage voll aufdrehen können, während Marc Marquez immer sehr tief in die Kurve gebremst und das Motorrad rasch aufgestellt hat", erklärt Ex-Rennfahrer Cecchinello.

"Da sie auf die Aussagen der anderen Fahrer gehört haben, mussten sie diese große Änderung vornehmen. Deshalb hat Honda das Motorrad neu designt, um eine neutralere Front zu haben, aber um hinten mehr Grip zu finden."

Konzeptwechsel erfordert neue Aerodynamik

Prinzipiell verfolgt Honda nun das Konzept der anderen Hersteller, vor allem von Ducati und Aprilia. "Man hat nicht so viel Gewicht auf dem Vorderrad, weil man das Gewicht hinten braucht, um Grip zu generieren. Das Gewicht vorne wird mit größeren Flügeln erzeugt."

"Honda hat in der Vergangenheit keine großen Flügel verwendet, weil wir das nicht gebraucht haben", vergleicht Cecchinello, denn mit dem alten Konzept hatte man für die Bremsphase genug Gewicht auf dem Vorderrad.

Mit dem Konzeptwechsel hat Honda den ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht. Als nächsten Schritt muss quasi ein neues Aerodynamik-Paket über das Motorrad gestülpt werden. Das bestätigen auch die Fahrer.

Stefan Bradl

Stefan Bradl nennt die Aerodynamik als wichtigsten Punkt Zoom

Testfahrer Stefan Bradl hält fest: "Momentan ist unser größtes Problem die Aerodynamik. Ich denke, wir haben dieses Paket etwas unterschätzt. Ducati und Aprilia haben viel Geld und Know-how investiert. Die Meisterschaft hat sich verändert. Man fährt jetzt mehr Kurvenspeed als früher."

Das bestätigt auch Takaaki Nakagami: "Chassis und Aerodynamik. Ducati und Aprilia sind ein, zwei Schritte vor uns. Wir haben mehr Downforce als im Vorjahr, aber kein Turning. Wenn man in Schräglage geht, dann hilft die Aerodynamik nicht beim Einlenken und das Motorrad untersteuert."

Aerodynamik für komplette Runde wichtig geworden

Die Aerodynamik ist mittlerweile über die komplette Runde ein entscheidender Faktor geworden. Bei der Beschleunigung hilft sie gegen Wheelies. Mit dem Ride-Height-System können die Flügel für die Geraden auch anders angestellt werden, um den Luftwiderstand zu minimieren.

Und in der Bremsphase sorgen die Winglets für mehr Anpressdruck auf das Vorderrad. Der Fahrer kann später und härter bremsen. Und mittlerweile unterstützt die Aerodynamik auch beim Lenkverhalten in der Kurve.

Man braucht den aerodynamischen Effekt also praktisch über die komplette Runde. "Ja", bestätigt Cecchinello. "Man nutzt nun die Aerodynamik, um mehr Abtrieb zu generieren, aber auch für besseres Kurvenverhalten. Ducati und Aprilia haben das schneller als wir verstanden."

Jack Miller, Alex Marquez

Im Bereich Aerodynamik muss Honda auf Klassenprimus Ducati aufholen Zoom

"Es ist heute sehr wichtig, den Einfluss der Aerodynamik zu erforschen. Honda hat das verstanden. Honda hat sehr viel Erfahrung im Automobilsport und es werden mehr Ressourcen für das MotoGP-Projekt abgestellt. Honda wird in Zukunft einen größeren Fortschritt machen."

Das Problem ist, dass Honda vom Reglement eingeschränkt ist. Während der Saison ist nur ein Update des definierten Aerobody erlaubt. Außerdem kann kaum mit den Stammfahrern getestet werden. Deshalb dauert so eine Entwicklung einige Zeit.

"Ehrlich gesagt, wir sind nahe dran zu verstehen, wie wir das Motorrad modifizieren können", ist Cecchinello zuversichtlich. "Wie Stefan und 'Taka' sagen, sind die Aerodynamik und das Chassis die wichtigsten Punkte. Honda wird auch nie die Motorleistung vergessen."

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