• 17.12.2008 08:30

  • von Pete Fink

Who is ... Helio Castroneves (2)

Helio Castroneves ist einer von zwei Superstars der IndyCars - hier Teil zwei des Castroneves-Specials auf 'Motorsport-Total.com'

(Motorsport-Total.com) - Lediglich einmal in seiner langen Motorsportkarriere kam Helio Castroneves in die Schlagdistanz zur Formel 1. Im September 2002 testete er in Paul Ricard einen Toyota TF102. Die Japaner suchten damals einen zweiten Piloten neben Olivier Panis, und der zweifache Indy-500-Sieger drehte 75 schnelle Runden. Stammfahrer McNish lobte: "Es war gut, dass Toyota einem in der IRL und Indy 500 erfolgreichen Fahrer die Chance gab, einmal ein Formel-1-Auto zu testen."

Titel-Bild zur News: Helio Castroneves

Think positive: Helio Castroneves hat eigentlich immer ein Lächeln im Gesicht

Doch es nutzte alles nichts: Der Formel-1-Job bei Toyota ging schließlich an Cristiano da Matta, und Castroneves schwante schon unmittelbar nach seiner Rückkehr in die USA nichts Gutes: "Sie haben mir es natürlich nicht direkt gesagt, aber ich bin ja nicht dumm", äußerte er seine begründete Skepsis.#w1#

Der Stachel saß offenbar tief. Noch zwei Jahre später, im Dezember 2004 erklärte Castroneves seinen Gemütszustand in einer TV-Sendung in Brasilien wie folgt: "Mein Traum einer Formel-1-Karriere ist noch nicht vorbei. Ich komme schließlich aus Brasilien, wo Formel-1-Rennen sehr populär sind."

Der große Haken an der Sache: "Ich habe in Amerika viel erreicht, speziell mit meinen beiden Indy-500-Siegen. Ich habe das Auto von Toyota getestet und hatte viel Spaß dabei. Aber ich kann doch nicht alles, was ich in den USA erreicht habe, stehen und liegen lassen, um einem Kindheitstraum nachzujagen. Ich schätze, die Wege des Herrn sind zuweilen unergründlich."

Durststrecke bei Penske

Doch der IndyCar-Star saß noch einmal in einem Formel-1-Auto. Er drehte im April 2006 in Homestead einige Demonstrationsrunden in einem Ferrari F2002 und freute sich im Vorfeld wie ein kleines Kind: "Das wird interessant werden. Wenn sie mir sagen, dass ich in die Box kommen soll - es könnte sein, dass ich gar nicht aufhören will zu fahren!"

Helio Castroneves Gil de Ferran

Gil de Ferran war viele Jahre lang der Penske-Teamkollege von Castroneves Zoom

Heute hat er mit der Formel 1 endgültig abgeschlossen. Das liegt unter anderem auch daran, dass die IndyCars in seinem Heimatland mittlerweile voll akzeptiert sind. "Die IndyCars wurden in Brasilien erst populär, als Emerson Fittipaldi 1989 das Indy 500 gewann", weiß Castroneves. Aber durch die Masse an brasilianischen Piloten im Feld erfreuen sie sich einer sehr großen Beliebtheit.

In den USA folgte nach der Saison 2002 eine längere Durststrecke. 2003 war es der neuseeländische Rookie Scott Dixon, der in Diensten von Chip Ganassi den beiden Penske-Assen de Ferran und Castroneves den IRL-Titel überraschend vor der Nase wegschnappte.

Ein Jahr später waren die Toyota-Motoren von Penske gegen die bärenstarken Honda-Aggregate von Andretti-Green und Rahal-Letterman ohne jede Chance. Gil de Ferran hatte sich von Team Penske in den Ruhestand verabschiedet, und wurde ab 2004 durch den bis dato zweifachen IRL-Champion Sam Hornish Jr. ersetzt.

Hornish Jr. holt 2006 wieder einen IRL-Titel

"Sam ist ein richtig starker Pilot", freute sich Castroneves über seinen neuen Teamkollegen. "Ich will ihn schlagen und er will mich schlagen. Aber im Prinzip wollen wir beide Autos vorne sehen und vor allem unseren Boss glücklich machen." So war sein persönlicher Höhepunkt des Jahres 2004 eine Privataudienz bei Papst Johannes Paul II. im Vatikan.

Helio Castroneves Sam Hornish Jr. Penske

Ab 2004 war Sam Hornish Jr. (o.) der neue Penske-Mann neben Castroneves Zoom

Sowohl 2004 als auch 2005 glückte Castroneves nur ein Saisonsieg (Texas und Richmond), denn gegen die Andretti-Green-Dominanz war in diesen beiden Jahren kein Kraut gewachsen. Das änderte sich erst 2006 wieder, als das Penske-Duo Hornish/Castroneves acht von 14 Saisonrennen gewann.

Es war die bislang engste IndyCar-Saison: Hornish und Ganassi-Pilot Wheldon lagen am Ende mit 475 Punkten gleichauf. Hornish holte sich seinen dritten IRL-Titel aufgrund seiner vier Saisonsiege. Castroneves wurde mit 473 Punkten Gesamtdritter und kam ebenfalls auf vier Erfolge in St. Petersburg, Motegi, Texas und Michigan.

"Es liegt zu 80 Prozent am Fahrer", analysierte IndyCar-Routinier Castroneves die IRL-Geschehnisse während eines Rennens einmal. "Die anderen 20 Prozent gehören dem Team - oder sagen wir besser 30 Prozent, denn da gibt es ja noch die Boxenstopps."

Bodenständigkeit bringt Sympathiepunkte

2007 war für Team Penske erneut kein Kraut gegen Andretti-Green und die Ganassi-Mannschaft gewachsen. Hornish und Castroneves belegten mit je einem Saisonsieg in der Gesamtwertung die Plätze fünf und sechs - jedoch mit einem gehörigen Respektabstand zu den Titelduellanten Dario Franchitti (AGR) und Scott Dixon (Ganassi).

Helio Castroneves

2007 glückte Helio Castroneves nur ein magerer Saisonsieg in St. Petersburg Zoom

Castroneves lieferte sich zu Saisonbeginn auf der Start-/Zielgerade von Homestead ein spektakuläres Tennis-Match mit der belgischen Tennisspielerin Kim Clijsters, bevor er eine Woche später in St. Petersburg gewann. War sein sportlicher Erfolg 2007 eher bescheiden, so schaffte er später im Jahr den endgültigen Durchbruch in die Herzen der Amerikaner.

"Ich bin eigentlich immer auf dem Boden geblieben", sagt der sympathische Brasilianer über sich selbst. "Aber nicht nur das, denn ich war auch einmal ein Fan. Ich weiß wie es ist, wenn man ein Autogramm haben möchte oder ein gemeinsames Foto mit einem Fahrer will."

Am 29. August 2007 gab Castroneves am Rande des Detroit Wochenendes bekannt, dass er nach Saisonende bei der fünften Staffel der Sendung "Dancing with the Stars" mit von der Partie sein wird. Seine Tanzpartnerin war Julianne Hough, die bereits in der vorherigen Staffel zusammen mit dem Eisschnellläufer Apolo Anton Ohno gewann.

Tanzen bringt den endgültigen US-Durchbruch

Ende September begann die Serie und dauerte bis Ende November. Mambo, Quick Step, Walzer, Jive, Rumba - Castroneves lieferte trotz zwischenzeitlicher Verletzung eine sagenhafte Show ab und zog prompt in das Finale dreier Tanzpaare ein.

Helio Castroneves

Julianne Hough und Helio Castroneves beim "Dancing with the Stars" Zoom

"Es ist, verglichen mit einem Rennwagen, wo du das Auto zum Arbeiten bringen willst, ein gewaltiger Unterschied seinen Körper zu bewegen", musste der Brasilianer feststellen. "Meine Knie merken das langsam. Im Rennsport ist deine Schuhsohle recht dünn, denn du willst ja die Pedale spüren. Hier bist du fast permanent auf deinen Zehenspitzen und du rutscht nur herum."

Der haushohe Favorit im Finale war Ex-Spice-Girl Mel B., die nach der Jury-Wertung noch vor Castroneves/Hough lag. Doch das letzte Wort hatten die US-Fernsehzuschauer und deren Sympathien lagen eindeutig beim Rennfahrer. "Diese Trophäe wird zwischen meinen zwei Indy-500-Pokalen überragend aussehen!"

Sein Fazit: "Das war eine unglaubliche Erfahrung, ich würde es sofort ein zweites Mal wieder machen. Das Gefühl, als sie unseren Namen ausriefen, war ein ganz anderes war, als wenn man ein Rennen gewinnen würde. Natürlich war Indianapolis mein wichtigster Sieg, aber das hier ist auch großartig."

Castroneves und Patrick - Mainstream-USA kennt beide

Übrigens: Während Castroneves am Feiern war, gab sich das haushoch favorisierte Spice Girl als suboptimale Verliererin: "Das ist ein schreckliches Gefühl", so Mel B. "Das kann und will ich gar nicht abstreiten." Der Triumph von Castroneves über den Show-Profi war eine Sensation. Amerikanische Beobachter führten diesen auf "die Persönlichkeit und den Enthusiasmus" des Penske-Piloten zurück.

Danica Patrick Helio Castroneves

Danica Patrick und Helio Castroneves - die beiden großen Namen der IndyCars Zoom

Damit war Castroneves mit einem Schlag mitten in Mainstream-USA angekommen. Seine plötzliche Popularität hatte zwei Effekte: Erstens löste seine Verlobte Aliette Vazquez die Verlobung der beiden auf, denn Castroneves und Hough wurde nachgesagt, dass sie sich im Rahmen ihrer Tanzaktivitäten wesentlich näher gekommen seien als bislang angenommen.

Und die IndyCar-Serie hatte neben Danica Patrick plötzlich einen zweiten Superstar, der nicht nur das Interesse der alteingesessenen Motorsport-Fans schürte. Das Timing konnte nicht besser sein, denn nur drei Monate später ging auch die Wiedervereinigung zwischen IRL und ChampCars über die Bühne.

Castroneves und sein Kumpel Kanaan waren zwei der Piloten, die noch in beiden Serien fuhren. Der Jubel war riesig: "Ich habe mich immer schon dafür ausgesprochen. Ich bin jetzt so glücklich darüber, lieber spät als nie. Es kommt zwar alles sehr plötzlich, aber wir alle - Fahrer inklusive - müssen jetzt eben dafür Sorge tragen, dass wir diese Serie wieder so stark machen, wie sie früher einmal gewesen ist."

Keine Chance gegen Dominator Dixon

Natürlich wäre aus Castroneves' Sicht die Krönung der Wiedervereinigung ein IndyCar-Titel gewesen. Sein Teamkollege Hornish Jr. verabschiedete sich in Richtung NASCAR und wurde zu Saisonbeginn 2008 durch Ryan Briscoe ersetzt. Penske-Intern war Castroneves also die klare Nummer eins.

Helio Castroneves Scott Dixon

Scott Dixon hatte 2008 nicht nur Helio Castroneves fest im Griff Zoom

Doch zwei Siege und acht zweite Plätze sollten für den so lange ersehnten Titel wieder nicht reichen. Der klare Dominator der IndyCar-Saison 2008 war Ganassi-Pilot Scott Dixon, der Castroneves über die gesamte Saison hinweg auf Schlagdistanz halten konnte.

Anfang Oktober begann dann ein außerordentliches persönliches Drama, dessen Folgen in ihrer Tragweite noch nicht abzusehen sind. Die US-Steuerbehörden behaupten, dass der Brasilianer mit Wohnsitz in Florida zwischen 1999 und 2004 insgesamt 5,5 Millionen US-Dollar an den amerikanischen Steuerbehörden vorbei geschmuggelt haben soll.

Castroneves im Steuersumpf

Die Indizienlage ist offenbar komplex und schwierig: Castroneves soll die Gelder über eine Firma Seven Promotions mit Sitz in Panama, und später auf Anregung seines Anwalts nach Holland zu einer Firma namens Fintage Licensing umgeleitet haben. Für den Fall, dass diese Firmen nicht unter der Kontrolle von Helio und Kati Castroneves stehen würden, wäre dieser Vorgang legal.

Ryan Briscoe Roger Penske Helio Castroneves Tim Cindric

Ryan Briscoe, Roger Penske, Helio Castroneves und Tim Cindric - und 2009? Zoom

Aber bereits im Jahr 2004 schöpften die US-Steuerbehörden Verdacht: Man überprüfte Seven Promotions, und die drei Angeklagten versicherten damals, dass sie keinerlei Beteiligung an der panamesischen Firma besitzen würden. Sollte nun das Gegenteil bewiesen werden, dann wäre dies ein Meineid.

Ein ähnliches Vorgehen wird im Zusammenhang mit Zahlungen eines brasilianischen Sponsors vermutet, bei denen Kati Castroneves einen Großteil der 600.000 US-Dollar auf ein Schweizer Bankkonto umgeleitet habe, über das die Castroneves-Familie angeblich ebenfalls die Kontrolle hat.

Wie wird es 2009 weitergehen?

Sollten sich all diese Unterstellungen als wahr herausstellen, dann droht Castroneves eine Maximalstrafe von 30 Jahren Gefängnis. Zu allem Überfluss wird der Prozess - Stand Dezember 2008 - am 2. März 2009 beginnen, also nur fünf Wochen vor dem IndyCar-Saisonstart in St. Petersburg.

Helio Castroneves

Wird Helio Castroneves in der Saison 2009 noch einmal aktiv werden können? Zoom

Die aktuelle Situation ist also undurchsichtig, die Spekulationen um die Zukunft Castroneves' sind mannigfaltig. Sicher ist derzeit nur, dass das Team seinem langjährigen Piloten noch die Stange hält, wie Roger Penske ("Wir werden erst aktiv, wenn wir wissen, dass Helio nicht zur Verfügung steht") und Teamchef Tim Cindric ("Er ist angeklagt, aber er wurde noch nicht für schuldig erklärt") zuletzt versicherten.

Wie lange dieser Prozess dauern wird, ist genauso unklar wie die Frage, ob und wann der IndyCar-Sympathieträger in der Saison 2009 ins Geschehen eingreifen kann. Fakt ist jedoch: Sollte der Brasilianer verurteilt werden, dann würde auch die IRL einen dramatischen Schaden erleiden. Denn knapp hinter Danica Patrick ist und bleibt Castroneves der zweite große IndyCar-Superstar.