• 25.04.2017 12:34

  • von Maria Reyer & David Emmett

Crashfest analysiert: Warum in Austin so viele Fahrer abflogen

Marc Marquez, Andrea Dovizioso, Andrea Iannone oder auch Jorge Lorenzo: Sie alle stürzten im dritten Freien Training - Mischung aus Wind, Wetter & Reifen der Grund

(Motorsport-Total.com) - Das dritte Freie Training der MotoGP in Austin mutierte am Samstag zu einem wahren Sturzfestival. Acht Piloten erlebten insgesamt zehn Crashs in der Vormittagssession vor dem Qualifying. Drei wesentliche Faktoren wurden von den Fahrern für das Sturzspektakel ausgemacht: die kühlen Temperaturen, der Wind und die Michelin-Reifen. Unter den Betroffenen waren auch Superstars wie Marc Marquez oder Jorge Lorenzo. Glücklicherweise blieben bis auf Alex Rins, der sich eine Fraktur an der linken Hand zugezogen hatte, alle anderen Piloten unverletzt.

Titel-Bild zur News: Marc Marquez

Selbst Weltmeister Marc Marquez stürzte im dritten Training zweimal Zoom

Weltmeister Marc Marquez ging im dritten Training gleich zweimal zu Boden, zuerst in Kurve 18 über das Vorderrad, wenig später in Kurve 15 über das Hinterrad. "Die Bedingungen am Vormittag waren sehr kritisch", schildert der Austin-Sieger in der Pressekonferenz am Samstag. "Mein erster Sturz war mein Fehler. Ich habe das Gas zu sehr geöffnet. Am Freitag habe ich in dieser Kurve zu viel Zeit verloren, daher habe ich verschiedene Dinge probiert. Schließlich habe ich die richtige Linie gefunden. Der zweite Sturz war sehr komisch. Ich war sehr langsam. Der Hinterreifen hat ohne Bremsen einfach blockiert. Vielleicht war einfach der kalte Reifen schuld", rätselt der Spanier.

Er konnte wenig später die Pole-Positionen für sich entscheiden. Am Samstagvormittag sei es "wirklich kritisch" gewesen, betont Marquez. Er hat vor allem die Michelin-Pneus als Hauptverdächtige im Auge: "In diesem Jahr haben wir die Verkleidung geändert, die ist sehr weich. Um trotzdem genügend Stabilität ins Bike zu bekommen, nehmen wir oft die härtere Reifenmischung. Aus diesem Grund hat man weniger Gefühl und es ist einfach, die Front zu verlieren. Daher haben manche Honda-Fahrer auch in Kurve 2 in Argentinien das Bike über die Front verloren." Wie auch Marquez selbst, der in Termas de Rio Hondo im Rennen crashte.

Rossi über Bedingungen: "Es war wirklich ein Albtraum"

Gemeinsam mit allen anderen Fahrern und der Sicherheitskommission werde man mit Michelin eine Lösung erarbeiten, hofft der Titelverteidiger. Auffallend war, dass vor allem die Yamaha-Piloten bei den schwierigen Bedingungen weniger Probleme hatten. Kein einziger Pilot stürzte auf dem japanischen Fabrikat, wohingegen beide Suzuki-, beide Aprilia- und beide Werksducati-Piloten stürzten. Maverick Vinales konnte im dritten Training sogar eine neue Bestzeit aufstellen und auch Valentino Rossi blieb auf seinem Bike sitzen.

Rossi hält mit seiner Meinung zu den Streckenverhältnissen am Samstag nicht hinterm Berg: "Am Vormittag war es wirklich ein Albtraum. Die Bedingungen haben sich verschlimmert, das hatte negativen Einfluss auf die Reifen. Es war sehr gefährlich zu fahren." Er beklagt vor allem den kalten Wind, der sich auf den langen Geraden bemerkbar machte. "Leider war die Strecke im Vergleich zum Vorjahr in einem schlechteren Zustand", kritisiert der neunfache Weltmeister.

Nicht nur die Wetterbedingungen sind dem "Doktor" negativ aufgefallen: "Speziell in den Kurven 2 und 3, aber auch in anderen Bereichen, wie Kurve 18, waren die Bodenwellen extrem. Am Vormittag passierten die meisten Stürze in diesen Abschnitten. Zwar war die Temperatur kühl, die Bodenwellen dort aber sehr tief."

Vinales fordert besseren Vorderreifen

Teamkollege Maverick Vinales fuhr zwar die bis dahin schnellste Zeit des Wochenendes, doch auch der Yamaha-Neuzugang und zweifache Saisonsieger fühlte sich unwohl auf der M1. Er fordert von Michelin gar einen besseren Vorderreifen: "Wir wollen einen besseren Reifen auf der Front, weil es sehr kritisch war. Das war sehr ungewöhnlich, dass es am Freitag so warm war und am Samstag dann so kühl."

Auch Vinales spricht den starken, kalten Wind an: "Es wehte sehr stark und der Wind war sehr kalt. Daher ging die Reifentemperatur auf der Gegengeraden nach unten. Es war eine schwierige Situation. Wir müssen diese Situation verbessern und zumindest ohne gröbere Probleme im Kalten fahren können", betont der neue WM-Zweite mit Nachdruck.


Fotos: MotoGP in Austin


WM-Leader Rossi glaubt hingegen zu wissen, warum es besonders im dritten Training so viele Stürze gab: "Das Hauptproblem war, dass die Fahrer nicht erwartet hatten, dass der Wetterumschwung so einen großen Einfluss auf die Reifen haben würde. Das Problem war der Wind, da der Reifen nicht zu arbeiten begann und nicht auf Temperatur kam. Daher war das Bike unfahrbar." Auch Michelin äußerte sich nach den Vorkommnissen am Samstag.

Michelin gibt zu: "Waren überrascht und zu sicher"

In einer Medienrunde am Samstagnachmittag Stand Michelin-Technikdirektor Nicolas Goubert Rede und Antwort. "Es waren einfach zu viele Stürze", gibt der Franzose zu. "Am Samstagvormittag war es viel kühler als am Freitag. Wir hatten rund 18 Grad Unterschied bei der Streckentemperatur" erklärt er. Er bestätigt Rossis Vermutung, denn auch Michelin sei von den kühleren, feuchteren Bedingungen am Samstagvormittag überrascht worden: "Wir waren etwas überrascht, dass es schwierig war, den Medium aufzuwärmen. Auch in Argentinien hat der Medium bei niedrigeren Temperaturen funktioniert, da war es okay."

Goubert gibt außerdem zu, dass man zu selbstbewusst war im Umgang mit dem härteren Medium-Reifen: "Wir waren vielleicht zu sicher, daher haben wir den Fahrern zu Beginn der Session auch nicht gesagt, dass sie auf dem Soft rausfahren sollten. Der Medium-Reifen war für diese Bedingungen im Vergleich zum Vortag einfach zu hart. Wenn die Temperatur so stark zurückgeht, muss man die Reifen wechseln. Dafür ist der weiche Reifen da. Wir lernen immer noch", fügt er hinzu. Mitten in der Session erkannten viele Fahrer das Problem und steckten auf den gelb markierten Reifen um.

"Wenn man lange Geraden hat, fährt man lange geradeaus, da kühlt die Reifentemperatur ab. Danach ist es schwierig, ihn wieder auf Temperatur zu bringen. Der Wind hat also sicher auch einen Effekt", bekräftigt er die Aussagen der Yamaha-Fahrer. "Wir sind erst das zweite Jahr in Austin. Wir haben also schon Informationen, aber dennoch keinen großen Erfahrungsschatz." Mit viel mehr Erfahrung wird man im kommenden Jahr nach Texas reisen.

Dovizioso: "Mischung aus Reifen, Temperatur & Bodenwellen"

Für viele Fahrer kommt dieser Erkenntnisgewinn jedoch zu spät. Unter den Crashpiloten fanden sich auch die beiden Ducati-Werksfahrer Andrea Dovizioso und Jorge Lorenzo. Der Italiener gab nach seinem Sturz in Kurve 13 zu Protokoll: "Das war eine Mischung aus den Reifen, der Temperatur und den Bodenwellen. Es hat gereicht, um die Stürze zu ermöglichen." Auf dem Michelin-Reifen sei es nicht so einfach, die Front zu kontrollieren. Die wellige Fahrbahn tat ihr Übriges: "Ich musste ein paar Kurven anders anfahren als im Vorjahr, aufgrund der Bodenwellen. Die waren wirklich unglaublich. Speziell auf dem Michelin muss man wirklich vorsichtig sein auf der Front, nicht wie in der Vergangenheit."

KTM-Pilot Bradley Smith pflichtet seinen Kollegen bei und sieht in der Häufigkeit der Stürze ein Indiz dafür, dass die Gummis womöglich gefährlich sind: "Die Reifen sind kritisch. Leider musste Rins für seinen Fehler als Rookie bezahlen. Er ist auf der ersten Runde raus, ging auf die Hinterbremse und das Bike hat blockiert. So schwierig ist es da draußen." Normalerweise sehe man keine zehn oder elf Crashs der besten Fahrer der Welt, "außer es ist gefährlich", fügt der Brite an.

Besonders gefährlich gestaltete sich der Samstag in den USA auch für Aprilia und Aleix Espargaro. Der Spanier erlebte gleich drei Stürze und einen Motorschaden. Im dritten Training kam er, wie auch Marquez, zweimal zu Sturz. "Das Problem ist, dass der Asphalt sehr wellig ist. Wenn der Asphalt kalt ist, dann hat der Gummi keinen Grip, wenn du eine Bodenwelle erwischt. Da kann man die Front oder auch das Heck ganz leicht verlieren. Beim Crash von Marquez hatte er sehr viel Glück, er hatte keinen Grip und der Reifen war kalt. Die Kombination mit den Bodenwellen hat unser Leben erschwert", berichtet der Aprilia-Neuling seinen Eindruck.

Moto2 weniger Probleme - Arbeitsfenster der Michelin in der Kritik

Besonders auffällig war, dass die Moto2-Piloten wenige Minuten nach den MotoGP-Piloten weniger Schwierigkeiten auf der Strecke hatten. Moto2-WM-Leader und Austin-Sieger Franco Morbidelli hatte dafür eine knappe Antwort parat: "Wir waren schneller." Die Bedingungen haben die Moto2-Fahrer nicht so sehr beeinflusst, glaubt der Italiener. "Ich habe das MotoGP-Training gesehen und dachte: 'Wow, da crashen aber ganz schön viele!' Ich habe versucht, vorsichtig zu sein und habe mich gleich gut gefühlt auf neuen Reifen."

Espargaro glaubt, dass diese Tatsache womöglich etwas mit den verschiedenen Reifenherstellern zu tun hat. Während Michelin die Pneus in der MotoGP bereitstellt, liefert in der Moto2 Dunlop die Gummis. "Die haben einen anderen Reifenhersteller. Ich weiß es aber nicht. Im Qualifying war die Pace von Marquez und Vinales sehr gut, aber am Vormittag hatten alle Probleme." Wie schon einige Fahrer vor ihm kritisiert auch Espargaro die Schlappen und streicht hervor: "Wir wissen, dass das Temperaturfenster des Michelins sehr klein ist. Am Vormittag machten nur wenige Grad Temperaturunterschied schon einen großen Unterschied aus."

Honda-Pilot Dani Pedrosa, der in Argentinien in Kurve 2 ebenfalls gestürzt war, unterstreicht diesen Aspekt: "Am Freitag und Samstag sah man, dass das Arbeitsfenster der Reifen sehr schmal ist. Zumindest sind die Reifen schwierig zu managen. Es ist aber auch nicht normal, dass es an einem Tag so heiß ist und am anderen recht kühl. Es stimmt aber, dass obwohl wir weiche und harte Reifen haben, das Arbeitsfenster am Limit ist." Espargaro ergänzt etwas süffisant: "Daran müssen wir arbeiten. Wollen sie alle möglichen Temperaturbereiche abdecken, müssten sie sechs Reifen am Wochenende an die Strecke bringen."