• 23.06.2016 15:54

  • von Casey Stoner

Casey Stoner: Wie sich die MotoGP verändert hat

In der ersten Serie von Casey Stoners Kolumne spricht der Ducati-Testfahrer über die Entwicklungen der MotoGP seit seinem Rückzug in der Saison 2012

(Motorsport-Total.com/Haymarket) - Es ist fantastisch, in diesem Jahr wieder mit Ducati zusammenzuarbeiten. Ich habe tolle Erinnerungen an die Zusammenarbeit mit den Ducati-Leuten und der Marke von 2007 bis 2010. Ducati war für meine Karriere und mein Leben eine wichtige Station. Ich gewann meinen ersten MotoGP-Titel. Es ist also ein tolles Gefühl, in solch einer spannenden Phase wieder hier zu sein.

Titel-Bild zur News: Casey Stoner

Ex-Champion Casey Stoner kehrte im Winter zu Ducati zurück Zoom

Ich absolvierte bisher zwei Tests. Am auffälligsten war die schiere Motorleistung und das Drehmoment, als ich zum ersten Mal auf der Ducati saß. Beim ersten Stint in Sepang fuhr ich auf Kurve 4 zu und öffnete ein bisschen das Gas. Ich fürchtete mich zu Tode! Ich dachte mir: 'Mein Gott, du bist zu lange nicht gefahren'. Es war ein kleiner Schock. Man gewöhnt sich einfach nicht an diese brutale Leistung. Es ist wirklich beeindruckend und bereitet beim Fahren sehr viel Freude.

Es fühlt sich nach einem richtigen Motorrad an, wenn ich die Eindrücke mit denen meiner MotoGP-Zeit und der Zeit bei Ducati vergleiche. Die Reifen sind natürlich ein wichtiges Thema für mich und alle anderen. Die anderen Fahrer konnten mit den neuen Michelin-Reifen intensiv testen. Ich hatte nur ein paar Tests.

Michelin macht die MotoGP interessant

Durch Michelin wurde es wieder interessant, nicht nur was die Rennen angeht. Auch aus technischer Sicht ist es interessant, denn die Fahrer müssen am Fahrstil arbeiten und überdenken, wie sie das Motorrad entwickeln. Die Dinge haben sich verändert und das mag ich bis zu einem gewissen Grad. Ich mag es, wenn sich die Fahrer nicht richtig wohl fühlen und Anpassungen machen müssen.

Michelin

Die Charakteristik der Michelin-Reifen fordert die Fahrer und Teams Zoom

Ich rechnete damit, dass der Wechsel des Reifenherstellers einen so großen Einfluss haben würde. Als ich 2007 zu Bridgestone wechselte, fuhr niemand die Reifen, die ich verwendete. Die anderen Fahrer verwendeten andere Konstruktionen und andere Mischungen. Ich war der erste Fahrer, der sich für sehr harte Mischungen und breitere Konstruktionen entschied, weil diese Kombination beim Bremsen und am Kurveneingang Vorteile bot.

Wir änderten die Form der Bridgestone-Reifen und legten die Entwicklungsrichtung fest. Als Bridgestone in der Saison 2009 alleiniger Ausrüster wurde, schlug jeder unseren Weg ein. Und weil jeder diesen Weg ging, vergaßen die Fahrer, wie man einen Michelin-Vorderreifen fahren muss.

Wie nutzt man die Michelin-Reifen am besten?

Die Michelin-Vorderreifen vermitteln nicht so viel Vertrauen. Man muss ein bisschen sensibler mit dem Vorderreifen umgehen. Die Hinterreifen sind am Kurvenausgang und im Kurvenscheitel richtig gut. Ich denke, dass es so viele Stürze gibt, weil die Fahrer so viel Wert auf die Front legen. Die Leite denken, dass alles auf der Bremse entschieden wird.

Casey Stoner

Casey Stoner betont, dass sich die Fahrer besser an die Reifen anpassen müssen Zoom

Das Bremsen ist den Fahrern so wichtig. Beim offiziellen Test zu Beginn des Jahres in Sepang demonstrierte ich, dass sich die Meisterschaft beim Bremsen nicht weiterentwickelt hat. Es hat sich einfach nur verändert. Die Fahrer machen beim Bremsen Zeit gut, verlieren sie aber in einem anderen Teil der Kurve.

Die Michelin-Reifen sind nicht dafür gemacht, um beim Bremsen unendlich viel Zeit gutzumachen. Doch man kann damit vom Kurvenscheitel bis zum Kurvenausgang Zeit gutmachen. Die Fahrer müssen einfach nur lernen, wie sie sich daran anpassen müssen, denke ich. Doch nach so vielen Jahren mit Bridgestone und dieser Charakteristik sowie der neuen Elektronik wird viel Zeit nötig sein.

Stoner bleibt bei seiner Elektronik-Kritik

Die Elektronik fühlte sich beim Test ähnlich an wie die, mit der ich 2012 fuhr. Meiner Meinung nach gibt es nach wie vor zu viel Elektronik. Die Elektronik hat noch immer einen zu großen Einfluss. Es ist nach wie vor ein sehr ausgeklügeltes System, das wir für die Zukunft ein bisschen zurückentwickeln sollten. Wir müssen die Arbeit wieder mehr den Fahrern überlassen. Ich denke, das wäre besser.


Fotostrecke: Die Karriere-Highlights von Casey Stoner

Die Rennen waren in dieser Saison bisher gut. Die Meisterschaft ist hart umkämpft. Es gab einige Rennen, bei denen ein Fahrer dem Feld entkommen konnte. Offensichtlich hatte derjenige Fahrer am jeweiligen Tag richtig verstanden, wie er mit den Michelin-Reifen umgehen muss, während die anderen Fahrer Schwierigkeiten hatten.

Es gab Rennen, bei denen ein Fahrer davon fuhr. Aber es gab auch Rennen, in denen einige Fahrer im Rennen zurückfielen, wie wir es beim sturzreichen Rennen in Le Mans beobachten konnten. Die Fahrer und die Teams suchen nach wie vor nach der perfekten Balance, um die Reifen besser zu verstehen.

Ducati fehlt 2016 das nötige Glück

Es war ziemlich beeindruckend, wie Jorge Lorenzo in Le Mans dominierte. Das ist ein Kurs, auf dem man so etwas sonst nicht sieht. Valentino Rossi war in Jerez richtig stark. In Mugello erlebten wir einen tollen Renntag auf einer der weltbesten Strecken. Mich begeisterte auch, wie schnell unsere Ducati-Fahrer in diesem Jahr waren. Doch bisher fehlte das Glück, egal ob es kleine Fehler, technische Probleme oder das Pech von Andrea Dovizioso war, der einige Male aus dem Rennen gerissen wurde.

Andrea Dovizioso

Hat 2016 einfach kein Glück: Casey Stoner leidet mit Andrea Dovizioso Zoom

Das hat seine Chancen wirklich limitiert. Er hatte eine tolle Saison. Es tut mir für ihn richtig leid, doch gleichzeitig freue ich mich über die Fortschritte. Die Regeln in dieser Saison sind gegen Ducati, wenn man es mit dem Vorjahr und den Zugeständnissen vergleicht. Nun ist alles ausgeglichen. Doch wir konnten uns verglichen mit 2015 sogar steigern. Es läuft also richtig gut.

Beim ersten Test in Sepang fuhr ich mit der 2015er-Ducati. Bisher hatte ich nur einen Test mit der 2016er-Maschine. Das war in Katar nach dem Saisonauftakt. Wir mussten binnen kürzester Zeit sehr viel erledigen. Zudem regnete es und es gab Sandstürme. Es war wirklich Pech, dass es in Katar regnete.

Stoner hofft auf weitere Tests

Es regnete an beiden Tagen, doch wir hatten Glück, dass wir am zweiten Tag fahren konnten. Wir konnten viel abarbeiten und hatten ein gutes Gefühl, was die Entwicklung angeht. Doch ich würde mir wünschen, etwas mehr Zeit mit dem Motorrad zu haben. Verglichen mit der GP15 ist die 2016er-Maschine ein bisschen gutmütiger. Sie ist fahrbarer und man kann sie einfacher ans Limit bringen. Ich denke, die GP15 hat sehr viel Potenzial, doch die 2016er-Maschine ist ein bisschen einfacher im Umgang und vermittelt eine bessere Rückmeldung.

Casey Stoner

Edeltestfahrer Casey Stoner absolvierte bisher zwei Tests für Ducati Zoom

Uns fehlte die Zeit, um mit der 2016er-Maschine Setups zu probieren. Wir führten direkte Vergleiche neuer Teile durch. Beinahe bei jedem Stint war etwas anders. Es gab immer etwas Neues, damit wir die Zeit bestmöglich nutzen. Man hat in Katar keine kompletten Tage, denn es sind nur ein paar Stunden in der Nacht.

Es werden in jedem Bereich kleine Fortschritte erzielt. Die Verbesserungen liegen vermutlich bei etwas mehr als einem Prozent, vermutlich sind es zwei oder drei Prozent. Es ist überall ein bisschen. Das Motorrad war wirklich richtig gut. Es gibt einige Bereiche, die wir deutlich verbessern konnten.

Das Warten auf Jorge Lorenzo

Wir müssen noch herausfinden, wie weit wir es noch treiben können, weil der Test so kurz war und wir nicht alles bestätigen konnten. Es wird für Jorge sehr schwierig, wenn er in der nächsten Saison von Yamaha zu Ducati wechselt. Er fuhr viele Jahre für Yamaha. Das ist ein komplett anderes Motorrad. Die Stile der Japaner und der Italiener unterscheiden sich stark.

Jorge Lorenzo

Jorge Lorenzo wird 2017 und 2018 für Ducati an den Start gehen Zoom

Er wird Zeit benötigen, um sich umzustellen. Das steht fest. Doch wir wissen, wie hart Jorge arbeitet. Er ist wirklich clever und wird herausfinden, welche Richtung er einschlagen muss. Wir möchten, dass er so viel Einfluss auf die Entwicklung hat wie möglich. Ich denke, dass er mit seiner Erfahrung und seinem Können Ducati helfen kann, mehr aus dem Motorrad herauszuholen.

Es gibt keine Pläne, dass ich Rennen bestreiten soll. Es geht vorrangig darum, zu testen und unsere Fahrer und Motorräder näher an die Spitze zu bringen. Das betrifft nicht nur dieses Jahr sondern vor allem die kommende Saison, wenn Jorge zum Team stößt. Wir arbeiten so hart es geht, um das Motorrad so konkurrenzfähig wie möglich zu machen, bevor er dazukommt. Bis dahin genießen wir die Rennen.