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Nach 20 Rennen plötzlich illegal: Proom-Cayman wird NLS-Start verwehrt
Schmickler Performance wird bei NLS7 (6) der Start verweigert - Team reagiert mit Unverständnis - Update: VLN reagiert und verweist auf die Möglichkeit zur Berufung
(Motorsport-Total.com) - Für das Team kam der Blitz aus heiterem Himmel. Markus Schmickler bekam am Freitag vor dem 54. Barbarossapreis mitgeteilt, dass der Porsche Cayman von Achim Wawer, Carsten Knechtges und Claudius Karch nicht am Rennen teilnehmen kann. Die Sportkommissare entschieden nach einem Report der Technischen Kommissare auf Zurückweisung von der technischen Abnahme. (Update: Der Cayman hätte starten können!)

© Jan Brucke/VLN
Der Porsche-Cayman aus der SP3T durfte bei NLS7 nicht starten Zoom
Der Porsche Cayman, der von Schmickler Performance unter der Bewerbung "Proom Racing" eingesetzt wird, fährt seit 2021 in der Klasse SP3T. Nun verpasste das Team das Rennen und damit auch die Chance auf den Gewinn der Meisterschaft in der Klasse, da man bereits die Streichresultate eingefahren hatte.
Das Team verweist darauf, dass der Bolide in dieser Form bereits bei mehr als 20 Rennen der Nürburgring-Langstrecken-Serie (NLS) und Rundstrecken-Challenge-Nürburgring (RCN) an den Start gegangen ist. Außerdem verfügt das Auto über einen gültigen Wagenpass und eine Grundabnahme durch den Deutschen Motor Sport Bund (DMSB).
Wo Cayman aufhört und 982 beginnt
Streitpunkt beim Fahrzeug ist der Motor - und eine Interpretation der Regularien. Hintergrund ist, dass es vom Porsche Cayman Stand 2022 drei verschiedene Iterationen gibt: 987c (2005-2013), 981c (2013-2016) und 982 (seit 2016). Letztere wird von Porsche als "718 Cayman" vermarktet.
Beim bemängelten Fahrzeug handelt es sich um einen Cayman der Baureihe 981. Dieser ging zunächst mit seinem normalen 3,4-Liter-Sechszylindermotor in der Klasse SP6 an den Start, bis die Klasse ausstarb. Daraufhin wurde der Bolide für 2021 umgerüstet: Es wurde der Zweiliter-Vierzylinderturbo aus der Baureihe 982 eingebaut, um in der Klasse SP3T starten zu können.
Entscheidend ist nun Artikel 4.3 im Technischen Reglement für SP-Fahrzeuge auf der Nürburgring-Nordschleife. Dort heißt es: "Eine Aufladung ist erlaubt, wenn der Hersteller diese für das Serienmodell, das Basis für das einzusetzende Wettbewerbsfahrzeug ist, hergestellt hat. Für Otto-Motoren gilt, dass die Aufladung für das entsprechende Serienmodell mit Otto-Motor hergestellt sein muss. Als Serienmodell sind Fahrzeuge der gleichen Baureihe eines Herstellers anzusehen."
Rennhighlights NLS7 (6) 2022
Die besten Szenen vom 54. ADAC Barbarossapreis, dem siebten (sechsten gefahrenen) Lauf zur Nürburgring-Langstrecken-Serie (NLS) 2022
Doch ist mit "Fahrzeuge der gleichen Baureihe" nun das Modell Cayman gemeint? Oder die Baureihe 987c, 981c und 982? Das Team interpretierte den Punkt wohl fälschlicherweise auf das Modell. Die Sportkommissare hingegen beziehen sich auf die vom Hersteller vorgegebenen Baureihen, die in einem weiteren Passus im Reglement für SP-Fahrzeuge deutlich erläutert sind.
In Artikel 15 geht es um Türen, Motorhaube und Kofferraumhaube. Hier wird allerdings in Absatz 15.5 der Begriff "Baureihe" näher definiert: "Grundsätzlich dürfen alle Varianten der Serien- und der homologierten Motorsportmodelle gleicher Baureihen verwendet werden. (Bsp. Porsche Modell 911 Baureihe 991, 997, 996 und so weiter - BMW Modell E46, E90, E92 und so weiter)."
Die Situation ist in diesem Fall jedoch noch komplexer: Die Cayman-Generation 982 ist eigentlich nur ein Facelift der Generation 981c, sie wird lediglich von Porsche als dritte Generation mit dem Namenszusatz 718 vermarktet. Die Bodengruppe ist jedoch die Gleiche wie beim 981. Einen ähnlichen Fall gibt es beim Volkswagen Golf V und Golf VI.
Dennoch ist der Ausschluss rechtens, weil in 15.5 ganz konkret der Begriff "Baureihe" von "Modell" abgegrenzt sind, und das Auto illegal, weil ein Turbomotor in der Generation 981c nicht serienmäßig zu erwerben war.
Mündliche Absprache mit Armin Kolmsee
Doch selbst wenn es rechtens war: Wie kann es sein, dass dieser doch sehr offensichtliche Fehler vorher nie bemängelt worden ist? Die VLN, Organisator der NLS, bleibt bei ihrer Linie, die sie bereits in der Vergangenheit gefahren ist: Es sei nicht Aufgabe der technischen Abnahme, mehr als 100 Autos auf technische Verstöße zu prüfen. Viel mehr werden sicherheitsrelevante Dinge überprüft. Dementsprechend hätte sich der Wind nun gedreht.
Ein VLN-Sprecher verweist auf den Deutschen Motor Sport Bund (DMSB), schließlich habe dieser dem Fahrzeug einen gültigen Wagenpass mit dem Turbomotor erteilt.
Der DMSB schiebt den Schwarzen Peter zurück: Es sei nicht nachvollziehbar, dass die VLN-Techniker diese Situation nicht früher bemerkt hätten. Schließlich stünde im Wagenpass auch die Klasse drin, in der das Fahrzeug starten soll, es sei aber weder bei der NLS noch bei der RCN bemängelt worden.
Anzumerken ist auch, dass der DMSB die Grundabnahme Autos nicht selbst durchführt, sondern dies durch ausgewählte reguläre TÜV-Stellen vornehmen lässt. Für die Prüfer sind Rennwagen-Abnahmen also eher die Ausnahme vom grauen TÜV-Alltag. Ob dort auf Komplexitäten wie einen Begriff in Artikel 15 geachtet wird, der einen anderen in Artikel 4 definiert, ist fraglich.
Einig sind sich VLN und DMSB nur in einem Punkt: Der Teilnehmer trägt die Verantwortung dafür, dass das Fahrzeug regelkonform ist. Dementsprechend ist das Auto bei mehr als 20 Läufen bislang illegal gefahren und am Sonntag erneut (siehe unten).
Bezüglich der NLS-Abnahmen kommt ein weiterer Aspekt hinzu: Informationen von 'Motorsport-Total.com' zufolge hat es eine mündliche Absprache zwischen dem Team und dem früheren Obmann der Technischen Abnahme, Armin Kolmsee, sowie weiteren Technikern gegeben. Bekanntermaßen ist Kolmsee im Juni 2022 plötzlich verstorben.
Als neuer Obmann fungiert nun Wolf von Barby. Doch auch unter seiner Führung geschah zunächst nichts. Bis jetzt. Die Technischen Kommissare reichten den Fall an die Sportkommissare weiter, die das Fahrzeug um 17:50 Uhr endgültig von der technischen Abnahme zurückwiesen, weil es nicht den technischen Bestimmungen entsprach.
War der Ausschluss zu hart?
Dass das Fahrzeug gleich ausgeschlossen wurde, stößt beim Team auf wenig Verständnis. "Ich finde die Vorgehensweise nicht in Ordnung. Wenn man so etwas feststellt, geht man nach dem Rennen zu den Leuten hin und macht sie darauf aufmerksam", sagt Volker Wawer, der Kopf von Proom Racing und selbst erfahrener Nordschleifenpilot, gegenüber 'Motorsport-Total.com'.
So ist es bislang auch gewesen. Bei der Technischen Abnahme wurden, wie von der VLN weiter oben selbst angegeben, nur die sicherheitsrelevanten Aspekte geprüft. War ein Auto illegal, so musste nach dem Rennen ein Protest eingelegt werden. Nun, so heißt es im Fahrerlager, sollen die Kommissare einen Tipp bekommen haben, und der bleibt jetzt natürlich anonym.
Wawer kann es nicht fassen: "Wir sind kalt durch die Hintertür abgewiesen worden. Wenn man uns hätte starten lassen, wäre alles gut gewesen. Dann wären wir gefahren und andere hätten im Nachhinein den Protest eingelegt. Und wir hätten in Berufung gehen können."

© VLN
Optisch kaum zu unterschieden: Der Porsche 718 Cayman (982) ist lediglich ein Facelift des 981c Zoom
Auf eine Berufung gegen den Ausschluss verzichtet das Team, weil man selbst in diesem Fall nicht hätte starten können, da das Auto ja abgewiesen wurde. Zeit zum Reagieren gab es an einem Freitagnachmittag vor dem Rennen nicht mehr.
"Was ist denn dann der Sinn der Grundabnahme? Wie kriege ich als Einzelperson sichergestellt, dass ich, wenn ich 200.000 Euro in ein Auto investiere, auch wirklich starten darf?" Die Frage stellt sich, weil sämtliche Papiere plötzlich bei den Sportkommissaren keine Bedeutung mehr hatten. Es habe geheißen, dass das Team die DMSB-Abnahme "durchreißen" könne.
Das Team schreibt dazu auf Facebook: "Bereits bevor wir den Umbau begonnen haben, haben wir natürlich DMSB-Gutachter eingeschaltet und alle Aspekte des Umbaus besprochen. Es gibt sowohl ein offizielles DMSB-Abnahmeprotokoll als auch eine schriftliche Freigabe des ADAC für das 24-Stunden-Rennen." Der ADAC Nordrhein hat die Hoheit über das SP-Reglement.
"Laut Sportkommissar sind diese Papiere nichts wert und die technischen Kommissare hätten in der Vergangenheit eben Fehler gemacht, die wir nun leider ausbaden müssen."
Kurioserweise wurde das Fahrzeug zur RCN-Veranstaltung, die am Sonntag nach dem NLS-Lauf stattfand, wieder zugelassen, weil man dort die Sichtweise des Teams teilt. Und nicht nur das: Fahrer Stefan Schmickler holte auf dem Cayman den Gesamtsieg beim Preis der Erftquelle.
In der NLS hingegen dürfte die Saison für das Auto gelaufen sein. Die einzige Möglichkeit wäre, in die Klasse SPX zu wechseln. Dort wäre der Cayman aber nicht siegfähig. Wawer erwägt, ein neues Auto zu organisieren. Das ist angesichts von nur 14 Tagen Zeit aber alles andere als einfach. Die Chancen, dass das Team bei NLS8 (7) am Start steht? "10 Prozent."
Transparenzhinweis: In einer früheren Version des Artikels hieß es, dass bei Artikel 4.3 im Sportlichen Reglement für SP-Fahrzeuge "Interpretationsspielraum" bestehe. Aufgrund der Definitionen von "Modell" und "Baureihe" von Artikel 15.5 stimmt das jedoch nicht. Wir haben den Absatz entsprechend korrigiert.


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