Herr Grassilli, wer wird 2025 Teamkollege von Francesco Bagnaia?

Ducatis neuer Sportdirektor Mauro Grassilli im Interview über "nicht so einfache" Vertragsverlängerung mit Bagnaia und Zukunft von Marc Marquez, Jorge Martin & Co.

(Motorsport-Total.com) - Mit der Desmosedici GP24 ist Ducati für die MotoGP-Saison 2024 wieder ein richtig guter Wurf gelungen. Beim Saisonauftakt am vergangenen Wochenende in Katar fuhren Pramac-Ducati-Pilot Jorge Martin im Sprint am Samstag und Ducati-Werkspilot Francesco "Pecco" Bagnaia im Grand Prix am Sonntag jeweils mit der GP24 zum Sieg.

Titel-Bild zur News: Francesco Bagnaia, Mauro Grassilli

Francesco "Pecco" Bagnaia mit Ducati-Sportdirektor Mauro Grassilli Zoom

Martin sagte nach dem Rennen, dass Ducati mit der GP24 "unschlagbar sein kann". Für den Hersteller hat das direkte Auswirkungen auf die Fahrerverhandlungen für 2025 und darüber hinaus. Denn weil die Ducati weiterhin das begehrteste Motorrad im Feld ist, kann man sich Zeit lassen, weitere Piloten für 2025 zu verkünden.

Mit Weltmeister "Pecco" Bagnaia hat Ducati unmittelbar vor dem Katar-Wochenende die Vertragsverlängerung bis Ende 2026 unter Dach und Fach gebracht. Es war der erste Vertrag, den der neue Ducati-Sportdirektor Mauro Grassilli ausgehandelt hat.

Im Interview für die spanischsprachige Ausgabe von Motorsport.com, einer Schwesterplattform von Motorsport-Total.com im Motorsport Network, erklärt Grassilli, warum die Vertragsverlängerung mit Bagnaia nicht so einfach war wie man vielleicht vermuten würde.

Grassilli verrät, welchen Aspekt seiner neuen Position er aus seiner Sicht noch nicht gemeistert hat. Er spricht darüber, welche Prioritäten die Marke mittelfristig setzen wird. Und er spricht über die Personalien Marc Marquez, Jorge Martin, Enea Bastianini, Fermin Aldeguer sowie das VR46-Team.

Neuer Vertrag mit Francesco Bagnaia war "nicht einfach"

Frage: "Mauro, es gibt wohl keinen besseren Einstieg in Ihre neue Position als die, kurz zuvor die Vertragsverlängerung mit dem Weltmeister unter Dach und Fach gebracht zu haben. Wie haben Sie diesen Prozess erlebt?"

Mauro Grassilli: "Ich war 20 Jahre lang im Marketing tätig. Dort bestand meine Rolle darin, dank meiner Beziehungen zu den Sponsoren so viele finanzielle Ressourcen wie möglich zusammenzubringen, um die Teams in der MotoGP-WM und in der Superbike-WM zum Funktionieren zu bringen. Das war jetzt das erste Mal, dass ich einen Vertrag ausgehandelt habe, bei dem ich derjenige mit der Brieftasche, mit dem Geld, bin."

""Ich dachte eigentlich, das sei einfach. Tatsächlich aber war es viel schwieriger als ich es mir vorgestellt hatte. Dank aller Beteiligten ist es uns aber gelungen, eine Einigung zu erzielen. Alle haben die Verlängerung des Vertrags von 'Pecco' als selbstverständlich angesehen, aber es war bei weitem nicht so einfach wie man vielleicht vermuten würde."

Francesco Bagnaia

Der neue Zweijahresvertrag mit "Pecco" Bagnaia war nicht so einfach wie gedacht Zoom

Frage: "Bei der Teampräsentation im Januar hatte Gigi Dall'Igna gesagt, er wolle den Vertrag mit Bagnaia vor dem Saisonauftakt verlängern. Haben Sie daran gezweifelt, dass die Unterschrift rechtzeitig kommt?"

Grassilli: "Es gab einen Moment, in dem ich zögerte, weil mir vielleicht die Erfahrung fehlte, um den gesamten Kontext zu verstehen. Meine erste Vertragsverlängerung, noch dazu mit einem so wichtigen Fahrer, war nicht einfach."

Dank Livio Suppo: Wie Grassilli zu Ducati kam

Frage: "Nach einer bisherigen Karriere bei Ducati, die schon fast ein halbes Arbeitsleben umfasst: Was bedeutet es für Sie, jetzt Sportdirektor zu sein?"

Grassilli: "Ich habe mich schon immer für Motorräder und insbesondere für Ducati begeistert, da ich immer ganz in der Nähe des Werks gewohnt habe. Während meines Studiums an der Universität war es immer mein Wunsch, für diese Marke zu arbeiten. Ich hatte mich in diese Marke verliebt. Damals wurde mir klar, dass es bei Ducati eine Person gibt, die keinen Abschluss in Technik, sondern in Wirtschaft hat. Diese Person war Livio Suppo. Er wurde meine erste Anlaufstelle."

"Mein erstes Treffen bei Ducati fand mit Livio statt. Er war derjenige, der mich eingestellt hat. Zur damaligen Zeit war es für mich undenkbar, dass ich eines Tages seinen Platz einnehmen würde. Dann kam Alessandro Cicognani und dann Paolo Ciabatti. Mit der Zeit kam ich zu der Überzeugung: Wenn sie es geschafft haben, warum sollte ich es nicht auch schaffen können? Und so begann ich in den vergangenen Jahren, mich auf diesen Moment vorzubereiten. Das war das wichtigste Ziel meiner Karriere."

Livio Suppo

Livio Suppo, später bei Honda und Suzuki, war einst Teammanager bei Ducati (Foto: 2009) Zoom

Frage: "Welchen Aspekt dieser neuen Position glauben Sie noch nicht gemeistert zu haben?"

Grassilli: "Meine Befürchtung ist, dass ich noch nicht ausreichend vorbereitet bin, um diese Position voll auszufüllen. Ich bin erst seit ein paar Monaten hier und kenne noch nicht alle Instrumente, die man braucht, um bestimmte Ziele zu erreichen."

"Im Marketing war es für mich viel einfacher, zu spielen und Spaß zu haben. In diesem neuen Kapitel aber fehlen mir noch die Werkzeuge. Ich habe Angst, etwas falsch zu machen. Ich war nie ein Mensch des Fahrerlagers. Deshalb habe ich auch Angst, in Beziehungen Fehler zu machen. Früher war ich in einer Saison bei zehn Rennen vor Ort. Ich kenne das Werk sehr gut, aber das Fahrerlager kenne ich nicht."

"Auswahl der Fahrer ist einvernehmlich, nicht individuell"

Frage: "2024 ist ein wichtiges Jahr für Ducati. Abgesehen davon, dass man 'Pecco' Bagnaia gehalten hat, scheint die Desmosedici GP24 ein klarer Schritt nach vorn zu sein. Sie müssen sich auch um die Auswahl der Fahrer kümmern. Was können Sie zur Fahrerbesetzung für die kommenden Jahre sagen?"

Grassilli: "Die Auswahl der Fahrer ist einvernehmlich, nicht individuell. Es gibt Gigi Dall'Igna und auch Claudio Domenicali. Ich trage dazu bei, aber im Moment ist mein Beitrag eher marginal. Mein persönliches Ziel war es, vor dem ersten Rennen den Vertrag mit 'Pecco' zu verlängern. Das haben wir geschafft, und zwar nicht nur wegen seiner Ergebnisse, sondern auch, weil er alle Werte unserer Marke in sich vereint und vom gesamten Ducati-Universum sehr geliebt wird."

"Jetzt haben wir beschlossen, einen Gang zurückzuschalten und abzuwarten, wie sich die Dinge auf der Rennstrecke entwickeln. Wir haben ein konkurrenzfähiges Motorrad, das begehrteste in der Startaufstellung. Deshalb haben wir es nicht eilig, zu entscheiden, wer der zweite Werksfahrer sein wird. Aber die Wahl wird wichtig sein, sie will überlegt sein und sie braucht Zeit. Wir haben eine Menge Fahrer zur Auswahl."

Frage: "Sie kommen aus der Welt des Marketings. Wie interpretieren Sie die Gelegenheit, dass zwei so starke Marken wie Ducati und Marc Marquez Hand in Hand gehen?"

Marc Marquez

Wechselt Marc Marquez für 2025 ins Ducati-Werksteam oder nicht? Zoom

Grassilli: "Die Marke mag Marc sehr. Er ist ein Fahrer, der viele Siege errungen hat und eine große Ausstrahlung besitzt. Ich kenne ihn noch nicht so lange, aber er scheint mir ein ehrlicher, aufrichtiger Mensch zu sein, ein wunderbarer Mensch. Marquez ist ein wichtiger Fahrer, den man in Betracht ziehen sollte."

Frage: "Wie sehen Sie Ihre Rolle im sportlichen Management der Ergebnisse? Schließlich gibt es eine ganze Menge Ducati-Fahrer mit großem Potenzial im Feld, nicht wahr?"

Grassilli: "Gigi [Dall'Igna] betont immer, dass es das Wichtigste ist, sich gegenseitig zu respektieren. Dann gewinnt der beste Fahrer. Ich stimme ihm da zu. Wenn sie sich sportlich gegenseitig respektieren, dann möge der beste Fahrer gewinnen."

Martin, Bastianini, Aldeguer und VR46

Frage: "Welche Alternativen hat Jorge Martin?"

Grassilli: "Jorge hat ein ungeheures Potenzial und im Moment hat er einen Vertrag mit Ducati. Am Ende des Jahres laufen die meisten Verträge aus und aufgrund seines Talents ist es offensichtlich, dass er viele Alternativen hat. Er kann gehen wohin er will, aber er hat immer gesagt, dass es sein Ziel ist, in unser Werksteam zu kommen."

Frage: "Was ich damit sagen will: Ein weiteres Jahr im Pramac-Team kommt nicht in Frage?"

Grassilli: "Das Management von Pramac, unserem werksunterstützten Satellitenteam, ändert sich. Auch das gehört zu meinem Job. Die weltweite Wirtschaftslage zwingt uns dazu, sehr vorsichtig mit unseren Ausgaben zu sein, sowohl für das Werksteam als auch für das Pramac-Team, das die meiste Unterstützung vom Werk erhält. Wir versuchen jetzt, in Bezug auf das Teammanagement und die Fahrergehälter zu nachhaltigeren Zahlen zurückzukehren."

Frage: "Welche Rolle spielt Enea Bastianini in diesem Szenario?"

Francesco Bagnaia, Mauro Grassilli, Enea Bastianini

Aktuell fährt Enea Bastianini (re.) seine zweite Saison im Ducati-Werksteam Zoom

Grassilli: "Das wir damals auf Enea gesetzt haben, das war sehr stark. Seine Ergebnisse sorgten dafür, dass er sich einen Platz im Werksteam für das nun vergangene Jahr verdient hat. Leider war er aufgrund von Verletzungen nicht in der Lage, sein volles Potenzial zu zeigen. Bei den Testfahrten im Winter war er kürzlich aber sehr schnell. Wir können warten, wir sind nicht in Eile. Das Wichtigste ist, dass er sich wieder wohlfühlt. Er weiß, dass er unsere volle Unterstützung hat. Dann werden wir sehen, wie es weitergeht."

Frage: "Der Vertrag mit dem VR46-Team läuft Ende des Jahres aus. Yamaha ist sehr daran interessiert, mit diesem Team zusammenzuarbeiten. VR46 aber würde es vorziehen, bei Ducati zu bleiben, solange sich ihr Status im Ducati-Gefüge verbessert. Wie laufen die Verhandlungen mit VR46?"

Grassilli: "Pramac besitzt die Exklusivrechte, das werksunterstützte Satellitenteam zu sein. Wir sprechen mit VR46, um unsere Zusammenarbeit zu verlängern. Das ist aber nicht einfach. Denn wie schon gesagt muss diese Vereinbarung auch in den neuen wirtschaftlichen Rahmen passen. Wir treffen uns jede Woche mit ihnen, aber wir haben noch keine Lösung gefunden. Wir wissen, dass sie ein Angebot von Yamaha auf dem Tisch haben. Wir sind nicht diejenigen, die in Eile sind."

Frage: "Welche Rolle spielt Fermin Aldeguer in diesem ganzen Zusammenhang?"

Grassilli: "Wir verfolgen ihn schon seit einiger Zeit und sprechen mit ihm. Wir stehen ganz kurz davor, eine Einigung zu erzielen. Das ist es, was ich im Moment sagen kann."

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